Die Ernsthaftigkeit des Kindseins

„In aller Welt anfänglich eher zufällig mitfotografiert, dann immer bewusster als eines meiner Langzeit-Themen fokussiert. Unschuldig, verletzbar, allein – Sind Kinder die Seele doch der Menschheit. (Peter Handke)“ Geboren 1952, ist Dieter Matthes in Berlin sowohl als Arzt, als auch als Schauspieler und als Fotograf tätig.
Titelbild
KINDHEITEN (Dieter Matthes) Anklicken zum Vergrößern
Von 22. Juli 2008

Streetlife-Fotografie – Straßenleben-Fotografie, das hat der Berliner Arzt und Fotograf Dieter Matthes schon seit Jahrzehnten betrieben, es entstehen Bücher daraus und Ausstellungen und auf jeden Fall anregende Bildgeschichten. Das heißt, jedes Bild erzählt – dem der darin „lesen“ will – eine eigene Geschichte. In diesem Fall von Kindern, Menschen und Beziehungen. Matthes sucht niemals Themen, die Themen verdichteten sich im Anschauen des gesammelten Bildmaterials.

Die Fotoausstellung KINDHEITEN – in drei Jahrzehnten streetlife – ist zu sehen in Berlins renommierter Galerie im Körnerpark. Sie entfaltet sich in der langen Halle der Orangerie zu einem Gang durch die fast beiläufige Selbstsuche eines Mannes etwa vom dritten bis zum Anfang seines fünften Lebensjahrzehnts. Reisen durch die Welt mit Aufträgen bekannter Zeitschriften und Magazine ermöglichen den Blick auf die Kinder und wecken eigene Assoziationen – weit entfernt von Klischees der lachenden Kindheit oder der sozialen Anklage.

KINDHEITEN (Dieter Matthes)
KINDHEITEN (Dieter Matthes)

– „Fotografie ist für mich ein Tasten und Versuchen. Eine Identitätssuche. Die Kinder, das bin auch immer ich, der ich mich zu finden versuche, um mehr mit mir in Kontakt zu kommen.

Das ist der Blick auf mich, der ich mich damals immer irgendwie alleine fühlte. Es ist schon eine Konfrontation mit sich selbst und der eigenen Vergangenheit, aber auch mit der tiefsten Kindheit.“

KINDHEITEN (Dieter Matthes)
KINDHEITEN (Dieter Matthes)

– Die Ernsthaftigkeit des Kindseins, ist das ein passender Titel?

– „Ja, das kann man so sagen. Beim Hängen der Bilder entdeckte ich: Da ist ja kein Kind mit unbeschwertem Kinderlachen, da war ich selbst erschrocken. Aber es entlässt einen wohl nicht deprimiert, sondern es ist so in der Mitte zwischen einer schönen Souveränität eines Kindes, einer Aura im besten Sinn, die unangetastet bleiben will, und einem Appell an uns Erwachsene, diese nicht zu verletzen, aber auch das Bedürfnis des Kindes nach Schutz nicht zu verletzen. Eine heikle Gratwanderung, die ich da vielleicht versucht habe zu beschreiben. Ein ernsthafter Appell an Eltern oder die, die ihr für uns da sein sollt: Stellt bitte eine Mischung her aus einem Respekt vor dem Kind, aber gleichzeitig sollt ihr eine Liebe herstellen. Ja eine Liebe. Verlass mich nicht!“

KINDHEITEN (Dieter Matthes)
KINDHEITEN (Dieter Matthes)

– Man kann jedes Bild wie eine Geschichte für sich lesen.

– „Darüber freue ich mich, denn so ist es auch gedacht, als Fragment einer Geschichte, die man weiterspinnen kann in beide Zeitrichtungen. Die Bildersuche ist wie ein Herstellen des Lanzeitgedächtnisses bis in die averbale Phase.“

KINDHEITEN (Dieter Matthes)
KINDHEITEN (Dieter Matthes)

– Warum streetlife – Straßenleben? Und warum schwarz-weiß?

– „In den Städten ist Leben intensiver zu beobachten für mich als Flaneur, situativ, das Leben ist intensiver, komprimierter, die Menschen in Beziehungen untereinander oder zur Umwelt, wo ich eine Metapher daraus machen kann, da schärfe ich meinen Blick. Das kann Zufall sein, ein Kind, ein alter Mensch, Mensch und Hund und immer schwarz-weiß. Bild und Schrift – da sind wir auf schwarz-weiß programmiert. Das ist wie eine Abstraktion unseres normalen Farbempfindens, ich glaube das erleichtert eine unbewusste Brücke zu einer Art Leseerlebnis, so wie wir es vom Lesen her kennen.“

Dieter Matthes, Berlin. (Renate Lilge-Stodieck/ETD)
Dieter Matthes, Berlin. (Renate Lilge-Stodieck/ETD)

– Ist das ein miteinander Teilen, mehr als eine Botschaft?

– „Ja, das ist das gute Stichwort, ich möchte etwas mitteilen, möchte einen Zuhörer haben und mit ihm etwas teilen, keine belehrende Botschaft. Ich möchte eine Geschichte in die Welt setzen, über die ich mich mit dem Zuhörer unterhalten möchte.“

– Diese Appelle sprechen aus den Bildern, aber sie werden nicht gesucht, sondern nachträglich gefunden?

– „Das Bild selbst ist die Erzählung, ich rede gern über die Zusammenhänge, in denen es entstanden ist, aber ich gebe nicht gern eine Deutung. Das Bild ist das Wort.“

– Hat sich Ihr Blick auf sich selbst verändert durch die Geburt der eigenen Kinder?

– „Ich habe das Glück gehabt, in meiner Frau eine Seelenpartnerin zu finden, die die Mutter meiner Kinder werden konnte, das war schon eine gute Voraussetzung. Das hat die für mich schwierige Entscheidung, bewusst Ja zu Kindern zu sagen und die Verantwortung nicht nur für mich selbst in meinem Leben zu übernehmen, sehr vereinfacht.

Bis zur Geburt des ersten Kindes vor 12 Jahren war ich ein sehr schwankender Mensch, wo ich meinen Platz in diesem Leben hatte. Die Sinnsuche, wo bin ich richtig in diesem Leben, das war schon ausgeprägt.

Als die Kinder kamen, war es auf die schönste Art und Weise – für mein Gefühl, wie man es in diesem irdischen Leben bekommen kann – sinnbestimmt. Ich bin dann fröhlicher geworden.“

Galerie im Körnerpark, Berlin. (Renate Lilge-Stodieck/ETD)
Galerie im Körnerpark, Berlin. (Renate Lilge-Stodieck/ETD)

 

12. Juli bis 31. August – Galerie im Körnerpark

KINDHEITEN – in drei Jahrzehnten streetlife –

Schierker Str. 8
12051 Berlin – Neukölln
Di – So 10-18 Uhr

http://www.körnerpark.de

 



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