Eine verloren geglaubte Elfenbeinkanne und der Sinn für Schönheit
Eine sehr reich geschnitzte Elfenbeinkanne aus dem 17. Jahrhundert mit einer fast kuriosen Ansammlung von Figuren ließ mich den Weg zu einer aktuellen Sonderpräsentation im Köpenicker Kunstgewerbemuseum im Schloss am Rande der Altstadt Köpenick finden. Das Barockschloss hatte in der in diesem Jahr lang anhaltenden weißen Winterlandschaft eine hoheitliche Ausstrahlung, die mich besonders berührte, kann ich mich doch noch an seine teilweise sehr traurige Nutzungsgeschichte als Armeedepot, Staatsgefängnis, Lehrerseminar und Studentenwohnheim im 20. Jahrhundert erinnern.
Als 1963 der Ostberliner Sammlungsteil des Kunstgewerbemuseums an diesen Ort zog, hatte das Leid dieses einst wunderschönen Barockbaus äußerlich sein Ende gefunden. Doch die Bausubstanz war trotz Rekonstruktionsarbeiten und Renovierungen besonders durch die Insellage zwischen Dahme und Frauentog in große Mitleidenschaft gezogen, so dass erst die Generalsanierung von 1994 bis 2004 dem Schloss seine innere und äußere Würde als bedeutendes Barockschloss zurückgeben konnte.
Während des Rundganges im Museum fiel mir auf, dass ein Teil der dort präsentierten Kunstgegenstände aus der Kunstkammer des Berliner Schlosses stammen. Lothar Lambacher, Hauptkustos und stellvertretender Direktor des Kunstgewerbemuseums Berlin, gab Antworten auf Fragen zur historischen Bedeutung der Kunstkammern, zur Entstehungsgeschichte des Kunstgewerbemuseums und zu den ausgestellten Kunstobjekten und natürlich zu der über 400 Jahre alten Elfenbeinkanne.
Epoch Times: Seit einiger Zeit befindet sich im Kunstgewerbemuseum Köpenick eine kleine Elfenbeinkanne. Was hat es damit auf sich?
Lothar Lambacher: Es handelt sich um eine besonders reiche figürliche Arbeit des Schwaben Michael Maucher (1645-1701), einen der bedeutendsten Elfenbeinschnitzer des 17. Jahrhunderts.
Die Kanne ist nur noch Träger der bildlichen Darstellung, sie besitzt keinerlei praktische Gebrauchseigenschaften als Gefäß, sie ist ein reiner Kunstgegenstand. Das künstlerisch sehr bedeutende Werk mit der Darstellung von Götterfiguren stammt aus der Berliner Kunstkammer und kam mit deren Beständen ins Kunstgewerbemuseum.
Im Zuge der Verlagerung der Museumsbestände während des Zweiten Weltkrieges wurde sie in den Flakleitturm im Berliner Friedrichshain gebracht und gelangte von dort auf mysteriösen Wegen in den Kunsthandel. 1965 hat das Prager Kunstgewerbemuseum sie erworben und uns den kleinen Schatz nunmehr für ein Jahr als Leihgabe zur Verfügung gestellt.
Epoch Times: Können Sie uns etwas zur Entwicklungsgeschichte des Kunstgewerbemuseums in Berlin erzählen?
Lambacher: Das Kunstgewerbemuseum ist 1867 als Vorbildersammlung entstanden, um dem Fortschreiten der damals durch die einsetzende industrielle Massenproduktion drohenden Verluste jahrhundertealter handwerklicher und kunsthandwerklicher Fähigkeiten entgegenzuwirken. Zunächst entstanden in London, Wien und wenig später in Berlin solche Mustersammlungen, die das Ziel hatten, Anregungen für die aktuelle kunsthandwerkliche und industrielle Produktion zu geben.
Das ursprüngliche Sammelkonzept, Produkte aller Handwerksgattungen bis hin zu Lebens-, Wasch- und Leuchtmitteln zu sammeln, erwies sich bald als unpraktikabel und wurde aufgegeben. Der Ankauf künstlerisch anspruchsvoller Werke, richtete sich oft darauf aus, ganze Sammlungskomplexe, wie zum Beispiel hunderte prachtvoller chinesischer Textilien oder das Lüneburger Ratssilber, der einzige weitgehend erhaltene Ratsschatz einer deutschen Stadt aus dem 15. und 16. Jahrhundert, das auch heute noch Bestandteil unserer Sammlung ist, zu erstehen.
