Heilige Madonna mit indianischen Gesichtszügen

Titelbild
Engel als spanischer Eroberer (Peru, 20. Jh.). Während sich Maler wie Marcos Zapata oder Ignacio Chacón noch Mitte des 18. Jh. eher auf unverfängliche Serienproduktionen von Madonnen und Engeln verlegten, sieht man hier eine etwas andere Variante.
Von 27. April 2005

Mestizohandwerker kreierten mit der Cuzco-Schule eine neue Weltkunst

Wohl die älteste ständig bewohnte und zugleich geschichtsträchtigste Stadt auf dem amerikanischen Kontinent ist Cuzco – einst „Königsstadt“ des legendären Inkareiches. Von hier aus geboten die „Söhne der Sonne“ über Millionen Untertanen und die königlichen Hochstraßen führten in die vier Himmelsrichtungen durch ein riesiges Herrschaftsgebiet. Deshalb vielleicht auch sein Name „Nabel“, oder „Nabel der Welt“, abgeleitet vom ursprünglichen Wort Qosqo.

Als 1532 die spanischen Conquistadores in Cuzco einzogen, verbreiteten sie mit ihren Pferden, Rüstungen und Waffen Angst und Schrecken. Eine in ihren Augen notwenige Vorraussetzung für die Verbreitung des christlichen Glaubens, war der Abriss aller repräsentativen Bauten der traditionellen Inkareligion. Auf deren Grundmauern wurden Symbole der Christenheit errichtet. Aus dem ehemaligen Hauptplatz wurde die „Plaza de Armas“. Auf den Ruinen des Inka-Palasts Kiswar Cancha wurde bis 1654 ein prachtvoller Bau vollendet, bestehend aus einer dreischiffigen Kathedrale im Zentrum, an die sich rechts die Iglesia del Triunfo und links die Iglesia de la Sagrada Familia anschlossen. Allein die Kathedrale soll mit 400 Barockgemälden ausgestattet sein.

Das Goldene Jahrhundert des Barroco Mestizo (1680 – 1780)

Im Museo de Santa Catalinal befindet sich die größte Sammlung der Escuela Cuzqueña. Vorbild dieser Malerei war zunächst der Sevillaner Barock, und die ersten Gemälde von Diego Quispe Tito wirken wie eine statische Kopie von Murillo, dem Hauptmeister der Schule von Sevilla und der spanischen Malerei des 17. Jahrhunderts. Engel und Heilige haben anfangs europäische Gesichtszüge, die dann aber im Verlauf des Goldenen Jahrhunderts immer indianischer werden. Und immer mehr Elemente des lokalen Ambientes und der Inka-Kultur werden in die sakralen Bildnisse hineingeschmuggelt. Was auch nicht weiter verwunderlich ist, waren doch fast alle Cuzqueñer Maler Mestizen und später zunehmend Indios, die wieder auf ihre eigenen, früheren Traditionen zurückgriffen. Ein sehr berühmtes Bild, das „Heilige Abendmahl“ von Marcos Zapata, zeigt einen Christus, der die segnenden Hände nicht über dem Osterlamm ausbreitet, sondern über der Nationalspeise aller Andenbewohner, dem gegrillten Meerschweinchen. Episoden der Inka-Geschichte werden in christliche Bilder eingeflochten und die ganze Art der Darstellung ist beeinflusst von der Inka-Kunst: flächig, stilisiert, ohne Perspektive, die Hauptfiguren erscheinen überdimensional. Eine Ähnlichkeit mit der Ikonenmalerei drängt sich geradezu auf. Dies auch wegen der verwendeten Farben, etwa den kräftigen Rottönen, wie sie seit Jahrhunderten in der Kleidung der Indios vorherrschen.

Die spanischen Eroberer als Engel?

Über den Inkagott „Viracocha“ indes wird folgender Mythos erzählt: „Eine lange Zeit hindurch hatten die Menschen die Sonne nicht mehr gesehen. Eines Tages wurden ihre Gebete endlich erhört und die Sonne erhob sich in ihrer ganzen Pracht über der Insel Titicaca. Danach erschien ein weißer Mann von großer Gestalt, dessen Wesen höchste Bewunderung hervorrief. Er ließ Quellen aus dem Felsen entspringen, machte Berge zu Ebenen und Ebenen zu Bergen. Er rief Tiere und Menschen ins Dasein, und lehrte die Menschen, wie sie leben sollen…“ Die Inka nannten ihn „Vater der Sonne“.

Nach der spanischen Eroberung nahmen die Indios den katholischen Glauben recht schnell an, waren die spanischen Eroberer doch ihrem „Viracocha“ ähnlich. Auch sie waren von stattlicher Statur und weißer Hautfarbe, mussten den Indianern wie höhere Wesen anmuten. Oder waren es eher die ausgeklügelten Reden der Inkapriester, die die Eroberer als „Götter“ anpriesen, um unter der neuen Herrschaft weiter einen ansehnlichen Posten innehalten zu können?

Die Kuzco-Schule jedenfalls wurde zu einer der bedeutendsten Schulen der amerikanischen Kunst. Die heutigen Familien der indianischen und kreolischen Maler aus Peru, Bolivien und Argentinien reichern diese Malerei mit immer weiteren Techniken an. Und keine zwei Werke sind exakt gleich, auch wenn sie dasselbe Motiv zeigen.



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