Wagner-Sänger Bernd Weikl über „Niedergang und Zerfall deutscher Kultur“

Hat es Sinn, fragt Bernd Weikl, wenn wir in noch mehr Veröffentlichungen vergeblich versuchen, Richard Wagner zu entnazifizieren? Nein ...
Titelbild
Bernd Weikl, Bariton, besorgt um das Kulturerbe.Foto: Mit freundlicher Genehmigung von Bernd Weikl
Von 11. Februar 2015

Gut drei Jahrzehnte lang hat Bernd Weikl an den größten Opernhäusern gesungen und wurde zu einem der herausragenden Opernsänger in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Geboren 1942 in Wien, in Bodenmais/Bayerischer Wald und Mainz aufgewachsen,  wurde der promovierte Volkswirt Bernd Weikl ein weltberühmter Bariton.

25 Jahre lang zählte Bernd Weikl in über 250 Wagner-Aufführungen zu den umjubelten Stars der Bayreuther Festspiele. Weikl bemüht sich bis zur Stunde mit enormer Kraft um den Erhalt unserer Kultur und ist oft sehr verzweifelt.

Er vertritt den überzeugenden Standpunkt, dass jede Befürwortung oder auch nur Duldung antisemitischer Vorbehalte in letzter Konsequenz einen Straftatbestand erfüllt. In seinem 2014 erschienenen faszinierenden und mit zahlreichen Quellenhinweisen versehenen Buch Warum Richard Wagner in Deutschland verboten werden muss“, zeigt Bernd Weikl viele Missstände auf und öffnet dem Leser die Augen.

Vor drei Jahren jedoch nahm der einst als „Hans Sachs“ in Wagners Meistersingern weltweit gefeierte Bariton Bernd Weikl den Komponisten in Schutz mit seinem Buch: „Freispruch für Richard Wagner?“  Hat der wissende Künstler seine Ansicht jetzt plötzlich geändert? Und weshalb?

Er zitiert das Strafgesetzbuch, u.a. die Paragraphen 130ff. und 131 h. Und Weikl stellt fest: „Wer die Menschenwürde anderer dadurch angreift, dass er Teile der Bevölkerung – in diesem Fall Juden – beschimpft, böswillig verächtlich macht oder verleumdet, wird mit Freiheitsstrafe … bestraft … eine öffentliche Darbietung – Opernaufführungen – mit antisemitischen Inhalten, fällt dadurch auch unter diese Strafgesetze.“

Gibt es wirklich antisemitische Stellen in Wagners Opern? Oder sind jene diesbezüglich veröffentlichten Recherchen der Wissenschaftler nur unbedeutende Meinungsaussagen dieser Autoren? Bernd Weikl nennt einige beim Namen, zitiert sie und erklärt sie zu Zeugen einer Anklage.

Roland R. Ropers sprach für die EPOCH TIMES mit Kammersänger Bernd Weikl

Hat es Sinn, fragt mein Gesprächspartner, wenn wir in noch mehr Veröffentlichungen vergeblich versuchen, Richard Wagner zu entnazifizieren? Nein, denn die wichtigsten Medien, die höchst anerkannten Autoren, die preisgekrönten Regiekonzepte bestehen in ihren Aussagen darauf, dass der Komponist und Adolf Hitler immer in Personalunion auftreten und gemeinsam den Holocaust geplant und verbrochen haben.

Bei jedem der wenigen bisherigen Vorträge von Bernd Weikl aus seiner Schrift: Freispruch für Richard Wagner?“ wurde ihm z. B. der Autor und Theaterwissenschaftler Professor  Jens Malte Fischer entgegen gehalten, der auch in Wagners Musikdramatik Hunderte von antisemitischen Stellen nachweist – und dieser ist damit keinesfalls allein.

Alle diese Erfahrungen – besonders im Jahr 2013 – haben Weikl bewogen, diesen Damen und Herren einmal vollends beizupflichten, sodass ein Ergebnis daraus nur diesen ebenso ironischen wie ernstgemeinten Titel tragen kann:

Warum Richard Wagner in Deutschland verboten werden muss“.

Seit seinem ersten Sommer in Bayreuth – 1972 – hatte es Weikl bei Aufführungen von Wagners Musikdramatik mit Hitler zu tun. Dies oft vor den jeweiligen Premieren, auch in vielen Programmheften und in den Rezensionen ohnehin.

