Wiederaufahme von Verdis Otello an der Deutschen Oper Berlin

Titelbild
Deutsche Oper BerlinFoto: B. Uhlig
Von 28. Februar 2013

 

Nachdem 2010 José Cura und Anja Harteros die Produktion aus der Taufe gehoben haben, sang am Mittwochabend eine weitere Starbesetzung Giuseppe Verdis „Otello“ an der Deutschen Oper Berlin. Unter der musikalische Leitung von GMD Donald Runnicles gaben Peter Seiffert den Otello, Lucio Gallo den Jago und Adrianne Pieczonka die Desdemona.

Dramma lirico in vier Akten nannte Verdi die Eifersuchtstragödie, die nach einer Shakespeare-Vorlage entstand. Was es an diesem Abend auf der Bühne zu sehen und zu hören gab, war leider nur in wenigen Momenten lyrisch, sofern man dieses Wort mit Poesie und Atmosphäre gleichsetzen will: Es war eine dieser Aufführungen, in denen große Künstlerpersönlichkeiten nebeneinander souveräne Einzelleistungen zeigten, aber kaum wirklich spannendes Miteinander entstand.

Die Inszenierung von Andreas Kriegenburg trug dazu den entscheidensten Teil bei, weil sie das Leben als sich ständig wiederholende Folge von Konflikten zeigt: „Aus dieser gewaltbestimmten Welt gibt es keinen Ausweg und selbst die Liebe hat hier weder Macht noch Chance, Männer und Frauen passen nicht zusammen und überhaupt erträgt man das Ganze nur mit Alkohol…“ Das ist es, was sie dem Zuschauer drei Stunden lang vermittelt.

An sich keine erhellende Botschaft. Verdis Otello ist per se ein sehr tragisches Stück, doch trostloser als hier kann man ihn sich nicht vorstellen. Und wenn dann noch der (tapfere! tolle!) Kinderchor seine Zeichnungen von brennenden Häusern demonstrativ ins Publikum hält, schlägt einem das – sagen wir´s ehrlich – ordentlich auf die Moral.

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Gegen Langeweile hilft laute Musik!

Donald Runnicles am Pult und das engagierte und präzise arbeitende Orchester der Deutschen Oper Berlin taten einfach alles, um die Flammen der Leidenschaft trotzdem lodern zu lassen und die Gesangs-Solisten zogen kräftig mit: Der GMD lebte seine Liebe für hohe Lautstärken und Knalleffekte bewusst aus – an geeigneten Stellen und derer gibt es im Otello reichlich. Die Chorszene am Anfang geriet bereits gewaltig und als beeindruckender Soundcheck des akustisch Möglichen.

Es war ein stringentes Dirigat, flott aber niemals gehetzt und durchaus mit Sinn für subtile Nuancen und Klangschönheiten in den kammermusikalischen Passagen. Doch als gerade das Solocello ins Liebesduett überleiten wollte und sogar die (typisch kriegenburgische, weil nahezu nicht vorhandene) Lichtregie durch Verdunkelung andeutete, dass es nun romantisch wird, schloss sich der Vorhang. Hervor trat Operndirektor Seuferle mit der Mitteilung, dass wegen technischer Schwierigkeiten ein zweiminütiger Umbau nötig sei …

Neues Cellosolo, neues Glück! Peter Seiffert und Adrianne Pieczonka sangen ein Liebesduett, welches das Bett, wegen dem sich alles verzögert hatte, wirklich nicht gebraucht hätte – ein wunderbar inniger Moment, in dem sie wie große Liebende über die Rampe kamen.

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Die Sängerinnen und Sänger und ihre Qualitäten

Adrianne Pieczonkas Desdemona war eine stets gefasste, reife Frau. Eine, die versucht, trotz der Anwandlungen ihres Gatten freundlich zu bleiben. Man hätte ihr noch mehr Süße und kindliche Unschuld gewünscht, dadurch wäre noch mehr Fallhöhe für Schmerz und Trauer entstanden. Ihre Stimme war nicht in ihrer leuchtendsten und rundesten Tagesform, sondern etwas flirrend. Und trotzdem strahlte sie noch genug, um das lyrische Element und der Hafen der Liebe und Herzenswärme an diesem Abend zu sein. Auch die Fortissimo-Angriffe seitens des GMDs und ihres Tenor-Partners konnten sie nicht einschüchtern. Am Ende wurde sie mit gigantischem Applaus zum Publikumsliebling gekürt.

Fast gleichauf in der Gunst der Zuhörer lag Peter Seiffert, der sonst ganz auf Wagner gebucht ist. Den Otello singt er noch keine zwei Jahre und doch meistert er die Klippen und Fallstricke dieses tenoralen Höllentrips samt seiner zwei hohen C´s, als täte es ihm nichts – mit Strahlkraft und großer Intensität. Seine stärksten Momente hatte er in der Darstellung von Otellos Stolz, Liebe und (Selbst-)Verzweiflung. Denn die Bösartigkeit und Zerstörungswut, in die er dann umschlagen muss, enthielt immer noch Wärme und Weichheit des Ausdrucks – und das bei dem Mann, von dem man vermuten muss, er habe „Stimmbänder aus Stahl“.

Ein Bösewicht grimassiert dämonisch

Lucio Gallo als Jago hatte seine Rolle in Fleisch und Blut, besonders bei seinem „Credo“ fühlte man kaltes Schaudern. Die Wechsel seines Ausdrucks und die Heucheleien, die er in den Dialogen benutzte, um die übrigen Protagonisten ins Verderben zu ziehen, gelangen ihm mit einer Leichtigkeit, so, dass man Angst vor ihrer Trivialität bekam. An vokaler Durchschlagskraft mangelte es ihm nicht, obwohl er scheinbar etwas absichtlich abgedunkelt sang. Platz drei in der Applausgunst!

Auch die Nebenrollen warteten mit schönen Stimmen und darstellerischer Qualität auf und heimsten Bravos ein. Es waren Yosep Kang als Cassio, Burkhard Ulrich als Rodrigo, Stephen Bronk als Lodovico, Marko Mimica als Montano und die dramatisch präsente Emilia von Dana Beth Miller.

Ein bisschen matt regte sich der Schlussapplaus, nachdem der Held seine Geliebte ermordet und dann sich selbst erschossen hatte. War das Publikum erschlagen von zu viel Tragik, oder hatte es einfach nur zu stark mit den Sängern mitgelitten? „Trotzdem: Immer noch besser als Fernsehen“, konstatierte ein Herr beim Verlassen des Hauses. Oh ja, es war eigentlich das pralle Opern-Leben. Ein paar Pannen gehören da einfach dazu …



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