Don Carlo als packendes Historiendrama

Unter der musikalischen Leitung von Donald Runnicles ist der neue Don Carlo der Deutschen Oper Berlin ein Fest der Stimmen in monumentaler Kulisse.
Titelbild
Verschiedener Meinung: Don Carlo (Massimo Giordano) rebelliert gegen die Regierung seines Vaters König Philipp II. (Roberto Scandiuzzi). Photo: Barbara Aumüller im Auftrag der DEUTSCHEN OPER BERLIN
Von 15. November 2011

Die neue Inszenierung von Marco Arturo Marelli, die an der Deutschen Oper Berlin am 23. Oktober 2011 Premiere feierte, sei allen Freunden des düsteren Klassikers empfohlen.

Marelli inszeniert den Don Carlo von Giuseppe Verdi als zeitloses Historiendrama. Zeitlos deshalb, weil er die Protagonisten in einem monumentalen, anonymen Bühnenbild agieren lässt, dessen Wände kreuzförmig durchbrochen sind. Historiendrama bleibt es wegen der Kostüme und der geschichtlichen Persönlichkeiten, die er erkennbar lässt und sie auf sehr wirksame Weise überzeichnet.

Glühende Überzeugungstäter

Die Stars der Aufführung waren Massimo Giordano als Don Carlo und Boaz Daniel als Rodrigo, die beide jung und überschäumend vor Energie, die Freiheitskämpfer glaubwürdig machten. Die beiden sangen ihre Rollen mit Feuer und Schönheit, wobei Giordanos Don Carlo gerade nicht in Selbstmitleid versinkt, sondern ein Mann voller Tatendrang ist, dem seine persönlichen Schwierigkeiten zusetzen. Der Rodrigo von Boaz Daniel war kein berechnender Taktiker, sondern ein stürmischer Überzeugungstäter, der alles auf eine Karte setzt. Seine Sterbeszene war der  Höhepunkt seiner Rolle.

Fantastische Frauen

Bei den Damen fanden sich zwei ebenbürtige Gegenspielerinnen, die ihre Parts mehr als nur ausfüllten: Lucrezia Garcia gab Elisabeth Charakter und stimmliches Profil, wie man es selten hört.

Ihr Sopran ist auf dunklen Altlagen gebaut, wo hinein sie Pflichtbewusstsein und Entschlossenheit Elisabeths, aber auch ihren unvergänglichen Schmerz legte. In den Höhen entfaltete sie bezaubernde Süße und die Strahlkraft eines Engels: Bei ihrer großen Soloszene hielt das Publikum den Atem an.

Anna Smirnova brillierte als Prinzessin Eboli, in dem sie wirklich jede Klippe der halsbrecherischen Rolle mit Eleganz und Grandezza  meisterte –  egal ob die Triller und Koloraturen des Schleierliedes oder die verzweifelten Ausbrüche der Reue-Arie.

Mit ihrem runden, feurigem Mezzo-Klang und ihrer leidenschaftlichen Verkörperung machte sie die Eboli nicht zur üblichen egoistischen Diva, sondern zur zweiten großen Liebenden.

Der Machtkampf der Bässe

Einen Machtbesessenen im geistigen und körperlichen Verfall gab Ante Jerkunica, der als Großinquisitor  monumental, bedrohlich und umnachtet über die Bühne schwankte. Seinem gewaltigen Bass gab er eine schnarrende Schärfe. Sein Dialog mit dem König war ein Höhepunkt, zumal Roberto Scandiuzzi, ein begnadeter Charakterdarsteller mit großer Stimme,  einen eiskalten Philipp spielte. Seine menschlichen Anwandlungen kamen immer unerwartet und wirkten erschütternd. Erst beim Schlussapplaus lächelte er mit seinem wahren Gesicht.

Es gab Gewaltdarstellungen bei Marelli die unheimlich, schockierend, aber nicht reißerisch wirkten.

Die Verbrennungsszene war genial gelöst, wobei die Stimme vom Himmel (überirdisch klar: Kathryn Lewek) aus dem Volk kam. Dass der Sprung vom Personendrama zu den Massenszenen so nahtlos klappt, beeindruckt besonders an dieser Inszenierung. Der Chor der Deutschen Oper, der nicht nur makellos sang sondern engagiert mitspielte, hatte daran großen Anteil.

Runnicles dirigierte pulsierend, griffig und flüssig, ohne sich von der melancholischen Partitur zu Schmachten und Pomp verleiten zu lassen. Don Carlo kommt wieder am 08., 14., 29. April 2012, in abgeänderter Besetzung.

 



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