Bettina Röhl über das Erfolgsrezept der Kommunisten im Westen

Unsere chinesische Kollegin Lea Zhou – aufgewachsen im kommunistischen China – traf die Publizistin Bettina Röhl zu einem Gespräch über ihr Buch „So macht Kommunismus Spaß!“. Ein Buch, das ein paar essentielle Mythen der 68er zerstört.
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Bettina Röhl.Foto: Paul Schirnhofer
Von 3. August 2011

Unsere chinesische Kollegin Lea Zhou – aufgewachsen im kommunistischen China – traf die Publizistin Bettina Röhl zu einem Gespräch über ihr Buch „So macht Kommunismus Spaß!“. Ein Buch, das ein paar essentielle Mythen der 68er zerstört.

Epoch Times: Frau Röhl, Ihr Buch „So macht Kommunismus Spaß!“ erschien im Jahr 2006. Welche Reaktionen auf das Buch hat es in Deutschland gegeben?

Bettina Röhl: Als mein Buch erschien, war es vom Tag des Erscheinens an ein Erfolg. Das Wichtigste war, dass das Buch auf dem Markt durchgekommen ist und von der in Deutschland linkslastigen Kritik für werthaltig befunden wurde. Am ersten Tag gab es eine große Besprechung im „Spiegel“, dem größten und wichtigsten politischen Magazin in Deutschland und im „Stern“ folgte dann eine zehnseitige Geschichte zu meinem Buch. Und damit war das Buch, das vorher von vielen Linken schon mit Angst und Sorge betrachtet worden war, plötzlich etabliert. In linken Medien wurde das Buch als Standardwerk zur Geschichte der Linken in Deutschland bezeichnet.

Epoch Times: Wie haben die 68er generell darauf reagiert?

Röhl: Die 68er waren überrascht, dass das Buch nicht in erster Linie das Thema 68 behandelt hat und schon gar nicht das Thema RAF, was im Hinblick auf meine Mutter oft mit meiner Person verbunden wird. Mein Buch behandelt die kommunistischen Strukturen, die im Westen Deutschlands seit den Fünfzigerjahren aufgebaut wurden. Und insofern waren die 68er in den Medien eigentlich erleichtert und fanden das Buch spontan unheimlich toll. Erst später haben sie festgestellt, dass mein Buch sehr klar und zwingend argumentiert und analysiert und so der kommunistischen Ideologie weh tut und auch ein paar essentielle Mythen der 68er zerstört.

Epoch Times: Und was hat Sie dazu bewogen, dieses Buch zu schreiben?

Röhl: Also meine Eltern, zunächst nur mein Vater, hatten eine Zeitung gegründet, die Zeitschrift „Konkret“, die in Wahrheit eine Gründung der Kommunistischen Partei war in Ostberlin. Das heißt, mein Vater lebte in Hamburg, im Westen, und er wurde angesprochen von ein paar kommunistischen Studenten. Die wollten eine Zeitung im Westen gründen, um die westliche Jugend kommunistisch zu infiltrieren. Und dazu brauchten sie einen westlichen Chefredakteur.

Das Ganze wurde in Ostberlin in einem Büro ausgedacht und schließlich wurde diese Zeitung auf den Weg gebracht und derjenige, der das unterschrieben hat, war übrigens Erich Honecker, der langjährige spätere Staatschef der DDR, der damals in jungen Jahren noch Chef der Ost-FDJ war. Das war Anfang der 50er-Jahre und auf der anderen Seite stand mein sehr naiver Vater, ein nützlicher Idiot, der Lust hatte, eine Zeitung zu machen, und der sich dann in den Dienst des Kommunismus gestellt hat.

Und dieses Konzept, die Verheimlichung der Finanzierung aus dem Osten, plus einem lustigen avantgardistischen Feuilleton, entpuppte sich als ein unglaubliches Erfolgsrezept, vor allem bei den Studenten. In wenigen Jahren war die Zeitschrift Konkret die wichtigste Studentenzeitung und dann die wichtigste Zeitung der Linken und 1968 eine Zeitschrift mit einer Auflage von 250.000 pro Woche. Das war in Westdeutschland sehr viel und da kulminierte dann das, was auch überhaupt das Problem des Westens ist, und weshalb auch der Titel so ist. Die Linken konnten plötzlich enorme Summen verdienen. Kapitalistischer Luxus und linksradikale, kommunistische Ideen gingen zusammen und so macht Kommunismus natürlich Spaß.

Epoch Times: Durch diese Zeitung Konkret hat auch Ihre Mutter Ulrike Meinhof Ihren Vater Klaus Rainer Röhl kennengelernt. War das so?

Röhl: Das war so. Ende der 50er-Jahre ging es um die erste Antiatomwaffenbewegung in Westdeutschland, der sich meine Mutter als Studentin anschloss. Und das ist ja eigentlich auch eine ganz wichtige Sache. Wer ist nicht gegen Atomwaffen?

