Pralles, buntes Musiktheater
Epoch Times: Was ist das Besondere am Programm der Komischen Oper?
Philip Bröking: Die Komische Oper spielt im Konzert der Berliner Opernhäuser eine einzigartige Rolle. Wir sind weniger ein Ort kulinarischen Genusses, sondern vielmehr ein Ort theatralischer Abenteuer. Die zeitlosen Kernaussagen der Opernstoffe in ästhetisch modernes, lebendiges Musiktheater umzusetzen. Das ist unser Credo.
Im Vergleich zu anderen Häusern spielen wir deshalb auch ein sehr junges Repertoire, das heißt, die älteste Inszenierung, „Die Liebe zu den drei Orangen“, ist gerade mal 12 Jahre alt. Unser Schwerpunkt ist das szenische Ereignis, ohne jedoch eine sorgfältige musikalische Umsetzung zu vernachlässigen. Deshalb arbeiten wir weniger mit „Stars“, Neuproduktionen werden in der Regel acht, Wiederaufnahmen mindestens drei Wochen lang probiert. Das sind Probenzeiten, die im internationalen Opern Jet-Set unüblich sind. Das Ergebnis dieser Arbeit sind dann aber Aufführungen, die selbst in der x-ten Repertoirevorstellung frisch und lebendig sind.
Epoch Times: Was sind die kommenden Programm-Highlights?
Philip Bröking: Glucks „Armida“, inszeniert von Calixto Bieito, wird zum letzten Mal wiederaufgenommen.
Da kann man diese alte Geschichte in einer sehr modernen Umsetzung erleben: Es geht um Armida, die – kraft ihrer zauberhaften Schönheit – ihren Gegnern die Kampfgefährten abspenstig macht und die es gewohnt ist, jeden Mann bekommen, nach dem es sie verlangt. Nur den einen, der sich ihrem Zauber entzieht, kann sie nicht haben. Dadurch ist sie in ihrem Stolz verletzt und das, was wir dann erleben, ist der Parforceritt einer rachsüchtigen Frau. Es ist alles energetisch sehr aufgeladen, saftig und ästhetisiert stimmig. Auf der Bühne schont sich keiner. Das ist es, was Bieito auszeichnet.
Epoch Times: Was haben Sie für Angebote für die ganze Familie?
Bröking: „Die Schneekönigin“ von Pierangelo Valtinoni, ein ganz neues Stück, zeigen wir einige Male im Dezember, so auch am 1.Weihnachtsfeiertag nachmittags. Abends bieten wir dann „Die Liebe zu den Drei Orangen“ an, ein nimmermüder Bestseller. Am 2. Weihnachtsfeiertag spielen wir eine der beiden Vorstellungen von Wagners „Meistersingern“, die im Dezember auf dem Spielplan stehen.
Epoch Times: Was ist der Charme von Sergej Prokofjews „Liebe zu den drei Orangen“?
Bröking: Es ist wirklich pralles, buntes, packendes Musiktheater. Ein Märchenthema. Ähnlich der „Zauberflöte“ ist es die Geschichte eines Menschen, der eine Reise antritt. Und wer eine Reise tut, der erlebt bekanntlich Einiges.
Außerdem auf dem Spielplan die Wiederaufnahme von „Don Giovanni“ in einer Inszenierung von Peter Konwitschny aus dem Jahr 2003, und aus der vorletzten Spielzeit „La Traviata“ von Hans Neuenfels.
Epoch Times: Auch die Deutsche Oper zeigt dieses Stück. Was ist das besondere an Ihrer „Traviata“?
Bröking: Zu dem ewigen Thema eines sich überschneidenden Angebotes denke ich, dass es doch faszinierend an der Opernstadt Berlin ist, zwei verschiedene „Traviatas“ in der Weihnachtszeit im Angebot zu haben. Da macht sich keiner Konkurrenz, sondern es befruchtet den Opernstandort Berlin. Bei uns ist es definitiv ein Ensembleabend, bei dem das Spielerische auf der Bühne dem Musikalischen in nichts nachsteht. Wir versuchen mit unseren Inszenierungen immer eine bestimmte Zugänglichkeit und Verstehbarkeit auf die Bühne zu bringen und begreifen uns als einen Ort des Musiktheaters für alle Schichten.
Epoch Times: Wie sieht das konkret aus?
