Ende der Musik? Geplantes EU-Bleiverbot in Musikinstrumenten ist Bedrohung für das Traditionshandwerk

Die Musikinstrumentenherstellung, ein Traditionshandwerk mit jahrhundertealter Geschichte besonders im vogtländischen Musikwinkel, steht auf der Kippe – falls das Bleiverbot in Musikinstrumenten, das die Europäische Union in einer neuen Richtlinie verabschieden will, nicht doch noch gekippt wird.
Ein Saxophon (l) und eine Trompete aus den 1920er Jahren sind in einer Vitrine ausgestellt.
Bleifrei Blasen? Nicht mehr lange, wenn es nach der EU geht. Das Musikinstrumentenhandwerk steht auf der Kippe.Foto: Oliver Berg/dpa
Von 10. Juni 2023

Wenn der EU-Gesetzentwurf zum Bleiverbot in Musikinstrumenten durchgesetzt wird, steht durch eine Entscheidung im fernen Brüssel eine ganze Branche voller Kunstfertigkeit vor einem möglichen Aussterben. Denn Schwermetalle wie Blei und auch Nickel sind bei den Produktionsprozessen unerlässlich.

Damit würde eine jahrhundertealte Tradition nicht nur im Vogtland in Sachsen der EU und ihren Richtlinien anheimfallen. Das Zentrum des traditionellen Instrumentenbaus ist im Oberen Vogtland, ganz im Südwesten des Freistaates Sachsen, angesiedelt. Hier, in den Tälern zwischen Markneukirchen, Schöneck und Klingenthal, werden in über 350 Jahre alter Tradition Musikinstrumente hergestellt.

Im Musikwinkel Deutschlands werden in Handwerksstuben und Manufakturen in liebevoller Handarbeit Metallrohre gebogen und Hölzer bearbeitet, bis ihnen Töne entlockt werden können und daraus Musikinstrumente höchster Qualität entstehen.  Nach der neuen EU-Verordnung wäre das nicht nur der Schlussakkord für einen ganzen Wirtschaftszweig, sondern vor allem auch für eine traditionsreiche Handwerkskunst.

Da ist Musik drin: Handwerkstradition höchster Güte im Vogtland

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts galt das Vogtland als musikalischer Großlieferant – ganze Orchester und Musikchöre wurden von der hügeligen Region ausgehend ausgestattet. Noch heute werden in der Region nahezu sämtliche Streich-, Zupf-, Holzblas-, Metallblas-, Schlag- und Harmonikainstrumente der europäischen Musik einschließlich Bögen, einzelnen Bestandteilen und ganzem Zubehör gefertigt.

Diese Konzentration und Vielfalt des Musikinstrumentenbaus macht den vogtländischen Musikwinkel einzigartig und hat in seiner Hochzeit für viel Wohlstand in der Region gesorgt.

Von dem einstigen Umfang hat sich bis zur Gegenwart das Kunsthandwerk erhalten, das die Region auch zu einer Kulturlandschaft und zum Pilgerort für Musiker mit besonderen Qualitätsansprüchen macht. Es gibt wohl kein Orchester oder Musiker, dem die vogtländischen Weltklasseinstrumente kein Begriff sind.

Die Trompete in ihrer heutigen Form mit drei Ventilen, die überall auf der Welt gespielt wird, wurde von einem Vogtländer erfunden: Carl August Müller. Foto: iStock

Unter den Musikinstrumentenbauern sind auch größere Hersteller, bei denen ebenfalls mit viel Handarbeit und handwerklichem Wissen gearbeitet wird, sodass man auch sie durchaus als Instrumentenmanufakturen bezeichnen kann.

Über 100 Meisterwerkstätten und mittelständische Unternehmen mit insgesamt über 1.000 Beschäftigten leben hier vom klingenden Handwerk.

Tonloser Tod einer Kulturtradition

Yvonne Magwas, CDU-Bundestagsabgeordnete und selbst aus der Region stammend, warnt vor dem Ende einer ganzen Branche und hat Alarm gegen die neue EU-Verordnung geschlagen: „Eine ganze Kulturbranche geht damit unter!“

Mit einem von der EU verhängten Bleiverbot wären nicht nur die Handwerker und Betriebe in ihrer Existenz bedroht, sondern die Tradition eines Handwerks würde zugleich einfach von der Bildfläche verschwinden und damit auch eine einzigartige Kultur, die mit dem vogtländischen Landstrich an der Grenze zu Bayern und Tschechien verbunden ist.