Als er – nach weltweit 163 Aufführungen als gefeierter „Hans Sachs“ in den Meistersingern von Nürnberg – als  Regisseur diese Festoper am Nationaltheater in Tokio inszenierte, wurde ihm vorgeworfen, einen falschen Inhalt angeboten zu haben.

Was war geschehen? Weikl hatte keine Nazis auf der Bühne auftreten lassen und damit den Bezug zum Nationalsozialismus nicht hergestellt. Japan hat sich also schon an Deutschlands „künstlerischer Freiheit“ orientiert.

Und ist dies im Sinne „des staatlichen Bildungsauftrags“?

Mehrere höchstrichterliche Rechtsprechungen des Bundesverfassungsgerichts und der Artikel 35 des Einigungsvertrages definieren Deutschland explizit als „Kulturstaat“. Öffentliche Theater werden in Deutschland beispielsweise durchschnittlich zu rund 84 Prozent subventioniert, nur die verbleibenden 16 Prozent erwirtschaften ihren Etat  aus eigener Kraft.

Diese „öffentlichen Anlagen und Einrichtungen“ stiften – aus Sicht des Staates bzw. der Gesellschaft – einen hohen gesellschaftlichen Nutzen und werden genau aus diesem Grund mit öffentlichen Mitteln gefördert, da sie ansonsten nicht ausreichend hergestellt bzw. nachgefragt werden können. In Deutschland zählen hierzu … eben auch Kunst und Kultur.

Explizit wird dieser Nutzen z. B. in der Bayerischen Verfassung Artikel 131 definiert: „Bildung soll nicht nur Wissen und Können, sondern auch Herz und Charakter und die Ehrfurcht vor der Würde des Menschen … im Geiste der Demokratie  … und im Sinne der Völkerversöhnung (vermitteln). Herzens- und Charakterbildung, Persönlichkeitsbildung, sind also eine Bringschuld der staatlichen Gemeinschaft an sich selbst…“

Welche Rolle spielt dabei „die künstlerische Freiheit“?

Die Freiheit der Kunst wird in Artikel 5 Absatz 3 des Deutschen Grundgesetzes statuiert. Es heißt dort: „Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei.“

Die Kunstfreiheit schützt demnach auch die Theatermacher, Komponisten, Regisseure, Bühnenbildner, Kostümbildner, auch Autoren usw. in ihrem Freiraum, den sie ausschließlich nach ihren eigenen stilistischen und ästhetischen Maßstäben gestalten.

Vorgaben der Politik hinsichtlich künstlerischer inhaltlicher Aussagen oder beispielsweise auch des Stils von Bühneninszenierungen darf es angesichts dieser Garantien der Kunstfreiheit nicht geben.

Der Siegeszug des modernen Regietheaters

Im 21. Jahrhundert regiert das moderne Regietheater in Deutschland. Einen Anstoß dazu gab unzweifelhaft Theodor Adorno mit seiner aus dem Jahr 1962 stammenden Diagnose einer von ihm empfundenen permanenten Krise in Deutschland:

Sie sei mittlerweile auch manifest als eine Krise der Darstellbarkeit von Opern. Folgerichtig habe man sich – so Barbara Beyer im Vorwort zu „Warum Oper?“ aus dem Jahr 2005 – spätestens seit 1968 auch von der überalterten Ästhetik einer als bürgerliches Kulturgut verachteten Oper verabschiedet und stattdessen das sogenannte Regietheater ins Leben gerufen.

Auf diese Weise müsse man sich dem sakrosankten Absolutheitsanspruch der geschlossenen Systeme widersetzen. Jedwede Deutungshoheit wäre längst verspielt, jetzt bedürfe es gezielter Provokationen, der bewussten Irritation von Denk-, Seh- und Hörgewohnheiten.

Zeitgemäß wäre eine rebellisch-kritische Einstellung gegenüber der Institution Oper sowie eine unabhängige künstlerische Haltung von Regisseuren, die mit ihren Arbeiten wieder politische Brisanz in die deutschen Musiktheater bringen müssten.

