Dresdner Operngala: Verismo pur! in Semperoper
Als der Italiener Alfredo Catalani im 19. Jahrhundert nach einem spannenden und exotischen Schauplatz für eine Oper suchte, kam er auf Sachsen. Ausgerechnet in Dresden siedelte er seine „Edmea“ an, die 1886 an der Mailänder Scala uraufgeführt wurde und zu seinen Lebzeiten sein populärstes Werk wurde. Es geht um eine dramatische Dreiecksbeziehung und Heldin Edmea versucht, in der Elbe Selbstmord zu begehen … Heute ist das Stück praktisch von den Spielplänen verschwunden, obwohl es einige besonders gelungene musikalische Augenblicke enthält.
Für Operndirektor Eytan Pessen war dieser Lokalbezug ein guter Grund, Ausschnitte aus „Edmea“ an den Beginn der ersten Dresdner Operngala zu stellen. Das Galakonzert wurde von ihm ausgedacht und konzipiert. Jährlich einmal soll es zu einem bestimmten Thema stattfinden und hat künstlerisch betrachtet gleich zwei interessante Funktionen: Die internationale Sängerriege der Semperoper kann mit dem Abend ein glanzvolles Heimspiel geben, in dem die unterschiedlichen Qualitäten der Solisten aufs Schönste zur Geltung kommen. Und das Ganze mit Stücken, die sonst im Repertoire zu kurz kommen.
Dem wahren Verismo auf der Spur
Bei der Verismo-Gala wurde denn auch auf die üblichen Verdächtigen verzichtet (es gab keine Hits wie „Tosca“ oder „Madame Butterfly“), dafür einige spannende Entdeckungen und seltener gehörte Glanzlichter. Am Pult stand Pier Giorgio Morandi, der ein gesuchter Spezialist des italienischen Faches von Belcanto bis Verismo ist. Er entlockte der Staatskapelle einen Klang, der weich und süß war und mit sehr viel Vibrato in den ersten Geigen silbrig glänzte. Auch brachte er die Instrumentalsolisten des Orchesters förmlich zum Singen – besonders die Holzbläser und Celli. Von diesem atmenden Wohlklang ausgehend, gestaltete er dann die sehr unterschiedlichen Stimmungen der einzelnen Ausschnitte.
Eines beeindruckte vor allem: Dass der Verismo nicht nur auf Herzschmerz-Dramatik reduziert werden kann, wie von seinen Gegnern immer geargwöhnt wurde. Auch wenn die damaligen Komponisten, wie Eytan Pessen sagt, „alle unheilbar mit dem Virus Wagner infiziert waren“, führte ihre Suche nach einer neuen musikalischen Sprache doch zu sehr kreativen Ergebnissen. Anschauliche Schilderungen der Natur – oder Alltagsstimmungen, wie die ratternden Nähmaschinen, die man gleich zu Anfang hörte, wurden von ihnen eingefangen.
Von Sachsen in die Alpen und auf nach Italien …
Mit der Sinfonia aus Catalanis „Edmea“ begann der Abend. Dann kam der erste Auftritt des Staatsopernchores. In den fröhlichen „Chor der Näherinnen“ fügte der Komponist eine Canzone seiner Heldin ein, die von Barbara Senator flammend wehmütig gesungen wurde. Es folgte mit der Arie des Walther aus Catalanis „La Wally“ ein Bravourstück für Koloratursopran mit unverkennbar alpinen Anleihen, das Elena Gorshunova mit spielerischer Leichtigkeit auskostete. Nach diesem Ausflug in Höhen, in denen das Edelweiß wächst, folgte die Erdung mit „Ebben? Ne andró lontana“ (Barbara Senator).
Aus Ruggero Leoncavallos „Bajazzo“ gab es den Glockenchor und das Liebesduett von Silvio und Nedda. Bariton Christoph Pohl gab sich geradezu tenoral schmelzend, um die zart-lyrische Sopranistin Nadja Mchantaf von seinen Gefühlen zu überzeugen. An dieser wie anderen Stellen sprang das Bühnenglück der Protagonisten – und damit der Funke – merklich aufs Publikum über.
Als spontaner Einspringer für den erkrankten Andrej Dunaev trat am 11. März Arthur Shen mit dem „Lamento des Federico“ aus „L’Arlesiana“ von Francesco Cilea auf. Wie der schlanke lyrische Tenor die schwierige Arie mit Mut und Emotion meisterte, wurde vom Publikum hörbar honoriert.
Chöre mit Gänsehaut-Effekt
Der zweite Teil war zwischen zwei große Chorszenen eingebettet:
Der Osterchor aus Cavalleria Rusticana von Pietro Mascagni machte den Anfang. Zu dieser Wahl meinte Pessen später: „Das ist ein großartiges Stück geistliche Musik, das in der Oper selbst allzu oft in den Hintergrund rückt.“ In der Aufführung wirkte es mit Chor und Schlagwerk auf der Bühne erhebend und überwältigend zugleich und wurde ein Höhepunkt des Konzertes. Danach folgte mit dem berühmten „Voi lo sapete, o mamma!“, gesungen von Tichina Vaughn, ein Moment dunkel timbrierter Verzweiflung.
Sehr atmosphärisch und lieblich gelangen die Szenen aus Cileas „Adriana Lecouvreur“ – ein besonderes Verdienst von Marjorie Owens, die mit ihrem strahlenden, wunderbar runden Sopran den Part der sensiblen Heldin übernahm. Es gab die Auftrittsarie der Adriana und das „Poveri fiori“. Das Liebesduett mit Tenor Giorgio Berrugi wurde das zweite romantische Highlight des Abends. Und indem Tichina Vaughn mit „Acerba voluttá“ die glühende Leidenschaft der Nebenbuhlerin beisteuerte, wurde die Fieberkurve von Cileas „Adriana“ komplettiert.
Merke: Auch diese Oper hat einen Bezug zu Sachsen, da sich hinter dem Held Maurizio der historische Moritz von Sachsen verbirgt.
Leoncavallos fröhliches „La Bohème“
Drei besondere Leckerbissen kamen aus Ruggero Leoncavallos „La Bohème“ dessen einstiger Erfolg von Puccinis späterer und düsterer Version überstrahlt wurde. Drei Arien stellten die unbeschwerte Fröhlichkeit der Protagonistinnen heraus, die von der spritzigen jungen Mezzosopranistin Gala El Hadidi (als Musetta) und der lyrischen Carolina Ullrich (als Mimì) gesungen wurden. Einen weiteren blutvollen Auftritt bekam nochmals Christoph Pohl (mit „Questo amor“ aus Puccinis „Edgar“). Das monumentale Abschiedsterzett „Preghiera“ mit Chor aus Puccinis „Le Villi“ beschloss die Gala (mit Markus Marquardt, Arthur Shen und Barbara Senator).
Das Publikum feierte alle Mitwirkenden mit großem Applaus, ganz besonders Maestro Morandi und die Sächsische Staatskapelle. Bei der nächsten Operngala im Jahr 2013 wird übrigens französische Musik im Mittelpunkt stehen.
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