Herheims „Parsifal“: Ein Bass begleitet von Bildertheater
Stefan Herheims Parsifal – szenisch eine Zeitreise durch die Geschichte des Hauses Wahnfried – ist beim Publikum die beliebteste Aufführung, da sie am nahesten an das große, märchenhafte Welttheater heranreicht, das Wagner sich in Bayreuth vorgestellt hatte.
Eine technische Meisterleitung sind die ständigen Bühnenverwandlungen und Spezialeffekte mit Wind- und Nebelmaschinen, Wasser und Videoprojektionen. Höhepunkt ist ein riesiger Spiegel in dem sich das Publikum selbst sieht.
Der Gralstempel der Parsifal-Uraufführung wird zitiert und die Handlung spielt zwischen Wagners Grab und der Villa Wahnfried. Ein kleiner Junge im Matrosenanzug soll Wieland Wagner darstellen.
Die geschichtlichen Anspielungen reichen von der Kaiserzeit bis in die heutige Bundesrepublik und das Festspielhaus wird als „Gral“ und Weihestätte inszeniert, in dem sich die Welt und der Fluss der Zeit spiegeln. Zusammen mit der Parsifal-Geschichte, die fast etwas zu kurz kommt, wirkt das Geschehen intellektuell überladen und anstrengend (Bühnenbild: Heike Scheele, Kostüme: Gesine Völlm).
Dank der ineinander fließenden Bilder nimmt man die Materialschlacht jedoch als poetischen Fluss wahr. Das Dirigat von Daniele Gatti hatte musikalisch alles, was man sich von einem Bayreuther Parsifal wünscht, doch transzendent wirkte Wagners „Bühnenweihfestspiel“ im Jahr 2011 nicht mehr. Vielleicht, weil Herheim die Musik fast nur als Filmmusik zu seinen Szenen begriff.
Gatti gelang es, Atmosphäre und eine perfekte Balance zwischen Orchester und Bühne herzustellen. Er schaffte es, einen wunderbar schmelzenden Klang zu entfalten, doch ohne Süßlichkeit, wohltuend farbenreich und fließend und niemals schwerfällig. Die Höhepunkte wie die Gralsritterchöre baute er langsam und majestätisch auf, er erschlug seine Zuhörer nicht, er erhob sie. Großer, verdienter Jubel für ihn, der am Ende gerührt auf sein unsichtbares Orchester zeigte …
Große Solisten
Musikalisch interessant war auch, dass zum Beispiel Susan Maclean ihrer Kundry unterschiedliche Stimmen gab. Rauh im ersten Aufzug, mit kleinen Ausflügen in den Verismo (die sich auch Klingsor Thomas Jesatko erlaubte), sang sie im zweiten die Verführungsszene schön und elegant; in ihre Verzweiflungsausbrüche nahm sie diesen runden Klang mit leuchtenden Höhen und Tiefen mit.
Detlef Roth (dank der Maskenbildnerei ein Schmerzensmann im altmeisterlichen Sinne) brach das Leidens-Image des verwundeten Gralskönigs Amfortas auf, indem er der Figur mit seinem hoch timbrierten Bariton Jugendlichkeit und leidenschaftliches Leben einhauchte.
Simon O´ Neill als Parsifal, ein vielversprechender junger und strahlender Tenor, fühlte sich im Matrosenanzug sichtlich pudelwohl und spielte die kindliche Seite seiner Rolle voll aus.
Sein Ausbruch der Erkenntnis im zweiten Akt war einer der packendsten Momente des Abends. Als Erlösergestalt im Neubayreuther Stil kam er dann als langhaariger Ritter im dritten Teil hereingeschritten – und überzeugte auch als solcher.
Wie ein Berg überragte den Abend der warm strömende, weiche Bass von Kwangchul Youn. Er füllte die riesige Rolle des alten Gralshüters Gurnemanz vom ersten bis zum letzten Atemzug mit Väterlichkeit, Ritteradel und einer Parsifal-typischen Weihe. Der greise Gurnemanz „erzählt“ das Stück über weite Strecken und Youn wirkte sowohl im Frack mit schwarzen Flügeln als auch in Militäruniform großartig. Es gab gigantischen Beifall für den Koreaner.
Die Bilanz des Parsifal 2011 ist ziemlich ernüchternd: Kein Applausverbot mehr nach dem ersten Akt. Die Chöre gewaltig und korrekt aber nicht mehr mystisch-weihevoll. Am Schluss kein gebanntes Schweigen und nur zehn Minuten Schlussapplaus.
Trotzdem ein Muss für alle, die sich am Parsifal nicht satthören können.
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