Luzifer oder der Antichrist als Leitmotiv – Ein Essay

Die Heerscharen des Lichts, göttlichem Auftrage verpflichtet, müssen die Mächte der Finsternis so lange bekämpfen, bis jene kapitulieren. Dies ist ein akzeptiertes Detail in Gottes Bauplan für Seine komplizierteste Schöpfung.
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Gustave Doré (1832 – 1883): Luzifer – Das Verlorene Paradies

O meine Seele, ich lehre dich das Verachten, das nicht wie ein Wurmfrass kommt, aber das grosse, das liebende Verachten, welches am meisten liebt, wo es am meisten verachtet.

Also sprach Zarathustra: Von der grossen Sehnsucht

Die Heerscharen des Lichts, göttlichem Auftrage verpflichtet, müssen die Mächte der Finsternis so lange bekämpfen, bis jene kapitulieren. Dies ist ein akzeptiertes Detail in Gottes Bauplan für Seine komplizierteste Schöpfung. Wenn die Kontrahenten in offenem Gelände aufeinander treffen, endet die Schlacht immer schrecklich. Führen sie jedoch Krieg aus den Tiefen eines gemütlichen Sessels und benutzen Worte anstelle von Schwertern und Lanzen, kann das Ergebnis gelegentlich töricht ausfallen.

Vor allem, wenn die Waffe des Finsteren ein alter Hut ist. Wie zum Beispiel Friedrich Nietzsche, dieser schillernde Knallkopf. Welcher den obigen Unsinn verfasste und der besonders schmerzhaft auf Deutsch klingt, eine höchst expressive und melodiöse Sprache, Klanglehrer weltweit bewunderter Dichter und Komponisten. Werfen wir einen Blick auf das Leben des Mannes, bevor wir uns in Details verlieren.

Geboren im Jahre 1844 in eine konservativ preussisch-lutherische Familie, wurde dem empfindsamen Knaben wahrscheinlich mehr Evangelium auf den Teller gelöffelt, als seinem Magen guttat. Sein Vater, der örtliche Pfarrer, starb, als Friedrich fünf Jahre alt war, und von da an nahm ihn die restliche Familie unter ihre vielen Fittiche. Mutter, Grossmutter, Schwester und zwei Tanten, alle gute Christen, aber anscheinend ohne die väterliche Härte, sahen nach dem Jungen.

Er muss sich wie der sprichwörtliche Hahn im Hühnerhof gefühlt haben, eine Erfahrung, die sich bitterlich umkehrte, als die wohl einzige bedeutende Frau in seinem Leben, Lou Salome, es ablehnte, mehr als nur ein platonisches Ideal zu sein.

Nach einem brillanten Studiumsabschluss und gerade fünfundzwanzig Jahre alt, wurde ihm der Lehrstuhl für klassische Philologie an der Universität Basel angeboten. Er akzeptierte, nahm aber bald darauf freiwillig als Sanitäter am Deutsch-Französischen Krieg teil. Dieser romantisch motivierte Entschluss wurde sehr schnell durch Anfälle von Ruhr und Diphtherie beendet, Krankheiten, die dauerhaft seine Gesundheit beeinträchtigten und ihn ständig mit körperlichen Schmerzen plagte. Sie machten ihn auch, vielleicht verständlicherweise, zu einem Gegner jeglichen nationalen Ideals.

Zurückgekehrt, schrieb er die immens lesbare „Geburt der Tragödie aus dem Geiste der Musik“, ein Werk, das uns eine Idee vermittelt, was er, zufrieden und bei guter Gesundheit, erzeugt haben könnte. Etwa zu dieser Zeit erkrankte er an Syphilis, die aus unerklärlichen Gründen nie behandelt wurde. Der hieraus resultierende langsame aber unaufhaltsame Niedergang, in Verbindung mit einer generell physischen Verschlechterung, führte zwanzig Jahre später zu seinem völligen Wahnsinn.

Die körperliche Zerstörung ging Hand in Hand mit einem emotionalen Ruin, hervorgerufen durch sein Scheitern als Mann und Liebhaber sowie ein weitgehendes Desinteresse an seinen schriftlichen Werken. Während der katastrophalen Ménage mit Lou Salomé ertrug er die Gewohnheit der kapriziösen Frau, den gelegentlichen Wanderer zu betten, jedoch dem grossen Philosophen jeglichen körperlichen Kontakt zu verweigern. Sie mag die Gefahr gespürt haben, die da lauerte.

