Fotoausstellung im Münchner Stadtmuseum
Selbst wenn es nicht „wir“ sind auf den Fotos von Herlinde Koelble, die seit dem 10. Dezember im Münchner Stadtmuseum zu sehen sind. Wir sind es.
„Mein Blick“ nennt sie die Ausstellung von 300 Fotos im Großformat aus einem Zeitraum von drei Jahrzehnten. Gekannt hat man viele ihrer „Blicke“; berühmt geworden ist sie durch die Serie von Politikerbildern ab 1991 in dem Zyklus Spuren der Macht. Über einen Zeitraum von acht Jahren hat Herlinde Koelbl am Beispiel von Politikern wie Angela Merkel, Gerhard Schröder und Joschka Fischer exemplarisch dokumentiert, wie ein Amt den Menschen psychisch und physisch verändern kann. Auch wir schauen uns an. Graben daheim in alten Aufnahmen, so wir schon ein gewisses Alter erreicht haben, und sind erstaunt über Veränderungen, mit denen wir eher unbewusst leben, die aber von außen betrachtet ein gelebtes Leben zeigen.
Dieses gelebte Leben ist es, was die Koelble interessiert. Und ihre Kamera gehorcht ihr auf Wunsch und lichtet ab, was vielleicht gar nicht ans Licht wollte, aber durch ihren „Blick“ mit sich selbst versöhnt wird. Denn sie betrachtet, sie urteilt nicht.
Einen Schwerpunkt der Ausstellung bildet die ab 1980 entstandene Fotoserie „Das deutsche Wohnzimmer“. Herlinde Koelbl porträtiert Menschen aus allen sozialen Schichten – vom Filmemacher, Künstler, Arbeiter oder Beamten bis hin zum Landwirt oder Minister – in ihren Wohnzimmern. Wir sehen und wir lächeln, wir erkennen die Menschen in ihrem Umfeld, nach dem Zeitgeist oder den eigenen Wünschen gestaltet. Wir erinnern uns an Freunde, Verwandte, die ebenso lebten, uns selbst – merkwürdige Koinzidenzen. Lächeln?
Ein vergleichbares Thema griff sie nochmals 2002 in der umfangreichen Arbeit „Schlafzimmer“ auf. Sie bereiste zahlreiche internationale Metropolen, um die Bewohner in ihrem privatesten Refugium zu porträtieren. Noch mehr Lächeln.
Von Beginn an wählte die Fotografin ihre Themen selbst und arbeitete an ihren Fotoserien oft jahrelang, um das für sie Essentielle herauszufiltern. „Es geht ihr nicht um den schnellen Blick, sondern um das Erkennen von Strukturen und Verborgenem“, heißt es in der Pressemitteilung des Münchner Stadtmuseums. Wohl wahr und sichtbar.
Die Künstlerin porträtierte weltweit jüdische Persönlichkeiten der deutschen Geistesgeschichte in Bildern und Texten. Herlinde Koelbl bezeichnet diese Erfahrungen als Markstein in ihrem persönlichen Leben: „In den Gesichtern habe ich so viele Spuren von einem schwierigen Leben entdeckt, so viel Traurigkeit, aber auch so viel Weisheit und Bescheidenheit.“
Eine ungewöhnliche Sicht des nackten Frauenkörpers entwickelt sie in dem Buch „Starke Frauen“. Sie zeigt nicht das gängige Bild der schönen schlanken Frau, sondern kreiert eine völlig neue Form der Ästhetik mit der Inszenierung der Körperfülle, Vitalität und Präsenz ihrer Modelle. Mit den Aktporträts der russischen Gräfin Nina schuf die Fotografin abstrakte Körperlandschaften, die das Alter voller Würde in seiner Zerbrechlichkeit und der ihm eigenen Schönheit wiedergeben.
Und so lautet ihr sichtbar gewordenes Credo: „Die Freiheit des Denkens, die Freiheit für meine Arbeit war und ist mir ganz entscheidend wichtig. Bei meiner Arbeit selbst dazuzulernen, meinen Horizont zu erweitern und darüber hinaus mit jedem Thema sozusagen ein geistiges Abenteuer zu beginnen – mit offenem Ende.“
Das offene Ende wirkt im Beschauer nach und öffnet den Blick – wenn man es denn will.
Münchner Stadtmuseum
St.-Jakobs-Platz 1
Dienstag bis Sonntag
10:00 bis 18:00 Uhr
bis 10. April 2011
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