Anne Will Talkshow über Lokführer- und Pilotenstreik: GdL wurde scharf kritisiert – zerstörerisch, verantwortungslos und unethisch

Von 23. Oktober 2014

Das fing ja (gar nicht) gut an bei der Talk-Show von Anne Will am Mittwochabend. Es ging um: „Lokführer und Piloten legen Deutschland lahm – Arbeitskampf oder Erpressung?“

Zunächst das Bild, das die Teilnehmer boten, das sprach schon Bände: Da saßen zwei sehr angespannte Herren – Gewerkschaftsführer – auf der linken Seite. Kein ehrenrühriger Beruf, oder? Nicht nötig, sich dafür verteidigen zu müssen.

Und ihnen gegenüber zwei joviale ältere Herren mit wohlmeinender Herablassung – sie schienen etwas vom Thema zu verstehen, aber sie waren nicht direkt involviert. Ein ehemaliger SPD-Politiker, der einst auch ein sehr angesehener Schlichter war, und ein ehemaliger Journalist vom ZDF, jetzt mit präsidialen Aufgaben in einem Wirtschaftsverband. Zwischen diesen Herren – entzückend anzuschauen – eine junge Wirtschaftsjournalistin.

In der Mitte die Moderatorin – das sah aber nur optisch so aus, denn moderierend war es nicht, was sie an Meinungen in ihre Blicke und Fragen packte, ganz klar gehörte sie zu den rechts sitzenden, ach so wohlmeinenden, „Anklägern“. Alle vier wollten Deutschland ja nur vor einer Wiederholung von Streiks im öffentlichen Bahn- und Flugverkehr bewahren.

Mit den Arbeitgebern bei der Bahn und der Lufthansa hatten sie noch am selben Tag telefoniert, so etwas klingt immer gut (!). Aber warum von der Bahn und der Lufthansa niemand gekommen – oder gar nicht eingeladen war – blieb im Verborgenen.    

Das waren die Gäste:

Claus Weselsky (Bundesvorsitzender der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer, GDL) – Ilja Schulz (Präsident der Vereinigung Cockpit) – Klaus von Dohnanyi (SPD-Politiker, ehemaliger Schlichter im Tarifstreit der Lufthansa) – Klaus-Peter Siegloch (Präsident des Bundesverbands der Deutschen Luftverkehrswirtschaft, BDL) – Kerstin Bund (Wirtschaftsredakteurin der "Zeit")

Die mitgebrachten Meinungen von Geiselhaft

So begann denn die Runde zunächst mit einer Art Aufarbeitung der mitgebrachten vorgefassten Meinungen, wie etwa von Frau Bund, es ginge Herrn Weselsky nur um Macht und dieser Arbeitskampf sei verantwortungslos und unethisch, weil ganz Deutschland zur Ferienzeit überrascht und in Geiselhaft genommen wurde. Ja, das war für viele ziemlich unangenehm und auch teuer. Aber gegen den Ausdruck Geiselhaft verwahrte Weselsky sich und seine Streikenden, das wäre ein Ausdruck aus der Terrorszene, mit der gegen seine Kollegen Stimmung gemacht würde.  

Klaus von Dohnanyi (SPD) legte los mit der Feststellung an die Adresse von Weselsky: „Was Sie hier betreiben ist unverantwortlich und zerstörerisch, es wäre gut, wenn Sie scheitern.“

Frau Will beharrte – in diesem Fall als Bahnkundin – auch immer wieder auf der Frage nach der rechtzeitigen Ankündigung von Streiks. Die Gewerkschafter wollten aber ihre künftigen Streit-Strategien nicht im Fernsehen offenbaren.

Mehr Talk als Gespräch mit allen schlechten Wünschen

Ein mühsamer Schlagabtausch mit nicht nachprüfbaren Behauptungen und vielen Details begann. Meistens mehr Show als Information und mehr Talk als Gespräch. Immer wieder Zahlenspiele, die kein Zuschauer nachprüfen kann. Auch war die finanzielle Fallhöhe zwischen den vertretenen Arbeitnehmern enorm – hier die Piloten mit Monatsgehältern bis 20.000 Euro und dort die Lokführer, die gern mal fünf Prozent mehr auf ihren Lohn von etwa 2.200 Euro hätten.

Von den Löhnen der Zugbegleiter wollte man gar nicht erst sprechen, nur dass Herr Weselsky auch diese Arbeitnehmer in Tarifverhandlungen vertreten will, das würde ihm sicher nicht gelingen und sollte es auch nicht, nach Meinung von Herrn von Dohnanyi (immerhin SPD). Außer Herrn Weselsky hat wohl auch keiner der Anwesenden je für solche Löhne gearbeitet, wie sie für diesen Job gezahlt werden.

Weichgeknetet waren die Herren Gewerkschafter am Ende nicht, trug doch Weselsky in seiner Jackentasche das Grundgesetz bei sich, das ihm und seinen Kollegen das Recht auf Vereinigung garantiert. Und Ilja Schulz konnte darauf verweisen, dass nicht die kleinen Gewerkschaften, die hier unter Beschuss standen, in den letzten Jahren die höchsten Kosten verursacht hätten, sondern "verdi" mit einem Streik des Sicherheitspersonals an Flughäfen.

Zuschauermeinungen pro und contra

Die Zuschauer hatten im Internet Blog von Anne Will schon ab 14 Uhr lange vor der Sendung sehr detaillierte Meinungen gepostet. Pro und kontra. Während und nach der Sendung äußerten sich einige ziemlich entsetzt über die spürbare Schieflage der Sendung.Wie die Zuschauer auf die Themen reagierten, kann man in 320 Blog-Einträgen nachlesen (Stand 14:44 am 22.10 bis 0:29 am 23. 10). HIER ANKLICKEN

Die Sendung im Internet: ARD Mediathek

Wiederholungen der Sendung:

Do, 23.10.14 | 21:02 Uhr tagesschau24

Fr, 24.10.14 | 02:55 Uhr MDR     



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