Oder den sich bereits abzeichnenden Wahnsinn hinter der liebenden Verachtung.

Wer nur einmal durch „Also sprach Zarathustra“ geblättert hat, ein so wenig beachtetes Opus, dessen letzten Teil der Autor selbst publizieren musste, wird den Aufschrei einer gequälten Seele erkannt haben. Oder besser gesagt, eines menschlichen Unglücksraben, geschunden durch Krankheit und Verzweiflung, der die Ungerechtigkeit des Lebens mit einer fiebrigen Phantasie namens Übermensch zu ertänken versuchte.

Ein mythisches Wesen ohne bekannte Analogie, Lucifer in der Gestalt des Herkules, von selbsternannter Göttlichkeit, strikt erdgebundenen und ein nebulöses Rezidiv im Käfig der Zeit. Kurzum, eine Art Sozio-Darwinscher Zombie, dessen generelles Dogma sich als die genaue Umkehrung der christlichen Ethik entpuppt: Güte ist Dummheit, Mitgefühl ist die Verblödung des Sklaven, Schönheit ist Hässlichkeit, Liebe ist Verachtung, und Sanftmut der Dreck unter seinem Fingernagel. Alles in allem eine zweihundertfünfzig Seiten lange Glorifizierung des Hasses, ungebremst und bedingungslos.

Und Gott ist tot, falls jemand gefragt haben könnte, was mit Ihm passiert ist.

Dies alles gibt uns eine gute Idee, warum der grosse Mann bei den Feinden der Christenheit so hoch angesehen ist, jenen nämlich, die sich nur selten mit Details seines Lebens befassen, uns aber zu erzählen versuchen, dass seine Erkenntnisse die eines grossen Geistes waren und er selbst alles besser wusste als der Rest der Welt.

Nehmen wir also den „Antichrist“, eine Mehrzweck-Verschwörungstheorie mit höchstem Reiz für jeden mit der Absicht, das eigene Nest zu beschmutzen. Aber schlechtes historisches Material, falls ein Nachweis erforderlich ist zum Untermauern von handfesten Argumenten. Denn die wirklich konkreten Fakten über Christi Leben und Zeiten sind ja eher dünn gesät.

Was soll also geschehen, wenn ein Historiker daher kommt, den Antichrist aus einer staubigen Ecke des Dachbodens hervorholt und ihn der Christenheit unter die Nase hält, gut angereichert mit impliziter Selbstverbrämung, etwas fischiger Moral und der Hoffnung, wenn schon keine Glaubwürdigkeit, dann zumindest etwas Bekanntheit zu erlangen? Wir schauen zuerst auf den Antichrist, dann den Historiker.

Ersterer wurde nur wenige Monate vor Nietzsches Zusammenbruch und endgültigem Absturz in den Wahnsinn geschrieben. Zerrüttet von Halluzinationen und schrecklichen Schmerzen, schaffte er zwar, eine einigermassen kohärente Epistel zu produzieren, konnte aber nicht vermeiden, dass sie seinen verzweifelten Zustand offenbarte. Die Botschaft Christi, hören wir, sei vergiftend, verwelkt, blutsaugend. Seine Anhänger sind hinterhältige, verschlagene, unsichtbare, anämische Vampire, und das Christentum ist der einzige grosse Fluch, die einzige grosse innere Korruption, der einzige grosse Instinkt der Rache, dem kein Mittel zu giftig, zu hinterhältig, zu unterirdisch oder zu kleinlich ist – kurzum, ein unsterblicher Schmutzfleck auf der Weste der Menschheit. Und wer immer Ihm folgt, die stets wiederholte Phrase, ist krank, krank, krank!

Das Römische Reich, auf der anderen Seite, präsentiert sich nachdrücklich als logischer Vorläufer des Übermenschen:

Der Adel des Instinkts, der gute Geschmack, die methodische Forschung, das Genie der Organisation, der grosse Stil in allem, die KRAFT …

Man mag dabei an eine Zeit denken, als Caligula herrschte und Mord der bevorzugte Weg war, um politische Streitigkeiten zu lösen. Als die scheusslichsten Schlächtereien in den Arenen zur Erbauung des johlenden Pöbels veranstaltet wurden. Als öffentliche Schaubuden die niedrigste Unzucht inszenierten oder die endlose Folter eines billigen Sklaven, um mit dessen unmenschlichen Schreien ein völlig verrohtes Publikum anzulocken.

