Satire-Roman über Hitler in der Gegenwart

Titelbild
Er ist wieder da. Bild: Lübbe Audio
Von 28. November 2012

Der NPD-Parteivorsitzende Holger Apfel hat es nicht leicht, als Hitler in der NPD-Geschäftsstelle auftaucht, denn er macht seinem Missfallen deutlich Luft: „Sie vertreten hier also die Nationale Sache? … Sie sind ein Blender. Sie versuchen auf den vernachlässigten Flammen der heißen Heimatliebe völkisch gesinnter Deutscher ihr Süppchen zu kochen.“

In Timur Vermes Satire-Roman und -Hörbuch „Er ist wieder da“ ist Hitler wieder da, in der Gegenwart. Nein, nicht als ein anderer Mensch, der sich an sein Vorleben als Hitler erinnert, sondern als er selbst. Er kann es sich auch nicht erklären, warum er am 30. August 2011 in seinem nach Benzin stinkenden Wehrmachtsmantel auf einer Wiese in Berlin erwacht. Doch Hitler denkt nicht lange darüber nach, sondern hält es für Vorsehung. Er glaubt, dass er eine Mission zu erfüllen hat, und macht sich an die Arbeit.

Hitler in der Gegenwart

Man hält ihn für einen zwar exzentrischen aber sehr brillanten Schauspieler, der wie kein anderer Hitler darstellen und dabei noch gekonnt improvisieren kann. Hitler aber meint es ernst und missversteht die Förderung und Bewunderung seiner „Kunst“ als wachsende und treue Gefolgschaft für seine politischen Ziele. Er ist wieder da.

Das Buch „Er ist wieder da“ ist in der Ich-Form geschrieben. Und weil Hitler eben seine eigene Art hat, über die Dinge zu denken, kommt bei diesem Hörbuch ein Lacher nach dem anderen heraus. Ein paar harmlose Beispiele:

Seine erste Mahlzeit war ein Müsliriegel in einem Kiosk. Hitler denkt beim Betrachten des „verpressten Korns“: „Die Versorgungsengpässe mit Brot waren wohl noch nicht behoben.“

Der Kioskbesitzer lädt Hitler zu einem Kaffee ein, er hat aber nur löslichen Kaffee da. Hitler folgert darauf: „Die Engländer blockieren also immer noch die Seewege. Man muss auf Ersatzmittel zurückgreifen.“ Als er später ein Handy bekommt: „Ich ahnte sofort, dass ich hier schöpferische, arische Genialität in den Händen hielt.“ Auch Hitlers nicht mehr zeitgemäße Ausdrucksweise bringt etliches Kichern ein, etwa „Sportleibchen“ für T-Shirt. Und bei dem Hörbuch ist es ein zusätzlicher Genuss, dass Christoph Maria Herbst die Geschichte nicht nur vorliest, sondern alle Figuren, die vorkommen, verbal spielt.

Zurück zur Geschichte: Nachdem Hitler den PC -„Schreibmaschine ohne Walze“ – und Internet kennengelernt hat, liest Hitler schnell den Verlauf der Geschichte bis zur Gegenwart nach. Die freie Enzyklopädie Wikipedia beurteilt Hitler begeistert: „Selbstlos trägt man zum Wohle der deutschen Nation allerlei Wissen zusammen, ohne einen Pfennig dafür zu verlangen, es war dies eine Art Winterhilfswerk des Wissens, die zeigt, dass – auch in Abwesenheit einer Nationalsozialistischen Partei – das deutsche Volk instinktiv sich selbst unterstützt.“ Das deutsche Wirtschaftswunder nach dem Krieg ist für Hitler jedoch entgegen den Aussagen der Geschichtsschreibung eine Folge der nur noch geringen jüdischen Bevölkerung. Mit seinen Nachforschungen in der Gegenwart angekommen, ist er erschüttert: „An der Spitze des Landes stand eine klobige Frau mit der zuversichtlichen Ausstrahlung einer Trauerweide.“ Die Koalitionspartner nennt er „rat- und orientierungslose Jünglinge“.