1985 eröffnete Rolf Gutbrod das Kunstgewerbemuseum neben dem Kulturforum in der Nähe des Potsdamer Platzes, das heutige Stammhaus des Museums. Auch nach der Wiedervereinigung wurde Schloss Köpenick als zweiter Standort für das Kunstgewerbemuseum beibehalten. Die Stiftung Preußischer Kulturbesitz ließ zu diesem Zweck das Schloss von 1994 bis 2004 grundlegend instand setzen.
Das Berliner Kunstgewerbemuseum besitzt trotz schmerzlicher Verluste in Folge des Zweiten Weltkrieges hoch bedeutende Sammlungen an Möbeln, Goldschmiedekunst, Glas und Keramik, Textilien und Mode vom Mittelalter bis zur Gegenwart sowie eine umfangreiche Sammlung an Design.
Epoch Times: Welche Bedeutung hatten eigentlich die Kunstkammern des 16. und 17. Jahrhunderts?
Lambacher: Kunstkammern dieser Zeit waren von Fürsten oder Patriziern initiierte Sammlungen von „artificialia“ (von Menschenhand gemachte Werke) und „naturalia“ (in der Natur vorkommenden Objekte), oft noch weiter spezifiziert in „scientifica“ (wissenschaftliche Geräte und Objekte) und „exotica“ (seltene Dinge aus fremden Ländern). Die Sammlungen der Kunstkammern waren geprägt von der Idee des Wettbewerbes zwischen göttlicher und menschlicher Schöpfung, einem typischen Phänomen der frühneuzeitlichen europäischen Kunstgeschichte. Die nach dem Dreißigjährigen Krieg neu zusammengetragene fürstliche Kunstkammer der Hohenzollern im Berliner trug ab 1830 den würdevollen Namen Königliches Museum.
Epoch Times: Das Schloss Köpenick hat sich bis zum Abschluss seiner Generalsanierung im Jahre 2004 enorm verändert. Es ist ein Museum im Schloss par excellence entstanden. Wer waren die Köpfe, die diesen hohen Anspruch umsetzen konnten?
Lambacher: Natürlich ist solch eine Maßnahme stets das Werk vieler. Im Kunstgewerbemuseum gab es vor allem drei Köpfe, die in Zusammenarbeit mit dem Berliner Architekturbüro BASD Westphal + Schlotter und dem Ausstellungsgestalter Hans Dieter Schaal aus Attenweiler wesentlich zu dieser Wandlung beigetragen haben. Dies waren die Direktorin, Dr. Angela Schöneberger, unser Möbelkurator, Dr. Achim Stiegel und ich als Zuständiger für die Baubetreuung.
Als ehemaliger Direktor der Ostberliner Skulpturensammlung besitze ich eine besonders enge Beziehung zur plastischen Kunst. Wenn man im Schloss Köpenick die Decken und den Wappensaal betrachtet, erkennt man, dass deren Stuckaturen eine große Leistung der deutschen Barockplastik sind. Die Betreuung der Restaurierungsmaßnahmen an den Stuckaturen wurde daher zu einer meiner wichtigsten Aufgaben während der Instandsetzung des Gebäudes.
Schloss Köpenick präsentiert heute wieder in 29 seiner 35 Räume reich stuckierte Plafonds aus der Zeit zwischen 1685 und 1690, die zu den schönsten ihrer Art in Europa zählen. Der Kalkstuck ist an den Decken frei angetragen worden, nur Gesichter, Früchte und Blüten wurden zum Teil gegossen und einmontiert.
Die Konzipierung und Umsetzung der Ausstellung in der jetzigen Form ist in erster Linie das Verdienst von Frau Dr. Schöneberger und des Gestalters Hans Dieter Schaal. Mein Kollege, Dr.Achim Stiegel, war im Wesentlichen für die Erarbeitung des Ausstellungskonzeptes zuständig, das vor allem Werke der Raumkunst aus Renaissance, Barock und Rokoko in unserer Dependance im Schloss Köpenick vereint.
Epoch Times: Wie verhält es sich mit der Entstehungsgeschichte des Wappensaales?
Lambacher: Der mit besonders aufwendigen und künstlerisch anspruchsvollen Stuckarbeiten versehene Wappensaal ist einer der bedeutendsten Säle des deutschen Barock. Er wurde um 1685 von dem aus Bissone am Luganer See stammenden, unter anderem auch in den Schlössern zu Weißenfels und Gotha tätigen Giovanni Carove geschaffen.
Das heraldische Programm des Saales mit der ungewöhnlichen Inszenierung des brandenburgischen Staatswappens über zwei Kaminen sowie der nochmaligen gesonderten Präsentation aller zugehörigen Einzelwappen an den Wänden durch Hermenpaare und am Plafond durch Genien und Putti, formuliert den Anspruch des Kurprinzen Friedrich, des Bauherren von Schloss Köpenick, auf die ungeteilte Erbschaft aller brandenburgischen Landesteile.
