Tausende feierten Konzert unter Leitung von Daniel Barenboim in Berlin

Bei traumhaftem Wetter genossen am Wochenende über 50.000 Besucher das Open Air “Staatsoper für Alle” auf dem Bebelplatz in Berlin. Das Event wird jährlich seit 2007 von BMW Berlin und Oberbürgermeister Klaus Wowereit veranstaltet. Mit einem fulminatem Tschaikowsky-Programm verabschiedete sich das Ensemble von der Staatsoper Unter den Linden, bevor es für eine dreijährige Sanierungspause ins Schillertheater umzog.
Titelbild
Foto: Rosemarie Frühauf/The Epoch Times
Von 7. Juni 2010

Wann wird in Berlin Mitte schon mal der Verkehr lahmgelegt? Im Dienste der Kunst geschah dies gestern und vorgestern, als Zuschauer aller Altersklassen, auf Decken und Klappstühlen den Bebelplatz, die Straße Unter den Linden und sogar den Hof der gegenüberliegenden Humboldt-Universität belagerten .Über zwanzigtausend Berliner wie Touristen verfolgten am Samstagabend laut Veranstalter die Live-Übertragung von Tschaikowskys populärster Oper “Eugen Onegin”, die mit Stimmen wie Rolando Villazón, Anna Samuil und Artur Rucinski hochkarätig besetzt war.

Egoismus kontra Liebe

Tschaikowsky hatte sich in den Charakteren von Alexander Pauschkins Versroman selbst erkannt und konnte ihre Gefühle deshalb umso eindringlicher in Musik ausdrücken. Die Geschichte des Dandys Onegin, der unabsichtlich mehrere Leben zerstört und seine Verantwortung zu spät erkennt, ist vor allem das Portrait einer Gesellschaft, in der all dominanter Egoismus die Liebe, nach der sich alle sehnen, unmöglich macht.

Daniel Barenboim und die Berliner Staatskapelle begegneten der melancholischen Partitur zärtlich und zupackend zugleich und stellten besonders in den großen Solo-Szenen von Lenski (Rolando Villazón) und Gremin (René) das Menschliche über gekünsteltes Sentiment. Ein wunderbar respektvoller Umgang mit der Musik, dem das Publikum in atemloser Stille lauschte.

Dazu stand die Inszenierung von Achim Freyer in totalem Kontrast: Er interpretierte Tschaikowskys “Lyrische Szenen” als bizarres Marionettentheater und ließ die Sänger mit clownesk überschminkten Gesichtern in mechanischen Bewegungen erstarren.

Die Meinung des Publikums über den künstlerischen Wert der Regie blieben geteilt, einhellige Begeisterung herrschte jedoch über den musikalischen Part. Als das Ensemble nach der Vorstellung den Applaus auf der Außenbühne entgegen nahm wurde es stürmisch gefeiert. Die Sänger dankten den Fans, indem sie ihre Blumensträuße in die Menge schleuderten.

Schwitzen für Tschaikowsky

Ebenso leidenschaftlich ging es am Sonntag Nachmittag zu als vor 30.000 Zuhörern und sommerlicher Hitze Tschaikowskys IV. Sinfonie in f-Moll erklang.

Die Sinfonie gehört zur gleichen Schaffensperiode wie Eugen Onegin, sie wurde im Herbst und Winter 1877/78 vollendet, und ist mit der Oper insofern seelenverwandt, als der Komponist in ihr das vergebliche Streben nach Glück thematisierte sah.

Durch ihre effektvolle Dramatik und den vielschichtigen Melodienreichtum war sie ein dankbares Programm für den Abschluss des Events.

Daniel Barenboim und die Berliner Staatskapelle musizierten energiegeladen Fröhlichkeit und Verzweiflung des russischen Romantikers, bewiesen aber auch unter freiem Himmel Mut zum Pianissimo und große Ernsthaftigkeit. Ein besonderes Highlight war das Scherzo des dritten Satzes, in dem die Streicher im Pizziccato sich mit den Holzbläsern die Bälle zuspielen. Während Kenner mit geschlossenen Augen lauschten, genossen andere Barenboims unnachamlich coolen Dirigierstil auf Großbildleinwand.

Der sinfonische Nachmittag endete mit minutenlangen Standing Ovations für Barenboim und die Staatskapelle Berlin. Das Schwitzen hatte sich gelohnt für Klassikliebhaber und Partygänger, die sich teilweise schon über eine Stunde vor Beginn in praller Sonne die besten Plätze reserviert hatten.

Hans-Reiner Schröder, Direktor von BMW Berlin, versprach eine Fortsetzung der Eventreihe für 2011, wenn nicht am Bebelplatz, so doch an anderer Stelle und Daniel Barenboim versprach dem Publikum für die von ihm vergessene Zugabe im nächsten Jahr doppelten Ersatz.

Foto: Rosemarie Frühauf/The Epoch Times


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