Slumbewohner werden Unternehmer

Mikrokredit verleiht den Armen der Welt Menschenwürde und einen Ausweg
Titelbild
(Farjana K. Godhuly/AFP/Getty Images)
Von 5. März 2009

Als meine Frau und ich in unsere Theatersitze glitten, um „Slumdog Millionär“ zu sehen, machten wir uns auf eine Reise in städtische Armenviertel, in eine Welt, die auf dieser Erde von mehr als einer Milliarde Menschen bewohnt wird.

Die Kinobesucher hier im Filmtheater in dieser Nacht machten ihre Hoffnungen an einem chai wallah (Teeverkäufer) fest, der in der indischen Version von „Wer wird Millionär?“ zwanzig Millionen Rupien (cirka 309.000,00 €) gewinnt und den Schrecken der Armenviertel von Mumbai in Indien entgeht. Anders als sie wussten meine Frau und ich, dass es neuerdings tatsächlich einen Weg gibt, der nicht nur einem Filmhelden hilft, sondern mit dem mehr als 100 Millionen von den Ärmsten der Armen in der Welt beginnen, der tiefsten Verarmung zu entkommen.

Diese Gelegenheit ist keine Quizsendung, sondern es sind Mikrokredite – kleine Darlehen, um Geschäfte wie den Verkauf von Tortillas oder Mobiltelefon-Karten an Nachbarn zu eröffnen oder auszuweiten. Und wenn es einen Oskar dafür gäbe, Bettlern, Dieben, und Prostituierten zu helfen, einen würdevollen Weg aus den Armenvierteln zu finden, würde ich wissen, wo nach dem Sieger zu suchen ist.

Ich würde nicht im kühlen Dunkel eines Filmtheaters sondern in der hellen, heißen Sonne Nairobis suchen, wo man den Erfolg von Unternehmern, den Slumbewohnern der städtischen Armenvierteln sehen kann: die Slum-Unternehmer von Jamii Bora. Jamii Bora, was „gute Familien“ bedeutet, ist eine kenianische Mikrofinanzeinrichtung, die damit begann, vor zehn Jahren an fünfzig Bettlerfrauen Geld zu leihen. Heute hat sie mehr als 200.000 Mitglieder.

Einer jener Unternehmer ist Joyce Wairimu. Wairimu war eine der 50 Bettlerfrauen, die Jamii Bora zusammen mit der Gründerin Ingrid Munro 1999 ins Leben riefen. Munro nennt Wairimu eine der schnellen Kletterer aus der Armut. Wie schnell? In zehn Jahren hat Wairimu sechs Geschäfte gebaut, in denen 62 Menschen angestellt sind.

Unter den schnellen Kletterern ist auch Wilson Maina. Vor der  Jamii Bora war Maina ein Dieb, einer der am meisten gesuchten Verbrecher im Mathare Valley Slum. Er begann mit einem Darlehen von 20 US-$. Daraus hat Maina vier Geschäfte und ein neues Leben für sich selbst und seine Familie gemacht. Und nebenbei hat er damit Hunderte von Jugendlichen davon überzeugt, dass es möglich ist, aus den Verbrechen auszusteigen.

Munro bewies nicht nur, dass Mikrokredite den ärmsten aus den Armenvierteln helfen konnten. Sie beschloss, eine Stadt mit bescheidenen Unterkünften und Geschäftsräumen für ihre Unternehmer zu bauen.

„Der Traum eines jeden Armen ist es, aus den Armenvierteln heraus zu kommen,“ sagt Munro. „Es geht nicht darum, die Armenviertel zurecht zu flicken.“ Und am 30. Januar geschah genau das: die ersten 246 Familien zogen aus den Armenvierteln in die kürzlich geschaffene Stadt Kaputiei und fast 1.800 Familien folgten. Für denselben Betrag, den sie früher für ihre Einzimmerbaracken gezahlt hatten, lebt jetzt jede Familie in einem Haus mit zwei Schlafzimmern, einem Bad, einer Küche und einem Wohnzimmer. Das beruht auf einer extremen Subprime-Kreditgewährung, die nur funktioniert, weil zuerst drei Mikrogeschäftsdarlehen zurückgezahlt sein müssen, bevor eine Hypothek vergeben wird.

Der Anfang

Wo kommt die Fähigkeit von Munro her, Neuerungen einzuführen und sich dem herkömmlichem Denken im Mikrofinanzfeld zu widersetzen?

Es fing vor zwanzig Jahren an, als sie und ihr Mann drei Straßenkinder annahmen. Es war die fruchtbare Erde der Beziehungen von Munro und den Müttern der Freunde ihrer Söhne, über die ihre tiefen Einblicke gediehen. Diese Mütter waren Straßenbettlerinnen.
Munro ist eine schwedische Architektin und Städteplanerin, die bis 1999 beim African Housing Fund gearbeitet hatte. Als sie in den Ruhestand ging, dachte sie, dass sie sich auch von der kleinen Gruppe der Bettler-Frauen zurückziehen werde, mit denen sie bisher gearbeitet hatte. Aber als die Frauen sie inständig baten, sie nicht zu verlassen, war Munro bereit zu bleiben, bestand aber darauf, dass sie sich aus der Armut herausarbeiten müssten. Für Munro hieß das, sie mussten die Fähigkeit zum regelmäßigen Sparen entwickeln.

Sie ließ sie jeden Samstag mit ungefähr 50 US-Cents Ersparnis kommen. Wenn sie ihre 50 US-Cents ablieferten, gab sie jeder Frau zwei Kellen Getreide und eine Kelle Bohnen umsonst ab. Jetzt  gibt sie zu, dass sie die Frauen in den ersten zwei Monaten mit dem freien Getreide und den Bohnen zum Sparen köderte. Nach zwei Monaten waren die Säcke leer, aber die Bettlerinnen sparten weiter auch ohne die Köder Getreide und Bohnen.

Ein anderer Durchbruch von Munros Einsatz zeigt sich darin, dass alles Personal von Jamii Bora ehemalige Mitglieder sind, also selbst vorher mittellos waren.

Auf solche Weise und nicht durch die richtigen Antworten auf ein paar triviale Fragen im Finale einer Quizsendung wird der Kampf gegen die Armut gewonnen.

Der Sieg im Kampf gegen die globale Armut wird kommen, wenn wir begreifen, dass wir eine Antwort haben: die Mikrokredite. Fordern wir die politischen Kräfte auf, die Mikrokreditprogramme zu fördern, die verstanden haben, wie man die mittellosesten Menschen der Welt erreicht. Mikrokredite sind die Antwort, hinter der wir stehen.

Zum Autor:

Sam Daley-Harris ist Gründer der Mikrokreditgipfel-Kampagne, die sich zum Ziel gesteckt hat, 175 Millionen der ärmsten Familien mit dem Mikrokredit zu erreichen (www.microcreditsummit.org) und Gründer von RESULTS (www.results.org), das sich die Aufgabe gestellt hat, den öffentlichen und politischen Willen zu schaffen, um die Armut zu beenden.

Erschienen in The Epoch Times Deutschland Nr. 9/09 Englische Version: http://www.theepochtimes.com/n2/content/view/12716/

(Farjana K. Godhuly/AFP/Getty Images)
(Farjana K. Godhuly/AFP/Getty Images)


Kommentare
Liebe Leser,

vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.

Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.

Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.


Ihre Epoch Times - Redaktion