Höflichkeit mildert die Stöße des Lebens

Von 16. Januar 2005

Der Bedarf an sogenannten „soft skills“ im Beruf steigt, aber auch im Privatleben legen mehr und mehr Menschen wieder mehr Wert auf gute Umgangsformen. Die richtigen Umgangsformen geben ein sicheres Auftreten im Beruf. Bücher und Schulungen, die den richtigen Schliff und Umgangsformen vermitteln, haben Hochkonjunktur, aneinigen Schulen wurde bereits ein Fach für Manieren eingeführt.

 

Der Begriff der soft skills beschreibt schlicht Moral und Charakterstärke, oder modern ausgedrückt „emotionale Intelligenz“. Das umfasst natürlich Vertrauenswürdigkeit, Einfühlungsvermögen, Teamfähigkeit und Selbstvertrauen.

 

Gutes Benehmen ist nicht auf die äußerlichen Regeln der Gesellschaft begrenzt, der Anfang und die Basis guter Umgangsformen liegt darin, an die andere Person zu denken. Was würde man an seiner Stelle als unangenehm oder angenehm empfinden? Dann findet man leicht heraus, was gutes Benehmen ist. Wenn manche das Wort „Knigge“ hören, denken sie an Manieren beim Essen und an verstaubte Sitten und Regeln, die veraltet sind. Als ich vor einigen Jahren ein Buch von Knigge in die Hand nahm, da sagte jemand zu mir: „Das ist völlig überholt, lies das lieber nicht.“ Dazu fällt mir heute ein Satz des Freiherrn ein: „Sei nicht zu sehr ein Sklave der Meinung andrer“.

 

Tatsächlich habe ich bei der Auseinandersetzung mit Knigges Benimmregeln festgestellt, dass viele seiner Denkansätze in der heutigen Gesellschaft dringend benötigt und auch gesucht werden. Einige der Regeln, die Knigge aufschrieb, besitzen Allgemeingültigkeit, z.B. diese kleine Auswahl hier:

1.“Halte streng Wort und sei wahrhaft“ 2.“Sich nicht auf den Mängeln anderer erhöhen“ 3.“Eigne Dir nicht das Verdienst anderer an“ 4.“Lass jeden seine Handlungen selbst verantworten, wenn Du nicht sein Vormund bist.“ Als ich über die Höflichkeit im Alltagsleben nachdachte, fiel mir auf, dass ich die Menschen, die mir nahe stehen, als selbstverständlich betrachte und nicht so höflich behandle wie manchen fremden Gast. Mich selbst behandle ich auch manchmal achtlos und lieblos. Wenn ich mich selbst schlecht behandle, fällt es mir auch schwer mich gut um andere zu kümmern und sie mit Höflichkeit zu behandeln. Meine Familie und Freunde, sogar auch völlig fremde Menschen mit einer grundsätzlichen Höflichkeit zu behandeln und zu respektieren bedeutet in meinen Augen, auch mich selbst angemessen wahrzunehmen.

 

Manche Formalitäten im Umgang sind sicherlich völlig unnötig, wenn man sich gut kennt und mag. Andererseits, Aufmerksamkeit und echte Höflichkeit, die aus dem Herzen eines Freundes kommen, sind auch für eine langjährige Freundschaft förderlich. Obwohl es manchmal nur Belanglosigkeiten sind, kann uns eine Kleinigkeit, an der man die Wertschätzung erkennt, den Tag verschönen. Das ist weder eine Frage von Geld, Zeit oder Fähigkeiten, man muss sich nur einen Augenblick lang in den anderen hineinversetzen. Der Aufwand ist klein, aber die Wirkung kann ausgezeichnet sein.

 

Toleranz ist ebenfalls eine Eigenschaft, die es sich anzueignen lohnt. Allgemein fährt man besser damit, wenn man zuerst davon ausgeht, dass der Mitmensch, der einem in der Bahn die Schirmspitze in den Rücken piekt, dies nicht absichtlich getan hat. Wenn ich jedes Mal Böswilligkeit voraussetze sobald ein anderer mir auf den Fuß tritt, dann mache ich mir selbst unnötig das Leben schwer. Mit vielen Regeln der Gesellschaft bin ich nicht vertraut, mit welchem Besteck beginne ich das Essen, wer geht zuerst die Treppe hoch etc., all diese Feinheiten beherrsche ich überhaupt nicht. Allerdings habe ich mir ein Buch zugelegt, das die aktualisierte Version von Knigge genannt werden kann, um mir dieses Wissen anzueignen, denn das, was der Freiherr im 18. Jahrhundert noch nicht ahnen konnte ist, es stört mich heutzutage wirklich nicht, wenn ein Mann einen Blick auf meine Fußknöchel werfen kann. Das gehört neben manchen Tischmanieren u.a. zu den Inhalten, die tatsächlich veraltet sind.

 

Das Erbe Knigges, das uns hinterlassen wurde, wie gegenseitige Rücksichtnahme, pünktlich, ordentlich und fleißig zu sein, „Nimm nicht Teil an fremdem Spotte“ u. a. alte, aber zeitlose Werte, tragen mit Sicherheit zum reibungslosen Miteinander im Alltag bei. Mit dem Grundsatz Knigges immer ein gutes Gewissen zu haben, fühlt man sich selbst mit Sicherheit am wohlsten und ist eine angenehme Gesellschaft für die private Umgebung und Arbeitskollegen. A. Schopenhauer hat es etwas salopp auf den Punkt gebracht mit dem Ausspruch „Höflichkeit ist wie ein Luftkissen, es mag wohl nichts drin sein, aber es mildert die Stöße des Lebens.“

 

 



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