Ghanas harte Schule des Lebens

Titelbild
(Zoë Ackah/The Epoch Times)
Von 10. August 2008

Bei allem, was ich mit den Schulen Ghanas erlebt habe, schwöre ich hiermit hoch und heilig, nie wieder das öffentliche Schulsystem Kanadas zu kritisieren! Ehrlich gesagt, die Schule bedeutet für Ghanaer offiziell das Ende ihrer Kindheit. Es ist allerdings noch der schönste Ort, an dem kindliche Unschuld vernichtet wird. Die, die sich ihn nicht leisten können, treten sofort ins Arbeitsleben ein – mit all seinen Gefahren.

Mit dem Stock wird ausgeholt

Ab dem ersten Tag im Kindergarten, im zarten Alter von vier, wird der Stock zum Teil des Lebens jedes Schulkindes in Ghana. Wie sonst können Lehrer Klassen mit 40 (der kleinsten, von der ich gehört habe) bis 62 Schülern unter Kontrolle halten? Lehrer in Nordamerika und Europa, atmet tief durch. Die Schulen von Kumasi ähneln Strafanstalten. Wenn eine Klasse bei einer Prüfung schlecht abschneidet, können alle Schüler den Stock zu spüren bekommen. Ist die Kleidung eines Kindes nicht ordentlich, seine Nägel nicht geschnitten oder es kommt ohne Taschentuch zur Schule, kann es ebenfalls zur Strafe mit dem Stock geschlagen werden. Kommt das Kind zu spät, ist ihm der Stock sicher. Interessanterweise wurde dadurch, dass die Beweislast für Pünktlichkeit beim Kind liegt, in meinem Haus Trödeln auf dem Schulweg so gut wie weggeblasen.

Von mehreren ghanaischen Erwachsenen habe ich gehört, dass sie in ihrer Kindheit die Schule für einige Zeit abgebrochen haben wegen der körperlichen Züchtigungen. Ein bestimmter Lehrer mochte sie nicht und schlug sie ständig. Mein 16-jähriger Stiefsohn zum Beispiel zieht sich mittlerweile immer zwei Unterhosen und Jeans unter seine Schuluniform.

Als ich hier unterrichtete, fiel mir schnell auf, dass die Kinder vom Stock abhängig geworden sind. Habe ich keinen in der Hand, halten sie es für unnötig, mir zuzuhören. Sie sind wie Gefängnissträflinge, die über die Stränge schlagen, sobald die Wächter außer Sichtweite sind.

Es ist also überraschend, dass die Kinder hier nur wenig grausamer und unbarmherziger sind als gleichaltrige Kanadier. Mir fiel auf, dass die Kinder hier häufig lügen, um die harten Strafen zu vermeiden. Hier wird nicht viel Wert auf „Gutes tun“ um „des Guten Willen“ oder auf die Verinnerlichung moralischen Denkens gelegt – die Moral wird durch den Stock bestimmt. Ich mache mir Sorgen, dass diese Externalisierung eine erste kleine Wurzel für Korruption sein könnte, nach dem Motto „wenn Du nicht erwischt wirst, war es auch nicht falsch.“

Erpressung – das lässt sich nicht beschönigen

Der Besuch einer öffentlichen Schule ist in Ghana nicht besonders angesehen. Die braun-orange Uniform kennzeichnet den Träger als arm, und die Qualität des Unterrichts lässt zu wünschen übrig. Die meisten arbeitenden Eltern schicken ihren Nachwuchs auf Privatschulen. Jeder will das Beste für sein Kind, das Problem sind die Gebühren! Die unsympathische Gestalt, die die Schule leitet, die mein Stiefsohn besucht, schickt ihn regelmäßig nach Hause wegen nicht oder zu spät bezahlter Gebühren. Die Briefe, in denen aufgelistet wird, was ich wann zu bezahlen habe, sind bar jeder Freundlichkeit. Es ist nicht ungewöhnlich, dass Schüler nach Hause geschickt werden, weil ihre Gebühren nur teilweise bezahlt wurden.

Wenn ein Kind kein Mittagstischgeld zur Schule mitbringt und man ihm ein Pausenbrot mitgibt, wird es nach Hause geschickt. Das Kind hat Mittagstischgeld zu bezahlen, auch wenn es nicht an diesem isst. Obwohl es Gerüchten zufolge kostenlose Schulspeisungen in den öffentlichen Schulen gibt, ist es oftmals die Mittagstischgebühr, die ärmere Eltern davon abhält, ihre Kinder auf öffentliche Schulen zu schicken.

Hausmeister – hier nicht

Die Schule, an der ich arbeite, kennt keine Hausmeister. Die Kinder kommen früh zur Schule, schauen auf dem Arbeitsplan nach, was sie zu tun haben, fegen Räume und Büros, bringen den Lehrern Wasser, ordnen die Schulbücher, putzen die Tafel, reinigen den Schulhof und sammeln den Müll auf.

