Matthias Claudius, der „Wandsbeker Bote“

Die Heimat von Matthias Claudius
Von 28. Juli 2008

Wie viele Kinder sind schon sanft eingeschlummert, während man ihnen das „Abendlied“ von Matthias Claudius vorsang: „Der Mond ist aufgegangen …“? Matthias Claudius ist zudem bekannt als der Dichter von „Der Tod und das Mädchen“, „Der Mensch“ und „Das Kriegslied“. Er war auch der „Wandsbecker Bothe“, der Redakteur der gleichnamigen Zeitung, in der er viele seiner einmaligen Werke veröffentlichte. Claudius hatte sich Wandsbek zu seiner Heimat erwählt.

Selbstverständlich ist Wandsbek stolz da­rauf, dass der Schöpfer einiger der wundervollsten Werke deutscher Lyrik ein Wandsbeker war. Auf dem nicht mehr amtlichen Stadtwappen von Wandsbek sieht man auf blauem Grund Hut, Tasche und Stock des „Wandsbecker Bothen“.

Geboren wurde er am 15. August 1740 in Reinfeld bei Holstein, wo sein Vater von 1730 bis 1773 Pastor an der Reinfelder Kirche war. Er wuchs mit einem warmherzigen, frohmütigen Gottesglauben auf und wurde mit 18 Jahren an der Universität Jena zum Theologiestudium immatrikuliert. Das gab er jedoch schnell auf, angewidert von den „zänkischen und stänkischen“ Professoren, die  sich in dem damals schwelenden Streit zwischen Orthodoxie und Aufklärung gehässig ereiferten.

Jung und erfolglos

Auch die weltlichen Fächer wie Philosophie, Geschichte und Jura denen er sich dann zuwandte, schloss er ohne Prüfung ab. So kehrte der junge Erwachsene zweimal ruhmlos ins Elternhaus zurück: Nach dem Studium ohne Akademiker-Zertifikat und das zweite Mal nach einer Anstellung als Sekretär beim Grafen Holstein in Kopenhagen, wo ihn der Lärm der Stadt, die langweilige Arbeit und ein nörglerischer Vorgesetzter nach Reinfeld zurücktrieben. Erste schriftstellerische Veröffentlichungen, mit denen er etwas gestelzt jene Schriftsteller nachahmte, die ihn beeindruckten, brachten ihm sogar Hohn ein, was ihm zunächst die Lust am Verse schreiben vergällte. Bis er 28 Jahre alt war, schien nichts aus ihm werden zu wollen.

Hamburg und Wandsbek

Doch hatte Claudius in Stockholm den damals berühmtesten deutschen Dichter Friedrich Gottlieb Klopstock, den er sehr verehrte, kennen gelernt. Klopstocks Schwager war der Herausgeber der Hamburger-Adreß-Komptor-Nachrichten, die durch einen Feuilletonteil bereichert werden sollten. Zweieinhalb Jahre füllte Claudius die Kulturseite, nicht mehr nachahmend, sondern in seinem eigenen Ton. In Hamburg lernte er auch Lessing und Herder kennen. Doch Claudius‘ Art, mit der er humorvoll „den Leuten aufs Maul schaute“ schien ebenso wenig in das Hamburger Handelsblatt zu passen wie seine zarte Lyrik, wie zum Beispiel das Liebesgedicht „Phidile“. Somit verlor er seine dürftig bezahlte Anstellung.

Wandsbek war damals ein Herrengut. Etwa eine Fußstunde von Hamburg entfernt, mit einem Schloss, dem Wandsbeker Gehölz, und rund hundert Häusern. Es gehörte dem Grafen Heinrich von Schimmelmann, der seinen Reichtum auch durch Sklavenhandel angehäuft hatte. Doch das Wohl seiner Untertanen lag dem Grafen am Herzen. Er ließ den Wandsbecker Bothen herausgeben, um den Horizont der Bevölkerung mit nützlichem und unterhaltsamen Lesestoff zu erweitern. Claudius sollte der künftige Schriftleiter sein.
Wandsbek gefiel Claudius. Er mochte die Landschaft, hier fand er ein Häuschen mit Garten und seine Frau, die er bis ans Ende seiner Tage zärtlich liebte: die 15 Jahre jüngere Anna Rebecca.

Der „Wandsbecker Bothe“

Der Wandsbecker Bothe erschien vier Mal in der Woche und bestand aus vier Seiten. Äußerlich mag das Blättchen aus billigem Papier nicht besonders ansprechend gewesen sein. Claudius appellierte an seine schreibenden Freunde, am Blatt mitzuwirken: „Helfen Sie mir, den Wechselbalg zur Welt bringen“, schrieb er an Herder. Namhafte Schreiber wie Lessing, Klopstock, Herder, Voß und sogar Goethe lieferten Beiträge. Claudius selbst schrieb Kommentare, Rezensionen, drollige Reime, huldigende Poeme, feinsinnige Lieder und Gedichte, ebenso philosophische Abhandlungen und tiefgehende religiöse Betrachtungen. Er verfasste als Asmus fingierte Briefe an einen erfundenen Vetter Andres, mit dem er sich über die Ereignisse austauschte – lustig-dreist und weise – und hielt so manchem, der direkt nie hingeschaut hätte, indirekt einen Spiegel vor. Bewertungsmaßstab für die Geschehnisse der Zeit, aber auch Richtschnur für sein eigenes Leben war sein fast kindlich-frommer christlicher Glaube und als höchste Instanz: die Stimme des Gewissens.

Der Wandsbecker Bothe gedieh zu einem der angesehensten Blätter. Dennoch machte er seinen Redakteur und dessen allmählich wachsende Familie nicht recht satt – die Auflage blieb gering. Als es nach viereinhalb Jahren mit der Zeitung zu Ende ging, veröffentlichte der Exredakteur in einem schmalen Band die ersten beiden Teile seines „Asmus omnia sua secum portans oder Sämtliche Werke des Wandsbecker Bothen“. So starb der „Wandsbecker Bothe“ als Zeitung  und inkarnierte, personifizierte sich in Matthias Claudius. Dieser „Asmus“ brachte es bis Claudius Tod am 21. Januar 1815 auf acht Teile und enthielt das Wesentliche von allem, was er schrieb.

Text eschienen in Epoch Times Deutschland Nr. 31/08

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