Hintergrund ist eine von der EU-Kommission erwogene weitgehende Beschränkung des Blei-Einsatzes bei der Instrumentenherstellung. Das Schwermetall soll nur noch mit Sondergenehmigung zugelassen werden – das hatte die Europäische Chemikalienagentur ECHA empfohlen.

Diese Sondergenehmigungen sind aber laut CDU-Politikerin Magwas „unpraktikabel“. Denn die Unternehmen sollen dafür aufwendige und kostspielige Gutachten erbringen. Das wird natürlich besonders für kleine Handwerksbetriebe und Manufakturen, die das Traditionshandwerk fortführen, zum Problem.

Bedeutendster Standort des Musikinstrumentenbaus

Auch das Versprechen der EU-Kommission, die Folgen für europäisches Kulturgut würden bei der anstehenden Entscheidung der Behörde berücksichtigt, versteht Magwas nicht als Entwarnung – sie fordert von der Bundesregierung, „ein so prägendes und innovatives Handwerk nicht sterben zu lassen“ und sich in Brüssel für die Ausnahmeregelungen starkzumachen, mit denen das Traditionshandwerk im Vogtland, dem „bedeutendsten Standort des Musikinstrumentenbaus in Europa“, weiterbestehen kann. Dieser gilt seit 2014 als immaterielles Kulturgut.

Die Europäische Kommission hatte im April eine Richtlinie beschlossen, mit der die Grenzwerte für Blei am Arbeitsplatz gesenkt werden sollen. Die zulässige sogenannte berufsbedingte Belastung soll auf etwa ein Fünftel der derzeit geltenden Grenzwerte gesenkt werden.

Da die Verwendung von Nickel und Blei beim Musikinstrumentenbau unerlässlich ist, würde ein Inkrafttreten dieser Regelung quasi einem Berufsverbot gleichkommen und ein Sterben der Branche und des alten Handwerks wäre vorprogrammiert – damit zugleich der Weg für die asiatische Konkurrenz und Billigimporte mit anderen Qualitätsstandards frei.

Besonderer Klang: Blei als Qualitätsmerkmal

Blei wird, wenn auch nur in kleinen Mengen, in Orgeln, Blasinstrumenten und Klavieren verbaut und gilt als unersetzbar. Auch für Instrumentenherstellung und Reparatur wird Blei benutzt, eine Alternative dazu gibt es bislang nicht. Dabei werden Blei und Nickel nur in minimaler Form und nur an bestimmten Teilen des Instrumentes verwendet.

Zum Beispiel ist Blei bei der Herstellung von Metallblasinstrumenten seit Jahrhunderten ein unersetzbares Hilfsmittel. Es wird beim Herstellen eines Instruments in die Messingrohre gefüllt, sodass diese gebogen und in Form gebracht werden können, ohne zu knicken. Sobald das Instrument gebogen und die dabei entstandenen Falten geglättet oder ausgeformt wurden, wird das Blei wieder erhitzt und kann aus dem in Form gebrachten Rohr abfließen. Danach kann das Instrument weiter geschliffen, poliert oder zu einem Meisterstück weiterbearbeitet werden.

Das Prinzip greift auch bei der Reparatur von kaputten Instrumenten oder Teilen. In Blei gebogene Instrumente haben nach dem Biegen „besondere klangliche Eigenschaften, die den handwerklichen Instrumentenbau ausmachen“, so Kerstin Voigt von der Meisterwerkstatt für Metallblasinstrumente Markneukirchen gegenüber der „Sächsischen Zeitung“. Es sei ein anderer Klang, als wenn man so ein Rohr mit anderen Materialien als mit Blei ausformen würde.

Für die mit dem Schwermetall arbeitenden Instrumentenbauer gelten entsprechend strenge Arbeitsschutzbedingungen und Kontrollen zu ihrem Schutz. Auch in den fertigen Instrumenten bleiben kaum oder keine Rückstände des Schwermetalls.

Jedenfalls stehe, so die sich für das Traditionshandwerk engagierende CDU-Politikerin Magwas gegenüber dem MDR, die Anzahl der Allergiefälle in keinem Verhältnis zur Anzahl der regelmäßig Musizierenden – das sind acht Millionen Menschen und damit jeder Zehnte in Deutschland.



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