Berliner Grünewald-Ausstellung: Einer der bedeutendsten Künstler der Renaissance
Ein großer Raum ganz in dunklem Rot gehalten. Angenehmes Licht erhellt die Wandflächen. Ein Eintauchen in eine warme Atmosphäre. Trotz einiger Besucher ist es auffallend ruhig. Meine Begleitung und ich gehen auf das vorderste Bild zu. Es zeigt den geschundenen Leib Jesu am Kreuz. Eindrücklich ist das Leiden dargestellt. Meine Begleiterin zeigt sich berührt. Die nach innen verdrehten Beine, die gespreizten Zehen der fixierten Füße, der abgemagerte Leib, ein nach innen gekehrter Blick nach unten. Dazu die angespannten Sehnen der Arme, die am Kreuz das ganze Gewicht des Leibes halten. All dies ist plastisch fast greifbar dargestellt. Sie leidet beim Anblick förmlich mit, sagt sie.
Unangenehme Berührung
Von da aus nicht weit entfernt eine Zeichnung mit einem vor Schmerz entstellten Gesicht eines Kindes, der Kopf weit nach hinten gestreckt, der Mund weit aufgerissen, der Hals dick angeschwollen, so schreit es Richtung Himmel. Ein Abbild für die Abgründe menschlichen Daseins, eingefangen auf einem Blatt Papier? Mich berührt der Anblick unangenehm. Erinnert es mich an meine dunkelsten Momente im Leben? Meine Begleiterin führt mich weg – ich folge ihr gerne.
Ein paar Schritte, und wir stehen vor den beeindruckenden Tafelbildern des Frankfurter Heller-Altars, die den Höhepunkt der deutschen Grisaillemalerei darstellen. Die Grisaillemalerei ist eine Maltechnik ausschließlich in Grautönen, bei der in einer speziellen Hell-Dunkel-Modelliertechnik Licht in die Schattenzonen gesetzt wird. Dadurch entstehen plastisch wirkend Motive, die wie vom Mondlicht angestrahlt wirken. Auf einzigartige Weise zeigt Grünewald unter Anwendung dieser Technik sein vielfältiges technisches Können.
Knieender König mit zwei Engeln, die ihn begleiten.
Eines der Tafelbilder, das die „Heilige Elisabeth“ zeigt, hat es meiner Begleiterin besonders angetan. Der virtuos gestaltete Faltenwurf ihres Kleides und eine alles durchdringende Natürlichkeit, die das Motiv umgibt, begeistert sie. Bis ins kleinste Detail gemalte Elemente, wie die Heilkräuter zu Füßen der Heiligen, verstärken diesen Eindruck und geben dem Bild eine symbolische Bedeutung. Die „Heilige Elisabeth“ nutzte Heilkräuter für die selbstlose Pflege leidender Menschen.
Gleich nebenan das Tafelbild mit der „Unbekannten Heiligen“. Sie strahlt ganz im Gegensatz zur „Heiligen Elisabeth“, die eine tiefe hingebungsvolle Demut zeigt, eine hoffnungsvolle helle Leichtigkeit aus. Die feinfühlig mit zwei Fingern gehaltene Feder und das im Wind wehende Haar verleihen ihr dabei eine besondere Lebendigkeit. Ein weiteres herausragendes Werk ist die Mantelstudie, die berührend Heiligkeit und Glanz ausstrahlt. Sie zeigt einen knieenden König mit zwei Engeln, die ihn begleiten.
Liebe zum Detail
Auffallend bei allen Zeichnungen Matthias Grünewalds ist eine bemerkenswerte Liebe zum Detail. Ob es der Bartflaum einer Gesichtsstudie, die fein geschwungenen Haare, die plissierten Mäntel und Gewänder oder die ausdrucksstarken Gesichter sind, alle Werke erzählen dem Betrachter durch die vielen Details eine Geschichte. Ein weiteres wichtiges Merkmal für sein Schaffen ist das Verbinden von gewöhnlichen mit außergewöhnlichen Elementen, die einerseits ein vertrautes, andererseits ein neuartiges, manchmal übersinnliches Bild entstehen lassen. So verbindet er die Gesichtsstudie eines Mannes mit Bartflaum und Schnauzer mit seinen Vorstellungen vom demütigen Johannes am Kreuze Jesu zu einem vieldeutigen Werk („Die Beweinung“). Es scheint, als wolle der Maler mit seinen Bildern ausdrücken, was weit über das hinausgeht, was man sehen kann. Das Bild sozusagen als ein Fenster in einen dem Auge verborgenen Bereich. Mit dieser Tiefe heben sich seine Werke zweifelsohne von vielen seiner Zeitgenossen ab.
Weltweit größte Sammlung
Das Kulturforum am Potsdamer Platz zeigt noch bis zum 1. Juni 2008 im Rahmen einer Ausstellung die weltweit größte Sammlung von Grünewald-Zeichnungen. In Kooperation mit dem Musée d’Unterlinden in Colmar und der Kunsthalle Karlsruhe werden hier 35 der insgesamt 36 bekannten Zeichnungen erstmals zusammengefasst gezeigt.
Rästelhaftes Leben
Matthias Grünewald (eigentlicher Name Mathis Neithart, genannt Gothart) zählt neben Albrecht Dürer und Lucas Cranach zu den berühmtesten Künstlern der deutschen Renaissance. Sein Meisterwerk, der Isenheimer Altar, zu sehen im Musée d’Unterlinden in Colmar, bildet dabei den Höhepunkt seines Schaffens. Seine Biografie und sein Schaffen geben bis heute Rätsel auf.
Text erschienen in Epoch Times Deutschland Nr. 19/08
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