Bestsellerautor Edward de Bono über kreatives Denken

Die „6 Denkhüte“ Edward de Bonos setzen sich Top-Ökonomen in Washington D.C. ebenso auf wie Studenten in China.
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Foto: Edward de Bono.com
Von 25. Januar 2011

Edward de Bono, Vater des Lateralen Denkens und Autor zahlreicher Bestseller („Six Thinking Hats“ – „6 denkende Hüte“), sprach am Rande der Nobels Colloquia 2010 mit der Epoch Times darüber, warum seit Sokrates keine Fortschritte in den Methoden des Denkens gemacht wurden, warum Diskussionen langweilig und dumm sind und warum uns die Wahrheitssuche der Kirchen in unserem Denken behindert hat. Und warum es für ihn Sinn macht, dass Menschen eine Seele haben.

Epoch Times: Herr Professor de Bono, erzählen Sie uns bitte etwas von sich.

Edward de Bono: Ich komme aus der Medizin. So wie ein Philosoph mit Worten spielt, spiele ich damit, wie das Gehirn funktioniert. Dadurch habe ich die Logik hinter kreativem Denken gefunden. Das ist – wie viele Mathematiker und die besten Physiker mit mir übereinstimmen – die Logik von Mustersystemen. Es scheint mir, als hätten wir seit den drei großen Griechen – Sokrates, Aristoteles und Plato – nichts mehr für unser Denken getan.

Epoch Times: Eine gewagte Aussage. Woraus schließen Sie das?

De Bono: Wir verwenden seit mehr als 2000 Jahren Diskussionen, um ein Thema zu erörtern. Das ist eine sehr langweilige und dumme Art und Weise, sich einem Thema zu nähern.

Epoch Times: Was wäre besser?

De Bono: Wege des kreativen Denkens zu gehen. Ich bringe sie den Menschen auf mehrere Arten bei: Zum einen lehre ich „Denken“ an Schulen, zum anderen arbeite ich mit großen Unternehmen wie IBM zusammen. Meine Methode der „6 denkenden Hüte“ ist sehr weit verbreitet. In manchen US-amerikanischen Bundesstaaten wurden Richter in lateralem Denken geschult. Neulich habe ich gehört, dass bei einem Treffen von Top-Ökonomen in Washington D.C. meine „6 Hüte“ verwendet wurden.

Epoch Times: Was ist denn nun so falsch an unseren althergebrachten Denkweisen?

De Bono: Unser Zugang zu Denkmethodik ist stark von der Kirche geprägt. Und die Kirche war vor allem an der Wahrheit interessiert. Streitgespräche wurden geführt, um Ketzer zu widerlegen. Wir haben uns jedoch nie um ein Denken bemüht, das Werte schafft. Um sicherzugehen, dass Unternehmer, Erfinder und Innovatoren passende Denkmethoden beherrschen. In internationalen Beziehungen sind wir schnell mit Urteilen, wer gut und schlecht ist, suchen aber selten gemeinsame Wege nach vorn. Deshalb sehe ich einen großen Bedarf, dass Denken gelehrt wird, das Wert schafft.

Epoch Times: Ich habe gehört, dass Ihr Buch neuerdings auch in China gelehrt wird?

De Bono: Ja, die Pekinger Universität arbeitet seit mehreren Jahren damit und in fünf weiteren Provinzen wird ebenfalls mit meiner Methode gearbeitet.

Epoch Times: Sie sagen, dass Denken dazu da sein sollte, Wert zu schaffen.

De Bono: Es gibt zwei Arten von Denken. Die eine dient dazu, herauszufinden, was wahr ist. Das ist sehr gut für manche Dinge, aber nicht für alle. Die zweite dient dazu, Wert zu kreieren. Wo man in Konfliktsituationen nicht sagt: „Du bist böse, wir bombardieren dich“ – sondern gemeinsame Lösungen sucht.

Epoch Times: Wie kann man sich das in der Praxis vorstellen?