Tannhäuser als entfesselter Nazi

Jörg Hakendahl und Pedro de Castro beschreiben eine solche Aufführung an der Düsseldorfer Oper am 4. Mai 2013: „Die Premiere von Wagners „Tannhäuser“  wurde zum Skandal um eine Nazi-Oper.“ Es wird von widerlichen Szenen berichtet, die das Publikum schockierten. Nackte Darsteller in gläsernen Würfeln werden dort „vergast“.

In der ersten Szene, dem sogenannten Venusberg, wird eine jüdische Familie von Nazis, unter ihnen Tannhäuser, ermordet. Dabei fließt viel Blut, überall sind Hakenkreuze und SS-Uniformen präsent. Der Regisseur Burkhard Kaminski will damit, sagt er, „den Antisemitismus von Richard Wagner“ thematisieren.

Etwa ein Dutzend Premierenbesucher bedurften aufgrund der starken psychischen und physischen Belastung schon während der Vorstellung in Düsseldorf ärztlicher Hilfe. Wolfgang Höbels „SPIEGEL“-Kommentar fiel lakonisch aus: „Die Deutschen ermordeten sechs Millionen Juden, aber wenn man sie daran erinnert, rufen sie neuerdings den Arzt.“

Und weiter stellte Höbel fest: Seit Jahrzehnten hätten sich Opernregisseure mit dem Rassenwahn des Komponisten und dem Wagnerkult Adolf Hitlers beschäftigt – und dies stets ganz zu Recht.

Keine Volksverhetzung?

Führt man jetzt gegen die ungebremste „Freiheit der Kunst“ den Paragraphen 130 des Strafgesetzbuches an – Gegenstand ist hier die Volksverhetzung –, dann ist zu fragen, welches Grundrecht dieser Paragraph als eine solche Schranke konkretisiert. Verweisen könnte man hier auf die in Artikel 1 Absatz 1 des Grundgesetzes festgeschriebene Menschenwürde. Folgt man dem Gedanken, dann darf die ausgeübte Freiheit der Kunst eben nicht den Tatbestand des Paragraphen 130 Strafgesetzbuch erfüllen.

Die Antwort der Staatsanwaltschaft in Düsseldorf auf Weikls Anzeige gegen die Direktion der Deutschen Oper am Rhein betreffs „Tannhäuser“ am 4. Mai 2013 und die dort gezeigte Vergasung und Ermordung von Juden: „… Bei der Oper handelt es sich um eine klassische Form von Kunst, die dem Schutzbereich des Art. 5 Abs. 3 GG (Grundgesetz) nach sämtlichen vertretenen Kunstbegriffen unterliegt … Der Regisseur – und der mit ihm verantwortliche Intendant – darf  auch zu schockierenden und drastischen Mitteln greifen, ohne sich strafrechtlicher Verfolgung ausgesetzt zu sehen … Kunst ist einer staatlichen Stil- oder Niveaukontrolle nicht zugänglich; die Anstößigkeit einer Darstellung nimmt ihr nicht die Eigenschaft als Kunstwerk (zu vgl. BVerfG (Bundesverfassungsgericht), Beschluss vom 7.März 1990, 1 BvR 266/86, 1 BvR 913187, zitiert nach juris) (nach Landesrecht).“ Die Staatsanwaltschaft leitet daher keine Ermittlungen ein.

Wagner-Interpretationen im Sinne des Nationalsozialismus

Kammersänger Bernd Weikl hat daher für jede Musikdramatik von Richard Wagner erfolgversprechende, weil zeitgenössische Regie- und Bühnenbildvorschläge in seinem Buch vorgestellt. Alle Opern Wagners werden notwendigerweise mit dem Nationalsozialismus verbunden.

Ganz im Sinne der „Freiheit der Kunst“ und der vielen Aussagen von Medien, von berühmten Autoren und deutschen Theaterdirektionen. Weikl denkt dabei auch an entsprechende Anfragen diverser Bühnen.