Ich glaube, alle sind gegen Atomwaffen. Aber aus der Akte „Konkret“, die ja im Zentrum meines Buches steht, einer wichtigen Ostberliner Akte, die ich gefunden habe und in der die Zusammenarbeit von Konkret mit Ostberlin dokumentiert ist, kann man die Strategie der Kommunisten nachweisen: Man hat eben dort gesagt, Antiatomwaffenbewegung ist sehr gut, aber natürlich müssen nur die Atomwaffen im Westen abgeschafft werden – die Atomwaffen im Osten dürfen nicht kritisiert werden und sollen im Gegenteil in aller Ruhe in Stellung gegen den Westen gebracht werden.

Dann allerdings, sage ich, dann ist das keine Antiatomwaffenbewegung. Also, entweder Antiatomwaffenbewegung in West und Ost, eben weltweit, oder die ganze Antiatomwaffenbewegung ist nichts anderes als kommunistische Militärpropaganda. Genau das sollte aber mein Vater als Chefredakteur von Konkret propagieren und die Zeitschrift Konkret bekam den Auftrag, die ursprünglich ehrliche Antiatomwaffenbewegung in Westdeutschland kommunistisch zu unterwandern. Und meine Eltern, die sich so kennengelernt haben, waren dann auch als Paar mit ihrer Zeitung, was diese Propaganda betrifft, sehr erfolgreich.

In Sachen Propaganda sind die Linken und speziell auch die Kommunisten perfekt. Auf eigentlich allen Gebieten haben alle kommunistischen Regimes der letzten 100 Jahre bitter und grandios versagt. Aber in Sachen Propaganda waren sie dem in jeder Hinsicht sonst erfolgreicheren Westen haushoch überlegen.

Epoch Times: Weiß man, in welchem Umfang die Stasi Konkret unterstützt hat?

Röhl: Die Stasi, die zu der Zeit noch einen anderen Namen hatte, unterstützte die Zeitschrift mit sehr viel Geld, wie ich aus der Akte belegen kann und was mir auch alte Führungskader bestätigt haben. Die haben mir konkret erzählt, dass es 40.000 DM im Monat waren. Nach heutigem Geld ein Millionenbetrag. Dazu muss man wissen, dass es in Westdeutschland ein richtiges Unterwanderungssystem gab, in das die DDR Millionenbeträge investierte. Nicht nur die Zeitschrift Konkret wurde finanziert, sondern eben auch Parteigenossen, Kirchenleute, Leute aus den Gewerkschaften und viele Intellektuelle und Schriftsteller.

Die DDR hatte keine Devisen, aber was sie an Devisen hatte, steckte sie in die Propaganda im Westen, wo ihr viele nützliche Idioten, die Kommunismus im reichen Westen spielten, sehr zum Schaden des Westens, halfen. Eigentlich unfassbar.

Die meisten Akten dieses Unterwanderungssystems sind 1989 von der sterbenden DDR vernichtet worden und durch Zufall ist die Akte Konkret, wie ich sie nenne, und die ich dann gefunden habe, erhalten geblieben. Das ist mein Verdienst, dass ich nach der Akte gesucht und sie dann auch gefunden habe.

Epoch Times: Ist es dem westlichen Verfassungsschutz überhaupt nicht aufgefallen, diese stetigen Kontakte und diese regelmäßigen Fahrten nach Ostberlin?

Röhl: Also, wenn das dem westlichen Geheimdienst nicht aufgefallen ist, dann muss er ganz furchtbar dumm gewesen sein und das ist überhaupt grundsätzlich eine ganz wichtige Frage. Warum haben die westlichen Dienste nicht funktioniert oder warum sind deren Ergebnisse von den Regierungen im Westen ignoriert worden? Die Kommunistische Partei war in Westdeutschland ja verboten, das heißt, meine Eltern waren in einer illegalen Partei und darauf stand Gefängnis.

Aber es gab kein konsequentes, überzeugtes Handeln der Regierung im Westen gegen die kommunistische Unterwanderung. Und der schwerste Vorwurf, den ich den Regierungen im Westen mache und auch den konservativen Parteien im Westen, ist, dass sich niemand mit den Systemfehlern des Kommunismus intellektuell-politisch auseinandergesetzt hat. Die Bundesrepublik, sonst in jeder Hinsicht überlegen, hat sich von den Kommunisten am Nasenring durch die Arena führen lassen und auf eine sehr naive Weise in der Auseinandersetzung versagt.

Der Westen hatte die starke DM und die war im Endeffekt stärker als der Kommunismus und das war das Glück des Westens. Aber es reicht bis heute nicht, dass man den Glücks- und Heilsbotschaften des Kommunismus nichts entgegenzusetzen hat und sich auch bis heute niemand im Westen gefunden hat, der Karl Marx, der eine Wirtschaftsideologie gezaubert hatte, ohne etwas von Wirtschaft zu verstehen, von Grund auf erschüttert und entzaubert.