Was konkrete historische Fakten betrifft, sind diese, wie schon gesagt, dünn gesät und wir auf allerlei Vermutungen angewiesen. Christi Eltern, so hören wir zu unserer Überraschung, waren der niedrigste Abschaum in ganz Judäa, potentielle Rebellen ausserdem, und der Heiland selbst mag vielleicht überhaupt nie existiert haben. Es war jener hinterhältige Intrigant Paulus, der sich alles ausdachte und dem es gelang, Millionen von Gläubigen zu umgarnen, alle unsägliches Gesindel per Definition, sabbernde Idioten ohne Hoffnung auf Erlösung, nichts als Vieh, verdummte Opfer der grössten Verschwörung, die je in der Geschichte der Menschheit abgezogen wurde.

Selbst ein Freudianischer Kopfklempner würde hier den dementen Geist erkennen.

Nun zum Historiker. Eine interessante Frage ist natürlich die, warum er, vermutlich im Besitz eines einigermassen gesunden Menschenverstandes, diesen Unsinn für einen Angriff auf die Christenheit benutzen konnte und dabei hoffte, ungeschoren davon zu kommen.

Erlaube mir eine stark vereinfachte Allegorie. Nämlich die, dass jene, die all das verachten, was über die erkennbare Realität hinausgeht, wie Esel sind, die über einen Zaun auf eine üppige Wiese mit unzähligen Blumen starren und sie nicht betreten können. Der Vorgang wird euphemistisch als Aufklärung umschrieben, basierend auf der tieferen Erkenntniss, dass die Wiese ein Trugbild des Geistes sein muss.

Welch grober Unsinn, rufe ich dagegen aus, brauche ich mich doch nur in eine reale, blumengespickte Wiese zu setzen und sie als ein sorgfältig geplantes und ungemein grosszügiges Geschenk ansehen. Eines mit einer göttlichen Dimension, und daher unendlich erfreulicher als nur ein blosses Phänomen der Zeit, heute in voller Blüte, morgen verwelkt bis zum nächsten Jahr. Dies nun führt mich zwangsläufig zu einem allmächtigen Gott, jenem nämlich, den ich für die Erschaffung der Welt und sein grandioses Schauspiel verantwortlich mache, nicht jedoch für die Verbrechen der Menschheit, die bei Weitem den grössten Teil aller Leiden verursachen.

Völliger Quatsch, schreit der erleuchtete Historiker. Vergiss den alten Poltergeist! Was wirklich passierte, war dies! Nämlich ein schleimiges Wesen, das vor langer Zeit versehentlich aus dem Meer kroch und per Zufall und ohne erkennbaren Zweck und wir wissen nicht genau wie in einen Baum kletterte und auf seine eigenen Zehen trat, dadurch ausrutschte und versehentlich abstürzte und in zwei Hälften zerbrach. Wobei die weniger schleimige Hälfte überlebte und die andere nicht. Dies nun legte die Grundlagen für eine Wissenschaft vom Überleben des Stärkeren, obwohl allerdings erst viel später, während mittlerweile das weniger schleimige Wesen, zwar immer noch versehentlich, jedoch Schritt für Schritt, sich zu einem verflohten Schimpansen entwickelte, der sodann Urvater der gegenwärtigen menschlichen Rasse wurde.

Worauf ich antworte: Nun ja, wenn du meinst… Obwohl ich dabei vielleicht ohne bevormundende Absicht mit einem Auge zwinkere und sage: was gerade passierte, nämlich mein Augenzwinkern ohne bevormundende Absicht, hat ein Manöver von einer derartigen Komplexität erfordert, die sich jeglicher menschlicher Vorstellungskraft entzieht. Elektrische Ströme wurden in Bewegung gebracht durch Aufträge eines Gehirns, das aus unermesslichen Mengen von Muskeln, Gefässen, Zellen, Molekülen, Atomen und Sub-Atomen besteht, die alle so perfekt ineinander greifen wie die Räder einer Schwarzwälder Kuckucksuhr. Und das alles eingeleitet, dir zufolge, durch einen ähnlichen Prozess wie etwa eine unendliche Anzahl von Golfbällen in die Luft zu werfen, ein jeder genau nummeriert, die dann allesamt versehentlich in ein Loch mit der korrespondierenden Nummer fallen. Kannst du dies glauben?

