„Da ist ein Menschenleben zu kurz“

Interview mit Krysztof Dobrek von Dobrek Bistro
Titelbild
(www.dobrek.com)
Epoch Times9. Juni 2008

Musik einzuordnen, das mag Krysztof Dobrek nicht. Und seine eigene schon gar nicht. Der Zuschauer, respektive Zuhörer, ja, der dürfe das. Aber er selbst, nein, er mag keine Rahmen setzen, nicht sich selbst und auch nicht anderen. Nun gut, dann tun wir das auch nicht und empfehlen jedem, sich die Mischung aus…oh, fast wär´s passiert! – na, sagen wir einfach, die gute Musik von Dobrek Bistro und ihrem charismatischen Bandleader und Akkordeonspieler Krysztof Dobrek selbst anzuhören. Denn, soviel sei verraten, musikalisch lässt sich´s in Dobreks Bistro vorzüglich schmausen.

ETD: Seit wann machen Sie Musik?

Dobrek: Musik? Seit der Geburt. Ich habe nie etwas Anderes gemacht. Mein erstes Geld habe ich verdient mit 14, also seit 26 Jahren verdiene ich Geld damit. Ich bin in Südpolen aufgewachsen, am Rande einer Sandwüste. Das ist wirklich auf dem Land. Ungefähr zwischen Krakau und Katowice.

ETD:
Wann und wie sind Sie nach Österreich gekommen?

Dobrek: 1990 bin ich nach Österreich gekommen. Das war eine schnelle Entscheidung. Damals wurde an einem Dienstagabend in den Nachrichten bekannt gegeben, dass in der Nacht von Donnerstag auf Freitag die Visumpflicht für Polen eintritt. Und Österreich war das letzte Land, nachdem es Westberlin nicht mehr gegeben hat, in das man ohne Visum reisen konnte. Am Mittwoch in der Früh habe ich schon die Fahrkarte gekauft und am Mittwoch am Abend bin ich gefahren und am letzten Tag, am Donnerstag, nach Wien gekommen.

ETD: Was haben Sie dann in Wien erlebt? War das ein einfacher Übergang?

Dobrek: Also, zu so einem Schritt ist man, glaube ich, nur in einem bestimmten Alter bereit. Ich habe 200 Schilling gehabt (etwa 15 Euro). Das reicht nicht einmal für eine Nacht. Und in der letzten Nacht vor Eintreten der Visumpflicht bis am Abend sind 17.000 Polen nach Wien gekommen. Das heißt, es war nicht einmal möglich, ein Bett zu bekommen. Die ersten drei Wochen habe ich irgendwo auf dem Boden geschlafen. Bis ich nach drei Wochen ein großer Kapitalist geworden bin und ein Bett in einem Fünf-Personen-Zimmer für zwei Wochen bezahlen konnte.

ETD: Wie ging das?

Dobrek: Die Leute sind einfach weggefahren nach Polen. Die, die am 5. September gekommen sind, durften für drei Monate bleiben. Diese drei Monate wurden natürlich von allen so gut es ging ausgenutzt, aber da es so viele Leute waren, gab es natürlich nicht genug Arbeit. Deshalb gab es immer weniger Polen.

Ich habe gleich am ersten Tag in der Kärntner Straße (Anm.: eine der bekanntesten Einkaufsstraßen Wiens) gespielt – und habe sechs Jahre davon gelebt. Man könnte sagen, sechs Winter, denn die Straßenmusikanten zählen die Zeit wie die alten Indianer.

ETD: Was erlebt man alles als Straßenmusiker?

Dobrek:
Das ist harte Arbeit. Man ist die ganze Zeit auf der Straße und bereit zu spielen.

Das Paradoxe ist, man wird am Tag von tausenden Menschen gesehen, und es gibt einen nicht. Man hat keine Rechte, keine Versicherung, man darf nicht krank werden.

(www.dobrek.com)
(www.dobrek.com)

ETD: Wie kam dann der Übergang weg vom Straßenmusikanten?

Dobrek: Ich kannte ja schon viele Musiker in Wien, vor allem Studenten. Irgendwann hat die Band „Die Landstreich“ zwei neue Leute gesucht, und dann wurde ich weitervermittelt. Dort habe ich von 1996 bis 2004 gespielt, 2003 haben wir sogar den Salzburger Stier als Auszeichnung bekommen. In diesem Zeitraum sind sehr viele Sachen entstanden. Dobrek Bistro war quasi ein Nebenprodukt aus dieser Zeit.

ETD:
Haben Sie auch eine klassische Musikausbildung genossen?

