Ein Volksfest der Völkerverständigung

Titelbild
Daniel Barenboim und das von ihm gegründete West-Eastern Divan Orchestra während der Proben.Foto: Oli Scarff/Getty Images
Von 22. August 2011

BERLIN – Das West-Eastern Divan Orchestra unter Daniel Barenboim spielte am Sonntag Beethovens „Neunte“ in der Berliner Waldbühne. Schirmherrin des Konzerts war Angela Merkel, die jedoch nicht zugegen war. Außenminister Guido Westerwelle wurde im Publikum gesichtet, sowie der Berliner Staatssekretär für Kultur André Schmitz.

Das West-Eastern Divan Orchestra, kurz „WEDO“ genannt, vereint seit1999 junge Musiker aus Israel, Palästina und deren Nachbarländern zu gemeinsamen Proben und anschließender Welttournee. Das Waldbühnenkonzert des „WEDO“ war ein Benefizkonzert in eigener Sache, denn Erlöse kamen als Stipendien für die jungen Musiker aus Israel und Palästina direkt der Arbeit des Orchesters zu Gute.

Mit dem West-Eastern Divan Orchestra möchte Barenboim musikalische Brücken im Nahost-Konflikt bauen. Aber nicht nur dort. Teil der Tournee des Orchesters war vor einer Woche auch ein Open-Air Konzert an der Grenze zwischen Südkorea und Nordkorea, ebenfalls mit Beethovens 9. Sinfonie. Derzeit unterstützen 2500 Persönlichkeiten und Institutionen die Nominierung des engagierten Dirigenten für den Friedensnobelpreis und die Sympathie, die Barenboim bei seinem Auftritt in der Waldbühne entgegenschlug, war enorm.

Beethovens „Achte“ und „Neunte“

Was diese sehr jungen Musiker, denen man ihre unterschiedliche Abstammung unverkennbar ansah, darboten, war ein ausgereifter und feuriger Beethoven, wie man ihn sonst nur von langjährigen Profis zu hören bekommt.Und auch dann nur, wenn sie von einem Großen wie Daniel Barenboim dirigiert werden.

Beethovens Sinfonie Nr. 8 in F-Dur, op. 93 lies bereits aufhorchen, mit einem Ausdrucksreichtun von graziöser Eleganz bis zu den typischen ruppigen Ausbrüchen. Aber im Endeffekt verblasste sie zum Vorprogramm. Denn wie Barenboim und das WEDO nach der Pause die Sinfonie Nr. 9 in D-Moll, op. 125, sprich „Die Neunte“, zelebrierten, war eine hundertprozentige Steigerung. Nicht nur an Lautstärke und Expressivität, sondern auch an innerer Qualität und beseeltem Musizieren.

Emotional in vielerlei Hinsicht

Einige Zuhörer waren schon im ersten Satz zu Tränen gerührt und das Bewusstsein, dass hier Musiker „verfeindeter“ Völker miteinander spielten, emotionalisierte die Angelegenheit zusätzlich. Wie schon bei der Achten konnte sich das Publikum, an Alter und Nationalitäten sichtbar gemischt, das Klatschen zwischen den Sätzen nicht verkneifen. Zu recht, hatte doch jeder einzelne Teil seine eigene Qualität:

Der 1.Satz zog einen mit seinem geheimnisvollen Beginn in ein geradezu kosmisches Geschehen hinein, pulsierend und knallig folgt der Zweite. Im wundervoll andächtigen dritten Satz erblühten die Streicher zu unerhört pastelliger Weichheit und die Gruppe der Holz- und Blechbläser zu höchster Leuchtkraft. Auch die zahlreichen Solostellen gelangen den WEDO-Musikern makellos.

Im großen Finale holte Barenboim das „Freude, schöner Götterfunken“ aus dem leisesten möglichen Pianissimo der Celli und Kontrabässe, ein Moment – so kammermusikalisch, dass er auf der Waldbühne einem kleinen Wunder glich. Wie ein goldener, sonnendurchschienener Strom umspielten die Streicher dann die Melodie der „Ode an die Freude“, ein Augenblick, dem alle entgegengefiebert hatten.

Schöner geht’s nicht: Der Schlusschor

Der Chor und das Solistenquartett in Deluxe-Besetzung bildeten die Krönung des Ganzen: Mächtig und energiegeladen die Herren: René Pape (Bass) und Peter Seiffert (Tenor). Funkelnd schön darüber, die Stimmen von Anna Samuil (Sopran) und Waltraut Meier (Mezzosopran). Der brillante Chor der Berliner Staatsoper schoss ein gewaltiges vokales Feuerwerk bei maximaler Textverständlichkeit ab.

Ein Applaus-Sturm aus Johlen und Pfeifen ergoss sich auf alle Beteiligten, nicht nur für das Projekt West-Eastern Divan Orchestra, sondern auch wegen der großartigen Leistung seines Maestros, die Jungtalente innerhalb weniger Wochen zum Klangkörper von Weltformat zu formen. Am Ende verteilte Barenboim die dicksten Rosen aus seinem Strauß an die Stimmführer seines Friedens-Orchesters.

Völkerverständigende Volksfeststimmung mit zahlreichen Wunderkerzen. Einziger Wermutstropfen: Dass es nach so einer „Neunten“ Zugaben ausgeschlossen sind …



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