Ich weiss, du kannst es, und deshalb habe ich nicht die Absicht, dich anderweitig zu belehren. Genausowenig wie ich nicht versuchen würde, einen Buschmann davon zu überzeugen, dass die Welt rund ist, aus Sorge, er hielte mich für dement. Und darum erwarte ich auch nur, dass du mich mit Anstand und Fairness behandelst, und mir nicht schreckliche Verbrechen in die Schuhe schiebst, die von einem wahnsinnigen Geist erfunden wurden.

Es war eine magische Zeit, als noch viele Götter unterwegs waren, als jeder Bach einer schönen Nymphe gehörte, als Einhörner durch stille Haine streiften, als der Klang von Panflöten im raschelnden Schilf ertönte, als in jedem Baum ein Kobold lebte, der respektvoll behandelt werden wollte.

Eine Zeit, als die Welt keine Grenzen kannte und die Menschen sich standhaft weigerten, eine klare Linie zwischen Phantasie und Wirklichkeit zu ziehen. Aber es war auch eine Zeit mit der bevorzugten Angewohnheit, den benachbarten Stadtstaat zu überfallen, Männer und Schwache abzumurksen und den Rest in die Sklaverei zu verkaufen.

Mit anderen Worten, was eben noch fehlte, war ein brauchbares System der Ethik, begreiflich für jede Person mit guten Absichten, arm und reich gleichermassen.

Und was die Mythologie selbst anbelangt, so ist eine der grossen Anklagen gegen das Christentum die, es habe sie zerstört. Welch ein Unsinn! Es hat sie verwandelt, erhöht, als Mystik sublimiert. Wie zum Beispiel Christi Mutter, Unsere Liebe Frau, die Madonna mit dem Kindlein.

Jungfrau Maria mit dem Jesuskind und Johannes dem Täufer von Sandro Botticelli  (1445 – 1510)

Versuche nur für einen Moment, dich von Vorurteilen und anderem geistigen Ballast zu befreien. Genau wie der Kampf mit dem Minotaurus tief in seinem kretischen Labyrinth symbolisch die Überwindung des inneren Belzebubs darstellt, so ist die Jungfrau mit Ihrem Kindlein nicht eine einfache historische Persönlichkeit, sondern Metapher für die menschlich höchste und erhabenste Aspiration.

Ein Streben nach Erfüllung, und zwar auf einer streng persönlichen Ebene, von Christi göttlicher Botschaft der Liebe und des Mitgefühls. Eine Botschaft, die für jene, die sie ruhig und mit Vorbedacht in die Tat umsetzen, ein unerschöpflicher Brunnen der Freude und innerer Gewissheit ist.

Eine, die den Widrigkeiten des Lebens besser begegnen kann als jede andere Lehre. Und eine Botschaft, die vielleicht eines Tages, nach vielen Sommern, die Menschheit in die Lage versetzt, in jenem Utopia zu leben, von der wir manchmal als Jugendliche träumten.

Wirst du immer noch sagen, dass die Dame ein so perfektes Beispiel der christlichen Perfidie ist, denn wie konnte sie gebären ohne eine ordentliche Begattung neun Monate zuvor, und wahrscheinlich war sie auch nicht so blond wie auf Leonardos oder Botticellis Gemälden?

Vermutlich wirst du es sagen …

So stehe ich denn hier, mühsam die ausgetretenen Sandalen des Fischers tragend und mein hölzernes Schwert schwingend mit dem Ziel, an einer Schlacht teilzunehmen zur Verteidigung meines Tempels, und vielleicht auch um die Schönen Künste aus dem Würgegriff der Barbaren zu befreien.

Doch statt dessen werde ich beschuldigt, schlimmer zu sein als meine Feinde: ein Lügner, ein Verräter, ein Verderber der Menschheit… und das nur, weil Christi Symbol auf meinem blechernen Schild prangt.

Was muss ich tun?

Wie eine schwache Laterne in der Dämmerung werde ich weiterhin glimmen, dabei ruhig den akademischen Dackel betrachtend, der sein Bein gegen meine Basis hebt, und darum bitten, dass die Englein ein helleres Licht auf ihn scheinen als ich jemals kann. Damit er eines Tages nicht mehr auf allen Vieren daher kommt, sondern aufrecht einher geht wie ein wirklicher Mann.

Was, nebenbei gesagt, ein völlig neues Licht auf die Theorie der Evolution werfen würde…

http://www.manfredvonpentz.net/

Weitere Artikel von Manfred von Pentz auf Epoch Times:

https://www.epochtimes.de/tag/manfred-von-pentz

 

 

 

 

 

 

 

 

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