Nahaufnahme Nahost

Jüdische Filmwoche Wien 2004
Von 22. November 2004

Die vom 19. November bis 2. Dezember laufende Jüdische Filmwoche Wien findet nach zwei Jahren Pause im Votivkino und De France Kino statt. Zum Thema „Wurzeln des Nahostkonfliktes“ wählten die Veranstalter Monika Frédéric-Gérard Kaczek 53 Spiel- und Dokumentarfilme, um sie im Rahmen der Jüdischen Filmwoche zu präsentieren.

Der israelische Regisseur Benny Brunner präsentiert am 1. 12. im De France Kino seine Filme „It is no dream“ und „Al- Nakba: The Catastrophe 1948“ über die tragische Vertreibung der 750.000 Palästinenser zur Staatsgründung Israels. In „The Wall“ (siehe unten) dokumentiert er den israelischen Schutzwall und dessen Auswirkungen auf palästinensische Familien.

„Between The Lines“ beschreibt das Leben der jüdisch-israelischen Journalistin Amira Hass, die seit 1998 aus Ramallah berichtet Für ihre engagierte Berichterstattung erhielt Amira Hass unter anderem den World Press Freedom Hero Award und den Bruno Kreisky-Preis für Verdienste um die Menschenrechte. Interviewt wird sie, genauso wie Uri Avnery, einer der großen Männer der israelischen Friedensbewegung, in Brunners „The Wall“. Regisseur Yair Lev zeigt in „Uri Avnery: Warrior For Peace“ das Porträt eines unbeugsamen, starken, aber auch schwierigen Menschen.

David Ofek beginnt seinen packenden Film „No. 17“ wo Ermittler in Israel mit ihren Nachforschungen stehenbleiben: Das 17. Todesopfer eines Anschlages kann nicht identifiziert werden. Der Regisseur beginnt mit seinem Team eine mühsame Suche nach der Identität des Toten. Die Gerichtsmedizin kann bloß feststellen, dass es sich bei dem Unbekannten um einen Mann zwischen 30 und 40 Jahren handelt. Doch niemand wird als vermisst gemeldet. Wie kann ein Mensch so plötzlich verschwinden, und warum sucht niemand nach ihm? Als die Untersuchungen an einem toten Punkt anlangen, zeigt sich eine neue Spur. Ein Mädchen, das kurz im Bus war, erinnert sich an einen der Passagiere.

Österreich Schwerpunkt

Vier österreichische Filmschaffende: Hubert Canaval, Walter Wehmeyer, Michael Pfeifenberger und Christian Mehofers, stellen ihre Produktionen vor. In Christian Mehofers Spielfilm „Die dritte Minute“ (28. 11., De France) begegnen in den letzten Kriegstagen zwei Hitlerjungen der in einem Keller versteckten Jüdin Hannah. Bevor Hans und Max Hannah verraten können, wird der Ausgang bei einem Bombenangriff verschüttet. Die Hitlerjungen werden zu Mitgefangenen und müssen sich mit der grausamen Realtität hinter der Hitlerpropaganda auseinandersetzen. Doch, anders als bei Hans, der ein treuer Gehilfe seines Führers ist und die Jüdin Hannah ermorden will, erwachen in Max mehr und mehr Zweifel hinsichtlich der nazistischen Hasstiraden.

Tribut an große jüdische Persönlichkeiten

Zum 100. Geburtstag des polnisch-jüdischen Schriftstellers und Literaturnobelpreisträgers Isaac Bashevis Singer wurden am 21. November der Zeichentrickfilm „Die Schelme von Schelm“ und Barbra Streisands „Yentl“ gezeigt. Wer das verpasst hat, kann am 28. November im De France Kino Paul Mazurskys „Enemies: A Love Story“ sehen.

In Erinnerung an das jiddischsprachige Komikerpaar Szymon Dzigan und Jisroel Szumacher werden drei Filme in jiddischer Sprache gezeigt. Die Komödie „Freiliche Kapzonim“ (1937) und „On a Heym“ (1938), den letzten jiddischen Film, der in Polen vor dem Zweiten Weltkrieg gedreht wurde, und „Unzere Kinder“ (!948). Dzigan und Szumacher mussten nach dem Einmarsch der Wehrmacht in die Sowjetunion flüchteten. Ihrer Scherze über Stalin wegen deportierte man sie nach Sibirien und ließ sie erst nach Kriegsende wieder frei. Sie kehrten nach Polen zurück, emigrierten in den frühen 50erjahren nach Israel, wo sie sich auf jiddisch nicht durchsetzen konnten, und wanderten nach Argentinien aus. Dort wurden sie zu Superstars, was sie schließlich nach Israel zurückführte.

