„Ihr seid’s alles gute Menschen …“

Nach einem ungeklärten Kriminalfall
Titelbild
Foto: Wüste Film West, Constantin Film Produktion und Hugofilm/Foto: Tom Trambow
Von 25. November 2009

Sie wollte eigentlich nur schnell ihre Mutter begraben und dann wieder fort, aber die Leute, das Dorf halten sie fest, warum?“, erzählt Julia Jentsch („Sophie Scholl“, „Effi Briest“) über die Rolle der 26-jährigen Krankenschwester Kathrin, die nach Jahren des Stadtlebens in ihr Heimatdorf zurückkehrt. Hier, in einem Gespinst aus Schweigen und Lügen, ist sie „eine ‚Fremde‘ und ‚Vertraute‘ für die Leute dort. Sie ist jetzt da und man kann sie gebrauchen, vollreden, sie hört zu und dann ist sie auch wieder weg (hoffentlich) oder ‚sie wird eine von uns‘. Es ist die Geschichte dieses Dorfes, dieser Menschen und sie ist so etwas wie ein Katalysator.

Es ist zunächst nicht Kathrins Geschichte und trotzdem hat sie mehr und mehr mit dieser Geschichte zu tun“, charakterisiert die Schauspielerin die eher passive, beobachtende Rolle der Filmheldin. Hier trifft sie auch Johann wieder. Für die Rolle des Freundes aus Kindheitstagen konnte der gebürtige Münchner Volker Bruch („Der Vorleser“; „Baader Meinhof Komplex“) gewonnen werden. Seine Figur sucht vor allem Frieden: „Kathrin ist unschuldig, weil sie nichts weiß und Johann glaubt mit ihrer Hilfe vergessen zu können.“ Denn im Dorf herrschen Angst und Schrecken: Erst zwei Jahre ist es her, dass auf dem abgelegenen Tannöd-Hof sechs Menschen mit einer Spitzhacke erschlagen wurden. Doch den Mörder hat man nie gefunden. Die Leute sind überzeugt, dass es ein Fremder war, denn: „Von hier kann es keiner gewesen sein. Bei uns gibt’s keine solchen Ungeheuer“, versucht ein Dorfbewohner sich selbst und die anderen zu beschwichtigen. Nur die alte Traudl (Monika Bleibtreu in ihrer letzten Rolle) ist sich sicher: „Den Mörder hat man nie gefunden. Er ist von da“, sagt sie der Kathrin im Vertrauen.

Die Vorlage für „Tannöd“ lieferte der gleichnamige Kriminalroman der deutschen Autorin Andrea Maria Schenke, die in ihm einen bis heute ungeklärten Mordfall aus dem Jahre 1922 verarbeitete.

Wo fängt das Böse an?

Damals wurden in der  oberbayerischen Gemarkung Hinterkaifeck auf dem Einödhof sechs Menschen, darunter zwei Kinder, mit einer Reuthacke erschlagen. Der Hof wurde abgerissen und nie wieder aufgebaut, womit die Ortsbezeichnung Hinterkaifeck erlosch.  Für Regisseurin Bettina Oberli ist Tannöd alles andere als einfach nur ein Kriminalfilm über einen authentischen Fall: „Für mich ist es ein psychologisches Drama mit kriminalistischen Elementen. Die Krimihandlung hält die Geschichte zusammen, aber eigentlich geht es um etwas anderes. … Es geht um die Frage der Schuld. … Es ist eben komplizierter als nur nach dem Täter zu suchen. Es geht um die Frage: Wo fängt das Böse eigentlich an? Erst dann, wenn einer zuschlägt? Führen nicht schon viel früher Verhaltensweisen wie Wegschauen, Vorverurteilen, Ausgrenzen dazu, dass das Böse überhaupt entstehen kann? … Denn natürlich hatten es immer alle nur gut gemeint. Meine Hauptfigur schließe ich davon übrigens keinesfalls aus. Sie ist keine Heldin, die besser ist als all die anderen. Konfrontiert mit dem Grauen verliert auch sie auf eine gewisse Weise die Unschuld, und ihr Menschenbild wird zutiefst erschüttert.“

Ähnlich mag es auch die schon erwähnte alte Traudl empfunden haben, als sie der frommen Dorfgemeinschaft bei der erstbesten Gelegenheit den Spiegel vorhält: „Ihr seid’s alles gute Menschen, aber wenn dann sechse erschlagen werden, dann war’s der Deifel.“

Trailer:

Erschienen in The Epoch Times Deutschland Nr. 45/09

Foto: Wüste Film West, Constantin Film Produktion und Hugofilm/Foto: Wüste Film West, Constantin Film Produktion und Hugofilm/Foto: Tom Trambow


Kommentare
Liebe Leser,

vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.

Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.

Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.


Ihre Epoch Times - Redaktion