Ein Schloss in der Mitte der Hauptstadt

Titelbild
Berliner Stadtschloss zwischen 1890 und 1900Foto: Quelle: Bibliothek des US-Kongress
Berliner Stadtschloss zwischen 1890 und 1900Berliner Stadtschloss zwischen 1890 und 1900Foto: Quelle: Bibliothek des US-Kongress

Nun kämpfen sie wieder in Berlin um ein Schloss, das kein Palast war oder einen Palast, der kein Prunkstück war. Die Berliner wollen mehrheitlich ein Schloss, ein bisschen unterschiedlich nach Ost oder West, alt oder jung. Umfragen haben das ergeben. Aber das Bündnis für den Palast, die Linkspartei und die Grünen kämpfen gegen den Abriss. Am Freitag, den 20. Januar, soll der Palast der Republik noch einmal Thema im Bundestag werden. Die beiden Oppositionsparteien haben Anträge für einen Aufschub des Abrisses eingereicht.

Die Abrisskolonnen jedoch sind bestellt und werden noch im Januar kommen, um 20.000 Tonnen Eisen und Stahl, 56.000 Tonnen Beton und 500 Tonnen Glas abzutransportieren. Ein Schiffsanlegeplatz ist schon gebaut, denn das meiste muss auf dem Wasserweg entsorgt werden, damit es nicht zu einem Verkehrschaos auf den Straßen der Hauptstadt kommt. Etwa zehn Schiffe täglich sollen die Last bewältigen.

Wie der sumpfige Untergrund sich verhalten wird, wenn die Gewichte neu verteilt werden, muss man wie an vielen Baustellen in Berlin abwarten. Die Preiskalkulation ähnelt dadurch auch einem Lotteriespiel. Auf jeden Fall werden die Millionenscharen zur WM ab Mitte Juni Berlin mal wieder im Umbau erleben. Am Brandenburger Tor wird die U-Bahn zum neuen Hauptbahnhof, dem Lehrter Bahnhof nicht rechtzeitig fertig und am Schlossplatz gähnende Leere, die im Frühjahr 2007 zunächst durch einen grünen Rasen gedeckt werden soll. Eben wie ein anonymes Begräbnis.

Dabei haben schon vor längerer Zeit namhafte Persönlichkeiten in der Kommission Historische Mitte im Jahr 2002 empfohlen, ein Gebäude in der Größe des 1950 gesprengten Stadtschlosses zu errichten: Drei Fassaden sollten nach dem historischen Vorbild rekonstruiert werden. Der Bundestag bekräftigte den Beschluss im November 2003. Mittlerweile jedoch werden die Kosten für den Neubau, in den auch ein Humboldt-Forum mit wissenschaftlichen Einrichtungen ziehen soll, auf bis zu 1,2 Milliarden Euro geschätzt. Zu viel?

Der Platz heißt wieder Schlossplatz, das Schloss fehlt noch.Der Platz heißt wieder Schlossplatz, das Schloss fehlt noch.Foto: JOHANNES EISELE/AFP/Getty Images

Berlin und der Bund haben viele Gründe, die Mitte der Hauptstadt wieder mit einem vielfältigen Leben in schöner Umgebung zu füllen. Schönheit allerdings erwähnt keiner der Befürworter des Schlossbaus, der Begriff ist aus der Mode gekommen – zu Unrecht. Eine Gesellschaft, die Wellness und Fitness, Essen und Trinken und Wohlergehen feiert, sollte auch optisch wieder zu Schönheit, Geschmack und Tradition stehen. Zwar wird man dann feststellen, dass es auch schönere Schlösser in Stadt und Land gibt, aber das Berliner Stadtschloss ist trotzdem durch nichts anderes an dieser Stelle zu ersetzen. 



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