De Bono: Ich nenne ein Beispiel: Israel, Palästina und den Gaza-Streifen. Derzeit heißt es: Okay, wenn die Israelis dort hinmarschieren, bombardieren wir sie und so weiter. Kreatives Denken würde folgendermaßen aussehen: Alle Länder, die Israel errichtet haben, zahlen im Jahr drei Millionen Dollar an Palästina. Sollte Palästina israelische Siedler bombardieren, muss es jedoch für jede Rakete eine Million Dollar zahlen. Das würde das gesamte Bild verändern!

Epoch Times: Unterstützen oder behindern unsere Universitäten Kreativität eher?

De Bono: Sie fördern sie nicht. Wir haben Forschungsergebnisse von Schulen aus England, die besagen, dass sich Schüler, die das Fach „Denken“ hatten, in jedem anderen Fach um 30 bis 100 Prozent verbessert haben. Nur fünf Stunden Unterricht in Denken für arbeitslose Jugendliche erhöht die Zahl derjenigen mit einem Job in kürzester Zeit um das Fünffache. Wir haben gewalttätigen Jugendlichen Unterricht in Denken gegeben – das reduzierte die Gewalt unter ihnen auf ein Zehntel. Es ist ein sehr mächtiges Instrument.

Epoch Times: Wie konnte es dann sein, dass dieses Fach so lange vernachlässigt wurde?

De Bono: Das liegt zu einem guten Teil auch an den Kirchen. Logik und Streitgespräche sind sehr gut geeignet, um Ketzer zu überführen. Es gibt ein weiteres Problem mit der Kirche: Wenn man von fixierten Dogmen und Glaubenshaltungen ausgeht, dann ist Logik ausreichend. Harvard-Forschungsergebnisse zeigen jedoch, dass 90 Prozent unseres Denkens nicht auf Logik basieren, sondern auf Wahrnehmungen. Und egal, wie gut ihre Logik sein mag, wenn ihre Wahrnehmung falsch ist, wird die Logik auch daneben liegen.

Wir haben uns völlig auf den Teil der Logik konzentriert und den Bereich der Wahrnehmung völlig vernachlässigt.

Epoch Times: Hat man Kreativität in der Geschichte ebenfalls vernachlässigt?

De Bono: Kreativität wurde immer als eine magische Gabe angesehen, die manche Menschen haben und andere nicht. Das ist einfach nicht wahr. Einer meiner Workshops in einem Stahlunternehmen in Südafrika brachte 21.000 neue Ideen hervor – an nur einem Nachmittag.

Epoch Times: Was sind die größten Blockaden für unser Denken?

De Bono: Wir glauben, dass unser Denken großartig ist. Wir glauben auch, dass Diskussionen wunderbar sind. Und dass Analyse genug ist – das ist sie nicht. Wenn ein Patient hereinkommt, sieht sich der Doktor den Patienten an und sucht nach einer Standardsituation, die er kennt, und für die er ein Standardheilmittel einsetzen kann. 95 Prozent unserer Situationen sehen so aus. Dabei ist wenig Kreativität oder Schöpfungskraft involviert. Verstehen Sie mich nicht falsch: Das ist nicht falsch. Aber es ist nicht genug. Kreatives Denken und Laterales Denken können hier neue Wege bahnen.

Epoch Times: Wie beurteilen Sie Aussagen wie jene, dass wir nur ein Fünftel unserer Hirnkapazität nutzen?

De Bono: Die Auslastung des Gehirns ist vernünftig, aber es arbeitet nicht spezifisch genug. Wir müssen uns die Funktionen des Gehirns ansehen, nicht seine Geographie. Die Gehirnforschung sagt uns: „Dieses passiert hier, jenes passiert da“. Das ist nicht seine Funktion. Seine Funktion ist: Es arrangiert, wie Neuronen hereinkommende Informationen in Muster umwandeln.

Epoch Times: Sie sprechen von „hereinkommenden Informationen“. Wo kommen diese Informationen her?

De Bono: Aus der uns umgebenden Welt. Und von uns selbst.

Epoch Times: Sie würden also sagen, dass es eine Seele gibt?

De Bono: Ja. Das ist ein nützliches Konzept. Das Konzept einer Seele ist wie das Konzept einer Tasse. Wir benutzen eine Tasse, um zu trinken. Wir benutzen eine Seele, um unsere Werte und unser Verhalten zu organisieren.

Das Interview führte Florian Godovits.

Foto: Edward de Bono.com


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