Bröking: Eine gewisse inszenatorische Klarheit und Textverständlichkeit sind uns wichtig. Es gibt in der Komischen Oper seit über einem Jahr Untertitel in den Stuhllehnen des Vordersitzes, was für unser internationales Publikum interessant ist und in Deutschland bislang einmalig. Man kann den Text auch auf Deutsch oder auf Englisch mitlesen. Immerhin sind bereits 15 Prozent unserer Besucher ausländische Touristen. Unser Publikum ist im Durchschnitt mit 48 Jahren ein recht junges Opernpublikum.
Epoch Times: Warum glauben Sie, hat Oper immer noch ein eher älteres Publikum?
Bröking: Oper dauert. Es braucht ein gewisses inneres Zeitmaß, das sich bekanntlich im Laufe eines Lebens ändert. Außerdem ist Oper nicht immer so konsumerabel in dem Sinne, dass man unvorbereitet das selbe Vergnügen hätte, wie vorbereitet. Aber es macht ja auch Spaß zu sagen, „morgen geh‘ ich in die Oper“ und beschäftige mich schon heute damit. Wenn ich verreise, lese ich ja auch erstmal einen Reiseführer. Dann steigt doch die Vorfreude. Motier hielt mal einen schönen Vortrag über dieses Thema: Wenn sich jemand ein Hobby anschafft – nehmen wir mal Golfen – was macht er da nicht alles? Er kauft eine Golfausrüstung und eignet sich das Spiel theoretisch an. Dann wird man womöglich irgendwo Mitglied in einem Golfclub, nimmt einen Lehrer und verbessert seine Fertigkeiten. Je mehr man – nennen wir es mal sein ‚Hobby’ – praktiziert, umso mehr hat man davon. Ein bisschen darf man diesen Anspruch auch an die Opernbesucher stellen.
Epoch Times: Sie spielen aber auch Hits der leichten Muse?
Bröking: Allerdings! Gerade hatte Benatzkis „Im Weißen Rößl“, inszeniert von Sebastian Baumgarten Premiere. Eine sehr unterhaltsame Angelegenheit. Wir spielen die Urfassung, das heißt, die de Luxe- Version mit großem Orchester, Dampfer- und Feuerwehrkapelle, Jazzorchester und vollem Chor. Mit großem Bühnenbild, tollen Kostümen und viel Tanz ist das eine richtig aufwendige Produktion. Mirka Wagner, eine jungen Sängerin aus unserem Opernstudio, singt die Rolle der Postbotin Kathi und hat dafür extra Jodel-Unterricht von einem Spezialisten aus Bayern bekommen. Die haben sich wochenends im Grunewald getroffen und gemeinsam gejodelt. Wie bei Loriot.
Insgesamt ist es eine spannende Mischung von Schauspielern, die sonst eher an der Volksbühne auftreten und Sängern aus unserem Ensemble: Dagmar Manzel, Max Hopp, Christoph Späth und als Kaiser Irm Hermann. Ein Feuerwerk allein schon von der Besetzung.
Epoch Times: Was mögen Sie besonders am Weißen Rößl?
Bröking: Es ist ein super Stück, intelligent gebaut, mit hinreißender Musik. Dass eine Berliner Operette am Wolfgangsee angesiedelt ist, ist schon an sich bemerkenswert. Das ist also die projizierte Berliner Perspektive auf ein alpenländisches Idyll. Bei der Uraufführung 1930 rüstete man das Große Schauspielhaus ein und malte eine künstliche Alpenlandschaft an die Fassade. Das Foyer war mit Strohballen, Kuhglocken und Milchkannen dekoriert. Im Gegensatz zu dem miefigen Ruf, den das Werk durch seine betulichen Nachkriegsumsetzungen sich leider eingehandelt hat, ist es eigentlich eine sehr wilde, revuehafte, ja fast frivole Operette mit liebenswerten Charakteren, klassischen Konflikten, schmissigen Liedern und abenteuerlichen Situationen, also alles, was einen unterhaltsamen Theaterabend ausmacht. Ich bin ein großer Fan des „Weißen Rößl“.
Epoch Times: Was schauen Sie sich zu Weihnachten an?
Bröking: Weihnachten bin ich natürlich hier in der Komischen Oper, komme zu den Vorstellungen ins Haus wünsche dem Ensemble „Fröhliche Weihnachten“, aber in der Tat versuche ich dann natürlich auch den privaten Dingen Zeit einzuräumen und ein wenig durchzuatmen.
Das Interview führte Rosemarie Frühauf
vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.
Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.
Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.
Ihre Epoch Times - Redaktion