Epoch Times: Können Sie uns etwas über das im Schloss Köpenick ausgestellte Große Silberbuffet erzählen?
Lambacher: Die 35 Schalen, Kannen und sonstigen Gefäße wurden aus feuervergoldetem Silber vor 1698 von Mitgliedern der berühmten Goldschmiedefamilie Biller in Augsburg für den brandenburgischen Kurfürsten Friedrich III., den späteren König Friedrich I. in Preußen, geschaffen.
Solcherart Buffets dienten stets zu Repräsentationszwecken, die Garnituren aus Kanne und Schale wurden nie für tatsächliche Handwaschungen genutzt. Die Silbergeschirre fanden vor allem bei fürstlichen Festen Verwendung.
Dabei wurden sie hinter den einzelnen Teilnehmern der Tafel aufgerichtet. Der Rang der jeweiligen Person bestimmte Höhe und Reichtum des ihm zugeordneten Buffets. Bei Reichstagen im Frankfurter Römer stand etwa hinter jedem Kurfürsten ein drei, hinter dem Kaiser aber ein vier Reihen hohes Prunkbuffet.
Das Große Silberbuffet aus dem Rittersaal des Berliner Schlosses zählte zum brandenburgisch-preußischen Staatsschatz, heute gehört es zu den absoluten Hauptwerken unseres Museums im Schloss Köpenick.
Epoch Times: Haben die im Schloss befindlichen Deckengemälde Geschichten zu erzählen?
Lambacher: Ja. Sie stellen vorwiegend Szenen aus der antiken Mythologie dar, die zum Zyklus der Jagdgöttin Diana gehören. Abenteuerliche Jagden und Opferungen an Diana sind häufige Themen der Deckengemälde. Die Themenwahl hängt sicher auch damit zusammen, dass Schloss Köpenick seit 1688 dem Kurfürsten Friedrich III. vor allem als Jagdschloss diente.
Epoch Times: Welche Unterschiede der beiden Standorte des Kunstgewerbemuseums in Berlin würden Sie hervorheben?
Lambacher: Das Stammhaus des Kunstgewerbemuseums am Kulturforum, der 1985 eröffnete Gutbrod-Bau, erinnert, wie unsere jüngst verabschiedete bisherige Direktorin, Dr. Angela Schönefelder, einmal treffend sagte, an eine moderne Festung, “die wie ein Tresor die Schätze von mittelalterlicher angewandter Kunst bis zum zeitgenössischen Design des 21. Jahrhunderts beherbergt“.
Im Schloss Köpenick dagegen werden vorwiegend, Werke der Raumkunst, Möbel, Wandvertäfelungen und Gobelins aus Renaissance, Barock und Rokoko präsentiert. In die Prunkstuben aus den Schlössern Haldenstein und Höllrich, das Spiegelkabinett aus Schloss Wiesentheid und das chinoise Lackkabinett aus dem Palazzo Granieri in Turin kann der Besucher eintreten und die Räume unmittelbar auf sich wirken lassen.
Mode und Textilien waren immer ein wichtiger Sammlungsschwerpunkt unseres Museums.
Durch die enormen Kriegsverluste und die speziellen konservatorischen Anforderungen dieser Werkgruppe konnten allerdings bisher nur wenige Werke in der ständigen Ausstellung gezeigt werden. Im Jahr 2003 hat das Kunstgewerbemuseum eine große, über 600 Kostüme umfassende Modesammlung erwerben können, die aus der Zeit des 18. bis 20. Jahrhundert stammt. Natürlich besteht die Verpflichtung, diese Kollektion künftig auch unseren Besuchern zu präsentieren, doch bedarf es dafür einer erheblichen Umgestaltung der Ausstellungsräume im Kunstgewerbemuseum am Kulturforum.
Die fertige Planung, die unter der Federführung von Frau Dr. Angela Schöneberger entstand, befindet sich in der Schublade und die finanziellen Mittel sind bereits gesichert. Zur Realisierung dieses Umbaus wird das Kunstgewerbemuseum am Kulturforum in der Nähe des Potsdamer Platzes im Herbst 2010 geschlossen. Bis dahin erwarten wir unsere Besucher noch an beiden Standorten.
Epoch Times dankt Herrn Lambacher für das Gespräch.
Das Interview führte Ingrid Wittig
Weitere Informationen zu Schloss Köpenick unter: www.smb.museum
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