Dobrek: Ich habe schon verschiedene Musikschulen besucht, aber die Schule, die ich abschließe, die ist noch nicht erfunden (lacht). Ich habe Musik studiert, aber nur so lange, wie es mich interessiert hat. Ich habe angefangen, Akkordeon zu spielen, im Alter von 13 Jahren bin ich dann umgestiegen auf Fagott und habe das Akkordeon acht oder neun Jahre nicht angeschaut. Damals wollte ich Klassiker werden. Auf das Akkordeon bin ich in Wien wieder zurückgekommen.

ETD: Haben Sie musikalische Vorbilder?

Dobrek: Sehr viele. Der erste war ein Roma-Straßenmusiker in Krakau. Dort habe ich Stunden damit verbracht, ihm zuzuhören. Später habe ich auch mit ihm gespielt, in Krakau ist er eine Legende. Ein Geiger, der wegen einer Krankheit umlernen musste und die Geige wie ein Cello halten muss und trotzdem unheimlich virtuos ist.
Wenn ich etwas höre, dann höre ich immer aktiv. Manchmal beginne ich mit Vivaldi, und nach einer halben Stunde sage ich – jetzt wäre schon eine rumänische Hochzeitsmusik angebracht.

ETD: Wie ist Dobrek Bistro eigentlich entstanden?

Dobrek: Ich habe ein Angebot bekommen, beim 1. Akkordeonfestival einen Abend zu gestalten. Ich habe gesagt, okay, einen Abend gerne, aber alleine will ich nicht. Dann hieß es, gut, dann spiel mit wem Du willst. Und so ist Dobrek Bistro entstanden. Zuerst war die Band, dann der Name. Der kam dann ungefähr fünf Monate später.

ETD: Sie sind auch ein Klassik-Fan?

(Wolf-Dieter Grabner)
(Wolf-Dieter Grabner)

Dobrek: Selbstverständlich bin ich auch ein Fan der Klassik – unter anderem. Volksmusik, meine Volksmusik, könnte man behaupten, war die Musik von Frederic Chopin. Weil andere Volksmusik hatte ich nicht. Das war Musik, die ich als Kind sehr viel gehört habe. Ich habe es damals in den 70er Jahren geliebt, wenn irgendeiner der Parteibonzen gestorben ist, weil dann im Fernsehen und im Radio drei Tage Trauersperre war und man hat nur Chopin gehört.

ETD: Aufzuwachsen im Kommunismus, wie war da der Zugang zu Musik im Allgemeinen?

Dobrek: Also Klassik war überhaupt kein Problem. In den 50er Jahren gab es allerdings das Problem mit dem Jazz. Der war, glaube ich, in Polen bis 1954 ganz verboten. Für Jazz-Hören landete man im Gefängnis. Dann war diese Musik zwar erlaubt, aber jeder Jazz-Musiker war aktenkundig bei der Polizei. Allein weil man Jazzmusiker war, bedeutete das schon, wert gewesen zu sein, bespitzelt zu werden. Deshalb war Jazz-Musik in Polen so hoch angesehen. Amerika ist quasi noch immer der „Vorort zum Himmel“. Das ist geschichtlich so entstanden, weil sich viele Menschen mit Jazz identifiziert haben. Und Jazz zu hören war auch immer wieder „in“, weil es eine Art von Protest gegen den Kommunismus war.

ETD: Was würden Sie gerne in Ihrem Leben noch alles machen – ist da auch chinesische Musik dabei?

Dobrek: Ich habe vier Jahre mit Chinesen in einer Wohngemeinschaft gewohnt. Das waren klassische Sänger. Es war aber nicht leicht, aus ihnen etwas herauszupressen, was etwa klassische chinesische Volksmusik ist. Die waren mehr auf Mozart fixiert. Es gibt 20.000 bis 30.000 Chinesen in Wien, aber es gibt keine Musikszene.

ETD: Im asiatischen Raum gibt es oft die Verbindung von Musik mit etwas Spirituellem.

Dobrek: Im antiken Griechenland hat man auch die heilende Wirkung von Musik unterrichtet, die magische Wirkung von Musik und so weiter. Das ist etwas, das im Mittelalter ausradiert wurde. Seit die Kirche herrscht, wurde so etwas verboten. Mit der Renaissance sind diese Sachen wieder aufgetaucht, schon weil man sich von der Religion distanzieren wollte. Also wenn man die antiken Schulen studiert: Die Musik war, wie die Mathematik und die Astrologie, immer dabei. Man kann von Pythagoras nachlesen: Diese Skalen haben heilende Auswirkung, und dieses Instrument kann dies und das verursachen.

Das Interview führte
Florian Godovits

(www.dobrek.com)
(www.dobrek.com)


Kommentare
Liebe Leser,

vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.

Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.

Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.


Ihre Epoch Times - Redaktion