Internationale Filme

Das tragische „Verschwinden“ von 30.000 ArgentinierInnen während der Militärdiktatur von 1976 bis 1983 wird in Nurit Kedars „Asesino“ behandelt. Einige jüdische Familien baten damals die israelische Botschaft um Unterstützung bei der Suche nach ihren vermissten Angehörigen. Diese Hilfe wurde ihnen aber verwehrt, da Israel damals gute Waffengeschäfte mit Argentinien pflegte.

Die russische Produktion „Dziga und seine Brüder“ (24. 11. Votivkino) rückt das Leben von drei außergewöhnlichen Brüdern in den Mittelpunkt: David, Moisey und Boris Kaufmann, die unter den Namen Dziga Vertov, Mikhail und Boris Kaufmann Kinogeschichte schrieben. Yevgeni Tsymbal zeichnet mit Hilfe von großartigem Material aus russischen Archiven die Karrieren der drei Brüder nach. „Dzig und seine Brüder“ wird mit drei Kurzfilmen eingeleitet, die jüdisches Leben in Bialystok, Krakau und Lemberg zeigen.

Zwei Filme im Portrait

THE WALL von Benny Brunner, NL 2003

Palästinenser nennen sie „Apartheid-Mauer“. Für Israel ist sie eine Barriere, die Terror verhindern soll. Diese Mauer, ein System von Stacheldraht, elektronischen Zäunen mit Sensoren, Kameras und automatischen Maschinenpistolen, wird im fertigen Zustand 600 km lang sein. Da sie hauptsächlich auf palästinensischen Gebieten errichtet wird, werden an vielen Stellen palästinensische Siedlungen von ihren Lebensgrundlagen abgeschnitten. Unter dem Vorwand den Terrorismus zu bekämpfen, forciert die Regierung Sharons trotz internationaler Proteste den Weiterbau. In seinem Film The Wall interviewt Benny Brunner Israelis, wie die Journalistin Amira Hass (siehe Between The Lines, Jüdische Filmwoche Wien 2004), oder den Gush Shalom Aktivisten Haim Hanegbi, die beide gegen diese Mauer auftreten. Palästinensische Familien berichten eindringlich, wie sehr ihr Leben beeinflusst und gefährdet ist.

URI AVERNY: A WARRIOR FOR PEACE von Yar Lev, Israel 2002

Der Journalist, Schriftsteller, Friedensaktivist Uri Avnery wird am 10. September 1923 als Helmut Ostermann in Beckum, Westfalen, geboren. Als Zehnjähriger emigriert er nach Palästina, wo er von 1938 bis 1942 für den Irgun kämpft. Seit der Gründung des Staates Israel setzt sich Uri Avnery intensiv für die Existenz eines eigenen palästinensischen Staates ein. Er wird Gründungsmitglied des Israeli Council for Israeli-Palestinian Peace und gibt seine eigene politische Zeitung Ha’olam Ha’zeh heraus. Im Jahre 1974 wird er der erste Israeli, der in direkten Kontakt mit der PLO tritt, acht Jahre später trifft er im belagerten Beirut Yassir Arafat. Als Gründungsmitglied der Friedensgruppe Gusch Schalom kämpft er, gemeinsam mit seiner Ehefrau Rachel, für ein friedliches Zusammenleben. Eines ihrer Hauptziele ist die Beendigung der Besatzung. Für sein Engagement erhielt Avnery eine Reihe von Auszeichnungen, wie zum Beispiel den Palästinensischen Preis für Menschenrechte (verliehen von LAW, der Palästinensischen Gesellschaft für Menschenrechte, 1998) und den Alternativen Nobelpreis (The Right Livelihood Award 2001). Regisseur Yair Lev zeigt das Porträt eines unbeugsamen, starken, aber auch schwierigen Menschen. In Interviews lässt er Freunde und ehemalige Bekannte zu Wort kommen.

Infos über sämtliche Filme, Termine, Preise: www.jfw.at

Jüdische Filmwoche

A-1104 Wien

Penzingerstr. 35/6/21



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