Hitler als Fernsehstar

Sein erster Auftritt in einer Comedy-Show erreicht bei Youtube über 700.000 Klicks. Die Fernsehproduzenten wollen mehr Sendungen mit ihm. Hitler marschiert dann mit den Kameraleuten auf die Straße um mit dem Volk zu sprechen. Hitler geißelt Probleme, die er selbst oder aus den „Presse-Erzeugnisssen“ wahrgenommen hat: etwa vergiftete Lebensmittel oder zu schnell fahrende Autos vor Kindergärten. Er bemerkt, dass bei solchen und ähnlichen Problemen „die naheliegende Lösung, nämlich Schlägertrupps, offenkundig niemanden mehr einzufallen“ scheint. Nach jeder solchen Sendung hält er abschließend eine flammende Rede.

Überhaupt ist Hitler in dieser Geschichte, wie er war und in der Gegenwart vermutlich wäre und so macht er bösartige Bemerkungen über alles, was ihm missfällt – auch öffentlich. Aus seiner Geringschätzung gegenüber Ausländern und Juden macht er kein Geheimnis. Und weil Hitler nie war, was wir heute politisch korrekt nennen, lässt Vermes Hitler im Buch „Er ist wieder da“ auch so verletzend denken und reden, wie er es wahrscheinlich getan hätte. Man sollte vor dem Kauf des Hörbuchs überlegen, ob man das witzig findet.

Auch im Roman finden ihn nicht alle witzig. Während die einen Hitler für einen brillanten Darsteller halten und ein Teil sogar meint, dass endlich mal einer sagt, was andere sich nicht zu sagen trauen – er spricht ja schließlich auch Probleme wie die Umweltverschmutzung an, wo sich wirklich viele konsequenteres Handeln wünschen würden – finden andere den „Humor“ geschmacklos und regen sich über seine ausländer- und frauenfeindlichen Äußerungen auf.

Der Durchbruch

Doch Hitler trüben solche Anfangsschwierigkeiten nicht. Enttäuscht ist er etwas von der BILD-Zeitung, die er zunächst als gelungene Hetzschrift sympathisch fand und die sich nun besonders gegen ihn stellt. Doch die BILD-Zeitung muss bald sehen, wie sie von Hitler und seiner Produktionsfirma mit ihren eigenen Waffen geschlagen wird. Dieser Coup bring Hitler viel Sympathie ein. Kurz darauf wird dann sein Besuch im Büro der NPD im Fernsehen gezeigt und es ist ein großer Erfolg.

Hitler bekommt sodann ein eigenes Studio und eine eigene Show. „Wie ich hörte, erreichten die Einnahmen aus Werbung der deutschen Industrie ein Niveau, das den Unterstützungsmitteln kurz vor der Machtergreifung 1933 vergleichbar war“, stellt Hitler fest.

Und das wird noch mehr. Man schätzt ihn, man will viel Geld mit ihm machen. Und weil nicht sein kann, was nicht sein darf, hält man all seine bösartig diskriminierenden Sätze für Scherze und ahnt nicht, welche Türen man ihm öffnet. Ein Verlag bietet ihm eine beträchtliche Summe, wenn er „noch einmal“ ein Buch mit seinen Weltanschauungen schreibt. Und im Fernsehen werden weitere Sendungen geplant. Hitler denkt: „Nun kann ich mit dem Schwung einer Buchveröffentlichung und der zeitgleich startenden neuen Sendung eine Propaganda-Offensive starten und dann eine Bewegung gründen.“ Das Ende des Hörbuchs ist für Hitler in dieser Geschichte erst der Beginn.

Das Hörbuch ist ein Meisterstück. Das einzig Unrealistische an „Er ist wieder da“ ist, dass Hitler nach 66 Jahren als 56-Jähriger wieder auftaucht (vielleicht würden auch weniger Parteien um seine Mitgliedschaft buhlen). Und so bleibt, nach dem man sich prächtig amüsiert hat, die Frage zurück: Kann uns das wirklich nie wieder passieren?

Timur Vermes:

Er ist wieder da
gelesen von Christoph Maria Herbst

Lübbe Audio
Hörbuch, bearbeitet
6 CDs, 411 Minuten
Ersterscheinung: 21.09.2012
ISBN: 978-3-7857-4741-4

 



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