Sie sind verantwortlich für die Sauberkeit ihrer Umgebung, und sie achten darauf, dass jeder seinen Beitrag dazu leistet. Obwohl manchmal kein Erwachsener in Sichtweite ist, geht es emsig zu wie in einem Bienenstock. Ich weiß, dass Sie gerade ungläubig den Kopf schütteln – ich sehe selbst nur verschwommen durch meine nordamerikanischen Augen, getrübt von Fassungslosigkeit. Wenn Kinder hier 13 sind, werden sie so mit Schulaufgaben und Hausarbeiten überschüttet, dass sie keine Zeit zum Durchatmen haben, bevor sie nicht 18 und heraus aus der „gefährlichen Teenagerzeit“ sind.

Den Mädchen ist es in der High School verboten, ihre Haare wachsen zu lassen. Ein Schulmädchen erkennt man sofort an ihren kurzen Haaren. Dadurch ist es für interessierte junge Männer sofort klar, von welchem Mädchen sie sich bis auf weiteres noch fernhalten müssen. Und so gibt es natürlich auch keine verunglückten Frisuren, Tage, an denen die Haare sich unmöglich bändigen lassen oder Tränen über zu teure Haarprodukte.

Obwohl ich glaube, dass die Briten ihr Schulsystem schon vor langer Zeit in dieser Hinsicht reformiert haben, entscheidet sich für die Ghanaer weiterhin das Leben in der 9. Klasse im Alter von 14 Jahren mit einer landesweiten Prüfung, der Basic Education Certificate Examination (BECE). Hier wird ausgelesen und wer nicht gut genug abschneidet, darf nicht in die High School. Diese sind hierarchisiert; die besten Schüler gehen auf die besten High Schools und Schüler mit weniger guten Ergebnissen kommen auf die schlechtesten. Wer durchfällt, kann entweder auf technische Schulen gehen oder seine Schulkarriere beenden.

High School – höhere Schicht?

Die High School trennt arm von reich. Sie ist bei Weitem teurer als normale private oder öffentliche Schulen und die meisten der Schüler leben dort im Internat. Richtig, die Internatskosten von Unterricht, Unterkunft und Verpflegung übersteigen das Budget vieler Eltern.

In Ghana kann man immer noch einen vernünftigen Job ohne High School-Abschluss bekommen. Wie in Nordamerika auch trennt allerdings dann die Universität endgültig die Besitzenden von den Mittellosen. Universitätsabgänger leisten erst einmal ein Jahr Zivildienst. Die, die ich kennen gelernt habe, hungerten irgendwo im Urwald und unterrichten dort für ein kümmerliches, oft zu spät ausgezahltes Gehalt. Man kann sich jedoch auch für den Militärdienst oder gelegentliche Büroarbeit für die Regierung entscheiden. Damit ist die Kindheit dann endgültig zu Ende, würde ich annehmen.

Dennoch frage ich mich, ob die Zehnjährige, die ich heute auf dem Marktplatz sah, sich selbst als Kind sehen würde. Fühlen sich die Neun-, Zehn-, Elfjährigen mit der Machete in der Hand auf den Feldern in den frühen Morgenstunden wie Kinder? Wie steht es um das siebenjährige Mädchen, das an der Schnellstraße kaltes Wasser auf ihrem Kopf balanciert und verkauft? Ich erblicke diesen winzigen Mensch und lasse meine Augen in alle Richtungen schweifen, ob nicht irgendjemand auf sie aufpasst, um zu verhindern, dass sie vielleicht in ein Auto gezogen oder verschleppt wird. Da war niemand.

Für die, die in größter Armut leben, gibt es keinen Zivildienst. Dabei sind es gerade diese jungen Menschen, die wortwörtlich die Arbeit der Nation täglich schultern, und das für wenige Cents. Diese Kinder gehen sofort ins Arbeitsleben über, sobald sie in der Lage sind, das Wechselgeld zusammenzuzählen. Sie sind überall.

In meinen Augen ist in Ghana heute der wichtigste Kampf der für die Rechte und das Wohlergehen armer Kinder. Spenden oder westliche Entwicklungshilfe ändern daran nichts, egal, wie großzügig sie sind. Die Erwachsenen hier müssen den Kampf aufnehmen. Es braucht eine Veränderung der Wertekultur, einen grundlegenden gesellschaftlichen Wandel – die schwierigste aller Veränderungen.

Fortsetzung folgt

Über die Autorin:

Zoë Ackah von der kanadischen Epoch Times hat ein Jahr im ländlichen Ghana verbracht. Während der vergangenen drei Monate hat sie ihre Gedanken und Erlebnisse in der Wochenzeitung „West African Journal“ veröffentlicht.

Text erschienen in Epoch Times Deutschland Nr. 32/08

(Zoë Ackah/The Epoch Times)
(Zoë Ackah/The Epoch Times)


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