Die sogenannten Anti-Kommunisten haben sich nach meinem Eindruck mit den Marxschen Lehren bis heute nicht vernünftig auseinandergesetzt und sind in der ideellen Auseinandersetzung bis heute unterlegen. Und es fehlt natürlich die adäquate Aufklärung der Verbrechen aller kommunistischen Regimes dieser Welt.

Epoch Times: Die Kommunisten sind ja sehr stark in der Propaganda, heutzutage auch, aber den Eindruck hat man heute immer noch, dass der Westen eine wirkliche Auseinandersetzung mit dem Kommunismus stets verschlafen hat.

Röhl: Der Westen hat immer versäumt, seine Jugend wirklich mitzunehmen und für die Demokratie und auch den Kapitalismus zu begeistern. Es ist ja ein Kennzeichen der Jugend, dass die Menschen in dieser Lebensphase sich gern für das Gute, für die Gerechtigkeit und für soziale Ideen begeistern und engagieren. Und wenn der Kommunismus ihnen vorgaukelt, den Schlüssel für die Weltverbesserung zu liefern, dann hat das eine Attraktion ganz besonders für die kritischen, die aufgeklärten und die intelligenten jungen Leute. Dem hatten die Regierungen von Bundeskanzler Adenauer bis Bundeskanzlerin Angela Merkel nur ein großes Vakuum entgegenzusetzen.

Man hat das Gefühl, dass die Konservativen das Diskutieren und Argumentieren regelrecht verlernt haben und dass diese Tugenden bei den Kommunisten gezielt geschult wurden. Insofern hat der Westen nichts „verschlafen“, sondern er hat aktiv etwas unterlassen und unterlässt bis heute etwas.

Aber an diese Schizophrenie zwischen Luxus, Sicherheit, Freiheit und Revolution hat vor allem in den 70er- und 80er-Jahren der Westen seine Jugend und die Intelligenz des Landes an den westlichen Pop- Kommunismus verloren. Die 68er, die Post-68er und die heutigen Generationen, die nicht einmal mehr wissen, wie stark sie von den 68er-Gedanken und dem 68er-Lebensgefühl beeinflusst sind, stehen in dieser Tradition. So erklärt sich der Titel meines Buches: So macht Kommunismus Spaß! Mit der Mao-Bibel unter dem Arm und mit Pop und Sex und Rock’n Roll im Kopf machte die im Westen kopierte Kulturrevolution Mao Tse Tungs Spaß. Der Kommunismus in den kommunistischen Ländern machte den Leuten offensichtlich keinen Spaß.

Röhl, Bettina; So macht Kommunismus Spaß! Ulrike Meinhof, Klaus Rainer Röhl und die Akte Konkret; 677 Seiten, gebunden mit Schutzumschlag; ISBN: 978-3-434-50600-3; EUR 29,80Röhl, Bettina; So macht Kommunismus Spaß! Ulrike Meinhof, Klaus Rainer Röhl und die Akte Konkret; 677 Seiten, gebunden mit Schutzumschlag; ISBN: 978-3-434-50600-3; EUR 29,80

Epoch Times: Das heißt, finanziert durch den Osten, lebte man im kapitalistischen Wohlstand im Westen.

Röhl: Genau. Aber die Propagandaerfolge waren so groß, dass dann im Westen linke Ideen modern wurden. Ab Ende der Sechzigerjahre war der Spiegel, war der Stern, waren also unsere großen auf linksradikal gebürsteten Medien, wahre Gelddruckmaschinen. Sie verdienten auf hochkapitalistische Weise Geld mit linker Propaganda. Die haben sie dann aber freiwillig gemacht und brauchten auch kein Ostgeld mehr.

Das, was man nach Mao Tse Tung auch im Westen die Neue Linke nannte, verselbständigte sich und lief und läuft wie geschmiert von ganz allein. Und dieser Boom, der sich später 68er-Bewegung nannte, führte dazu, dass alles, was links und auch radikal und revolutionär daher kam, „In“ war und sich verkaufte. Und damals bildete sich auch der linke Filz, der die Bundesrepublik bis heute beherrscht.

Im Westen fand in den Sechziger- und Siebzigerjahren eine perverse Adaption der Kulturrevolution in China statt. Das Wort Kulturrevolution hieß hier, wir machen die Welt kaputt mit lauter Pop-Musik, Drogen, Revolutionsphantasien und das alles gefüttert und abgefedert durch dickes Taschengeld von Eltern und Großeltern gegen alles, was etabliert war, was Tradition war.

Was sollte dieser Nonsens in der damals prosperierenden Bundesrepublik, der besten Bundesrepublik, die es jemals gab? Es gab keine Arbeitslosigkeit, es gab funktionierende Sozialsysteme und zunehmend nahm die gesamte Bevölkerung am Wohlstand teil. Die konkreten Zukunftsaussichten für diese 68er-Generationen waren phantastisch. Das Maß an Freiheit, das die Bundesrepublik in den Sechziger- und Siebzigerjahren besaß, gibt es in der heutigen Bundesrepublik nicht mehr.

Das Interview führte Lea Zhou.

Fortsetzung folgt

 

 



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