Das Schweigen des Günter Grass

Ein offenes Gespräch und seine Folgen
Titelbild
Günter Grass am 10. Dezember 1999 bei der Verleihung des Nobelpreises für Literatur. (Foto: AP Photo/Jonas Ekstromer, Pool)
Von 15. August 2006

Günter Grass am 10. Dezember 1999 bei der Verleihung des Nobelpreises für Literatur. (Günter Grass am 10. Dezember 1999 bei der Verleihung des Nobelpreises für Literatur. (Foto: AP Photo/Jonas Ekstromer, Pool)

FAZ: Jetzt sprechen Sie zum ersten Mal und völlig überraschend darüber, daß Sie Mitglied der Waffen-SS waren. Warum erst jetzt?

Günter Grass: Das hat mich bedrückt. Mein Schweigen über all die Jahre zählt zu den Gründen, warum ich dieses Buch geschrieben habe. Das mußte raus, endlich. … (FAZ vom 12. August)

Nun ist es „raus“ und schlägt Wellen noch und noch. Zum ersten Mal nach mehr als sechzig Jahren spricht Günter Grass über seine Mitgliedschaft in der Waffen-SS. Als Fünfzehnjähriger hatte er sich noch als Hitlerjunge freiwillig zu den U-Booten gemeldet, mit siebzehn wurde er einberufen und kam vom Arbeitsdienst zur Division „Frundsberg“, die zur Waffen-SS gehörte.

Ungeachtet der Tatsachen, die kaum noch aufzudecken sind, ist es nicht die kriegsbedingte Mitgliedschaft in Hitlers Waffen-SS, sondern das Schweigen darüber und der Verdacht, das Schweigen auch noch medienwirksam vor dem Erscheinen der Autobiographie gebrochen zu haben, was eine Welle von Stellungnahmen hervorruft. Denn es war das Schweigen eines Mannes, der jahrzehntelang niemals andere verschont hat mit moralischen Attacken.   

Und kaum haben viele Intellektuelle, Autoren, Journalisten und Politiker ihre Meinungen kundgetan über die Lüge und das Schweigen des Günter Grass, da werden sie auch schon wieder von ihm gemaßregelt, der sie doch so maßlos enttäuscht hat. Günter Grass teilt mit, dass er  sich persönlich verletzt fühle durch die Vorwürfe und Mutmaßungen seiner Freunde oder seiner Feinde und ehemaligen Bewunderer. Und er spricht es lautstark und medienwirksam aus.

Dieses „ehemalig“ quält sicherlich viele. Das ist wie eine enttäuschte Liebe. Er, der so viele des Schweigens und der Lügen bezichtigte, hat nun selber bekannt, zu den Schweigenden gehört zu haben.

Die vorherrschende Meinung in offiziellen Stellungnahmen und in den Chatrooms der Zeitungen ist gespalten:

Sollte es ein Trauma sein, dann war dieses Bekenntnis nur die Spitze eines Eisbergs, dann kommt noch mehr zum Vorschein – das scheint eher unwahrscheinlich. Aber dann verdient er Erbarmen, oder wie man in Ostpreußen sagte: Erbarmung – mit einem langen rollenden R.

Sollte es eine zielgerechte Promotion für sein Buch sein – ein Vorabdruck wird ebenfalls in der FAZ erscheinen – dann kommt die Verachtung zum Vorschein in Form eines Abwendens. Das was Grass nun bezeichnet als: „Sie wollen mich zur Unperson machen.“

Mögen Psychologen sich damit beschäftigen, was das für diesen Mann bedeutet. Mögen sie durchleuchten, wie nun die gegenseitigen Kommentierungen weiterlaufen und was sie zu bedeuten haben.

Es gibt auch eine versöhnliche Version der Stellungnahmen, die so einfach ist, dass sie unseren Intellektuellen nicht so schnell eingefallen ist: Vielleicht hat er sich ja wirklich einfach nur geschämt, dass er den Zeitpunkt verpasst hatte und diesen Brocken doch einmal „rausbringen“ musste. 



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