Orhan Pamuks Frankfurt
Er ist derzeit der wohl weltweit bekannteste türkische Autor. Orhan Pamuk erhielt am 23. Oktober in der Frankfurter Paulskirche den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels. Die Feuilletons feierten den 53-Jährigen, die „New York Times“ erklärte seinen bei Hanser erschienenen neuesten Roman „Schnee“ gar zum „besten ausländischen Buch des Jahres 2004“. In der Begründung des Stiftungsrates zur Verleihung des Friedenspreises hieß es: „Mit Orhan Pamuk wird ein Schriftsteller geehrt, der wie kein anderer Dichter unserer Zeit den historischen Spuren des Westens im Osten und des Ostens im Westen nachgeht.“
Orhan Pamuk erhielt den Friedenspreis in jener Stadt, die in seinem jüngsten Roman eine nicht unbedeutende Rolle spielt, ja, die sogar Schauplatz eines ganzen Kapitels ist, des Kapitels Nummer 29.
In Pamuks Geschichte reist der im Exil lebende Schriftsteller Ka von Frankfurt aus in die abgelegene westanatolische Kleinstadt Kars, wird Zeuge eines Militärputsches, kehrt nach Frankfurt zurück und wird im Bahnhofsviertel unter mysteriösen Umständen ermordet. Wenn auch das Städtchen Kars Hauptschauplatz des Romans ist, so taucht Frankfurt doch immer wieder auf. Und sei es, dass Ka seinen aschgrauen, dicken Wintermantel, den er im klirrend kalten Kars trägt, im Frankfurter „Kaufhof“ erstanden hat. Alles in allem ergeben die Frankfurt-Splitter ein eher düsteres Gesamtbild. Das Wetter ist verhangen, U-Bahnen erscheinen in der Finsternis wie „Gespenster“. In der Zentralen Stadtbücherei auf der Zeil trifft der Leser auf eine skurrile Mischung von Menschen, auf „Hausfrauen, Rentner, kichernde Schüler, …und das unvermeidliche Stammpublikum solcher Orte, extrem Fettleibige, Behinderte, Verrückte und geistig Zurückgebliebene“. Vergleichsweise leise, zarte Töne findet Pamuk mit seiner Schilderung des Zuhauses von Hans Hansen, einem für die Frankfurter Rundschau tätigen Journalisten. Er beschreibt die Bären und Fische auf dessen Gardinen…Eine biedere Welt und zugleich vielleicht nicht die Übelste.
Alle Orte sind authentisch. Wenn es auch die alte Moschee oder Kas Wohnhaus mittlerweile nicht mehr gibt. Orhan Pamuk kam vor etwa sechs Jahren nach Frankfurt. Er blieb zwei Tage, einen ganzen war er unterwegs mit Sener Sargut, der sehr genau Bescheid weiß um das Leben von Ausländern in der Stadt am Main. „Orhan Pamuk war sehr pingelig bei der Recherche“, erinnert sich Sargut. Die beiden zogen gemeinsam durch die Stadt, Pamuk sprach mit den Menschen, Sargut übersetzte. Sargut führte ihn unter anderem auch in die Moschee, damals eine unterirdische Welt für sich, über zwei Tiefgeschosse verteilt, mit Gemüseläden, einer Fleischerei, einer Bäckerei, einem großen Caféhaus, einem Barbier.
Sargut hat Jahre später ein zweites Mal exakt dieselbe Tour durch Frankfurt gemacht, nur dass dieses Mal der Frankfurter Fotograf Heiko Arendt an seiner Seite war. Arendts Vorhaben: Er wollte all jene Frankfurt-Orte, die in „Schnee“ eine Rolle spielen, im Bild festhalten. Für die Ausstellung „Orhan Pamuks Frankfurt“, die das Historische Museum im Kontext der Dauerausstellung „Von Fremden zu Frankfurtern. Zuwanderung und Zusammenleben“ anlässlich der Frankfurter Buchmesse zeigt.
Annette Wollenhaupt (pia)
„Orhan Pamuks Frankfurt“, 19. Oktober bis 8. Januar, Historisches Museum Frankfurt, Saalgasse 19, 60311 Frankfurt am Main, www.historisches-museum.frankfurt.de, Öffnungszeiten: Dienstag, Donnerstag bis Sonntag 10 bis 17 Uhr, Mittwoch 10 bis 20 Uhr.
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