Zu allen Zeiten, wo die Kunst verfiel, ist sie durch die Künstler gefallen

„Die Braut von Messina oder die feindlichen Brüder“ ist ein Drama von Friedrich Schiller, dem der Autor die Gattungskennzeichnung „Ein Trauerspiel mit Chören“ gegeben hat. Die Uraufführung fand am 19. März 1803 in Weimar statt. Hier Exzerpte aus der Stelle: Über den Gebrauch des Chores in der Tragödie:

„… Es ist nicht wahr, was man gewöhnlich behaupten hört, dass das Publikum die Kunst herabzieht; der Künstler zieht das Publikum herab, und zu allen Zeiten, wo die Kunst verfiel, ist sie durch die Künstler gefallen. Das Publikum braucht nichts als Empfänglichkeit, und diese besitzt es … Zu dem Höchsten bringt es eine Fähigkeit mit; es erfreut sich an dem Verständigen und Rechten, und wenn es damit angefangen hat, sich mit dem Schlechten zu begnügen, so wird es zuverlässig damit aufhören, das Vortreffliche zu fordern, wenn man es ihm erst gegeben hat.

… Aber indem man das Theater ernsthafter behandelt, will man das Vergnügen des Zuschauens nicht aufheben, sondern veredeln. Es soll ein Spiel bleiben, aber ein poetisches. Alle Kunst ist der Freude gewidmet, und es gibt keine höhere und keine ernsthaftere Aufgabe, als die Menschen zu beglücken. Die rechte Kunst ist nur diese, welche den höchsten Genuss verschafft.“

Da die Vergasung und Ermordung von Juden auf der Düsseldorfer Bühne am 4. Mai 2013 dem Publikum höchsten Genuss verschafft hat, dürfen wir uns auch darüber freuen? Der staatliche Bildungsauftrag ist offenbar erfüllt.

Ein offenes Wort aus Israel

Der Journalist Haggai Hiltron sprach am 28.01.2013 in der israelischen Zeitung Ha’aretz bei einem Interview mit Irad Atir Hasarut, der an der Tel Aviv Universität im Juni 2012 seine Studien in Musikwissenschaft mit einer Dissertation über Richard Wagner abgeschlossen hatte  und dafür vom Internationalen Institut für Holocaust-Studien, Yad Vashem, einen Preis erhielt. Hier Auszüge aus Atirs Antworten beim Interview:

„Wagner war nicht der Antisemit, für den die Leute ihn halten,“ sagt Irad Atir, „seine Kritik an Juden war Teil seines Widerstandes gegen die generelle soziopolitische und kulturelle Situation in diesem 19. Jahrhundert – einschließlich seiner nicht-jüdischen Gesellschaft.

Wagner kritisierte bestimmte Aspekte an den Deutschen, z. B. deren Rückständigkeit, die bedingungslose Religiosität, den Stolz des Adels und den Militarismus. Und hat andererseits den jüdischen Separatismus auf’s Korn genommen.

Generell gab es für unseren Komponisten gute und schlechte Deutsche – und gute und schlechte Juden. Wagner wusste mehr über Juden und Judentum und arbeitete mehr mit Juden, als alle anderen Komponisten in seiner Zeit. Seine obsessive Voreingenommenheit gegen Einzelne und Gruppen war komplex und jederzeit veränderlich. Selbst das sehr schlimme Essay: ‚Über das Judentum in der Musik‘ endet mit einem Aufruf, die jüdische und deutsche Kultur zu vereinigen.

Auch die Gefühle der Israelis gegen Richard Wagner beruhen auf Fehlinformationen, schreibt Irad Atir.

Wenn Israelis darauf bestehen, dass Wagner ein Nazi war, dann sollten sie wissen, dass der Komponist sechs Jahre vor der Geburt Hitlers gestorben ist. Es bleibt zu hoffen, dass neuere Informationen diese negativen Gefühle in Israel ändern können.

Deutsche Medien  haben – wie zu erwarten war – nicht über Irad Atirs positive Bewertung der Person Richard Wagners berichtet.

Bernd Weikls Freund, der österreichische Generalkonsul für Israel, Prof. Dr. Dr. Dr. Peter Landesmann schrieb ihm am 20. August 2014:

Lieber Bernd!

Wir haben das gemeinsame Mittagessen mit Dir gleichfalls genossen und sind wieder in Salzburg. Inzwischen habe ich Dein interessantes Buch gelesen und mich dabei sehr amüsiert.

Herzliche Grüße auch von Susi – Dein Peter

Foto: Cover Leipziger Universitätsverlag

Bernd Weikl

„Warum Richard Wagner in Deutschland verboten werden muss“

Leipziger Universitäts-Verlag

120 Seiten – Juli 2014

ISBN-10: 3865838502

Euro 19,00



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