Die Insel hat ihre Königin wieder

„Neues Museum“ auf der Museumsinsel in Berlin wiedereröffnet – 16 500 Besucher beim Eröffnungswochenende
Titelbild
(Rosemarie Frühauf/The Epoch Times)
Von 27. Oktober 2009

Es war ein historischer Tag, dieser 17. Oktober 2009: Tausende Berliner standen trotz nasskalter Witterung stundenlang Schlange, um nach 70 Jahren das Neue Museum wiederzubetreten, einen Ort, den seine Erbauer einst dem „höchsten geistigen Streben der Nation“ bestimmt hatten. Friedrich August Stüler hatte es von 1843 bis 1855 im Auftrag von Friedrich Wilhelm IV. erbaut.

Es war das zweite der fünf Häuser auf der Berliner Museumsinsel und Stüler hatte die technischen und statischen Mittel seiner Zeit voll ausgereizt, um dem ungeeignet weichen Untergrund einen Bau dieser Größe abzutrotzen. Die Ausgestaltung der Innenräume war nicht minder spektakulär. Wandgemälde von Wilhelm von Kaulbach schmückten die Eingangshalle und ließen für den Betrachter die Welt des alten Europas und Ägyptens – oder das was man sich damals darunter vorstellte – lebendig werden.

Wenn man heute auf Postkarten im Museums-Shop die Bilder dieser verlorenen Schätze sieht, stockt einem der Atem. Die Pracht des Ägyptischen und Griechischen Hofes verbrannte im Bombenhagel des Zweiten Weltkriegs. Was als Ruine überlebt hatte, zerfiel weiter – der Witterung ungeschützt ausgesetzt – unter DDR-Herrschaft.

Und doch füllt wieder Heiterkeit die Räume, hat man das Gefühl nichts zu vermissen. Sicher liegt das an der überwältigenden Fülle von 9.000 Ausstellungsstücken, die man auf den vier Etagen mit ihren 8.000 Quadratmetern zu sehen bekommt. Aber es ist auch der Verdienst von Architekt David Chipperfield und der Museumskuratoren, die mit der Wiederinstandsetzung eine logistische und künstlerische Leistung erbracht haben, die der der Gründerväter in nichts nachsteht. Von 2003 bis 2009 dauerten die Bauarbeiten, wobei das Haus 200 Millionen, die Einrichtung der Ausstellung 13 Millionen Euro kostete.

Alle technischen Mittel der Moderne wendete der Londoner Chipperfield auf, und sein Konzept der Einbettung der Ruine in zeitgemäße Material- und Formensprache ist eine Verbeugung vor der Architektur Stülers geworden. Auf dem originalen Grundriss rekonstruierte er den zerstörten Südflügel des Hauses. Seine Lösung für die Eingangshalle rehabilitiert für immer die Ästhetik der Postmoderne: Eben nicht Kitsch und Spielerei sind die Fragmente der Vergangenheit, hier sind sie die Zeugen der Geschichte – die blanken Ziegelwände, die Säulengalerie mit ihren Einschüssen und Brandspuren, die antike Tür eine wirkliche Überlebende, umrahmt von der schnörkellos abstrakten Treppe.

Offenen Auges wird man jederzeit gewahr, ob man nun auf erhaltenem oder erneuertem Grund wandelt, und doch wird durch die helle Eleganz von cremefarbenem Marmorkiesbeton und Ziegeln der Übergang nahtlos. Dunkle Holz- und Metalloberflächen bilden diskrete Türen und notwendige Einrichtungsgegenstände. Überraschend die historistischen Originalräume, die einen flugs in vergangene Epochen entführen und die Begeisterung des 19. Jahrhunderts für die Geschichte spürbar machen.

Und authentischer könnte man diese Riesensammlung der menschlichen Kulturgeschichte kaum präsentieren. Auf der obersten Etage beginnt man mit dem Museum für Vor- und Frühgeschichte. Hier befinden sich in warmem, hölzernen Ambiente die Relikte der Zeiten, in denen Mensch und Natur in regem Austausch standen. Berühmtestes Objekt ist hier der „Goldene Hut“ (1.000-8.000 vor Chr.), ein Ritualgegenstand, dessen Ornamente das exakte kalendarische Wissen seiner Erschaffer verrät. Zusammen mit anderen astronomischen Darstellungen ist ihm ein ganzer Raum gewidmet.

Sehr anschaulich, da für Schulklassen gedacht, sind auch diverse Moor- und Hortfunde präsentiert. Vorgeschichtliche Menschengebeine und Faustkeile gibt es zu sehen, sowie ein kurioses Elchskelett in Begleitung eines Mammutknochens. Eine Etage darunter beginnt die intellektuelle Herausforderung für den Besucher, denn es gibt keine chronologische Ordnung in den Sammlungen des Ägyptischen Museums und der Antike.

Das faszinierende Zusammenspiel von Räumen und Objekten entschädigt dafür mit dem Erlebnis eines einmaligen Gesamtkunstwerks. Oft wurde der kleinste Schnipsel originalen Farbanstrichs konserviert, eine freskierte Nische wird zum Kunstwerk unter ihresgleichen.
Man hat die Wahl, die über 2.500 ägyptischen Objekte zu bestaunen, etwas über Rom und seine Provinzen, die Völkerwanderungszeit und das Mittelalter zu lernen oder Schliemanns trojanische Sammlung zu sehen. An einer kommt man nicht vorbei, ohne sprachlos zu staunen …

Die Königin Nofretete

Wie in einem kleinen Tempel thront in einer vier Meter hohen Glasvitrine die Büste der Nofretete, mystisch von unten beleuchtet. Ihr erdig rötlicher Teint strahlt vor dem dunklen Flaschengrün des Nordkuppelsaales. Ungläubig starren die Besucher das Bildnis der ägyptischen Königin an. Dass sie, erschaffen im 14. vorchristlichen Jahrhundert, nur noch ein Auge besitzt, ist egal, denn ihre Aura und Lebendigkeit ist ehrfurchtgebietend. Im angrenzenden Raum und auf der Terrasse des Ägyptischen Hofes sieht man noch mehr Werke der Amarna-Periode (1.351-1.334 v. Chr.), in der Nofretete und Echnaton herrschten. Ihren religiösen und künstlerischen Reformen verdanken wir die Portraitbüste, denn vorher hatte es in Ägypten nie die individuelle Darstellung einer Realperson gegeben.

Erschienen in The Epoch Times Deutschland NR. 41/09

(Rosemarie Frühauf/The Epoch Times)
(Rosemarie Frühauf/The Epoch Times)

 

 



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