Berliner Literaten feierten die Standhafte aus Nitzkydorf
Berlin – Auch wer sich bisher vielleicht schwer getan hat mit Herta Müllers geklebten Wort- und Textcollagen, spätestens wenn man sie selbst mit ihrer tiefen weiten Stimme gehört hat, die jedem Wort Leben gibt und dem Werk einen Rhythmus, dann kann man fast süchtig werden nach dieser ebenso gehaltvollen wie kargen Dichtung.
Zu hören war die diesjährige Literatur-Nobelpreisträgerin am Freitag in Berlin bei dem „Fest für Herta Müller“, wo sie im Haus der Berliner Festspiele von ihren Freunden, Weggefährten und Lesern mit einem abendfüllenden Programm – an dem sie sich auch selbst beteiligte – geehrt und gefeiert wurde. Obwohl alles, was in der Berliner Literaturszene Rang und Namen hat, erschienen war, wurde es kein Festakt, sondern ein heiteres Fest mit melancholischen Untertönen, unprätentiös wie die Gefeierte.
Nicht einmal der wahrhaft eisige Ostwind hatte die Berliner Literaturfreunde abgehalten, vor den Toren des ausverkauften Festspielhauses nach Karten zu fragen. Schwerer traf es den Hausherrn Joachim Sartorius, der im Schneechaos zwischen Paris und Berlin stecken geblieben war. In seiner – stellvertretend von Ulrich Matthes verlesenen – Rede bezeichnete er Herta Müller als eine Mutige, eine Furchtlose und Standhafte.
Als Deutschstämmige wurde sie 1953 in Nitzkydorf im rumänischen Banat geboren. Wegen ihres beharrlichen Widerstands gegen Ceausescus kommunistisches Regime und einem Publikationsverbot siedelte sie 1987 nach Westdeutschland über. Sie lebt jetzt in Berlin-Friedenau.
Mit geradezu britischem Understatement und Selbstironie beschrieb ihr Verleger Michael Krüger vom Hanser Verlag seine Qualen beim Münchner Frackverleih, bevor das altmodische Stück Sitz und Form hatte, um ihn in Stockholm gute Figur machen zu lassen. Alptraumartig beschäftigte er sich dabei mit der Frage, ob Herta Müller sich für die Preisverleihung ähnlichen Qualen unterziehen musste. Sie musste nicht und voller Hochachtung beschrieb er, wie die zierliche Preisträgerin zur „unangefochtenen Heldin“ in Stockholm wurde in einem schlichten schwarzen Kleid, das neben Ball- und Batikgewändern nicht zu übersehen war.
Ulrich Matthes verlieh Auszügen aus Herta Müllers letztem Buch „Die Atemschaukel“ eine nachdenkliche Präsenz, bevor Andrei Plesu, der nach der Wende erste demokratische Kulturminister Rumäniens, Müller als eine große Schriftstellerin ehrte. Der Kommunismus könne bei ihr nicht einmal in Rosa als Lieblingsfarbe erscheinen. Das Einzige, wozu er überhaupt getaugt hätte, wäre der Widerstand, den er hervorgerufen hat. Mehr nicht.
Die Melancholie und Einsamkeit, aber auch der Mut, die in den Melodien der rumänischen Künstler mitschwangen, die als Überraschungsgäste geladen waren, kehrten auch in Herta Müllers Gedenken zurück in den Saal, als sie in rumänischer Sprache eine Ehrung sprach für die 1700 Toten, die ebenfalls an einem 18. Dezember vor zwanzig Jahren die Aufstände in Rumänien gefordert hatten. Am Beginn der Wende in Rumänien.
Herta Müllers Themen, die ja nicht nur Themen einer rumänischen Diktatur sind, sondern überhaupt vom Leben in Diktaturen handeln, werden dank ihrer Bücher so schnell nicht mehr vom Tisch sein. Sei es aus aktuellen Gründen, die es in der Welt noch genügend gibt, sei es aus Begegnungen mit der Vergangenheit.
Musikalisch ebenso ironisch wie tiefsinnig beendete ein rumänisches Duo den Abend mit einer originellen Mischung aus eigenen Liedern, die fast so süchtig machten wie Herta Müllers Stimme.
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