Uwe Seeler: „Popularität war nie ein Grund abzuheben“

„Uns Uwe“ wurde 70 – Fußballkarriere mit Abrackern, Ehrlichkeit und Fairness
Titelbild
Uwe Seeler beim Fußballländerspiel Deutschland gegen Irland am 9. Mai 1970 in Berlin. (Foto: AP Photo/Klaus Schlagmann)
Von 17. November 2006
Uwe Seeler beim Fußballländerspiel Deutschland gegen Irland am 9. Mai 1970 in Berlin. (Uwe Seeler beim Fußballländerspiel Deutschland gegen Irland am 9. Mai 1970 in Berlin. (Foto: AP Photo/Klaus Schlagmann)

Uwe Seeler galt in seiner aktiven Zeit als einer der besten Mittelstürmer der Welt. „Uns Uwe“ ist das Stürmeridol mehrerer Generationen und viele erinnern sich noch gern, wie der kleine Seeler höher sprang als seine meist größeren Gegner und mit seinen Kopfballtoren das Publikum begeisterte. Es sind die vielen Kopfball-Torpedos und Drehschläge, die ungewöhnlichen Treffer per Fallrückzieher, die Tore mit dem Rücken oder mit dem Oberschenkel, mit denen er sich für immer in die Herzen der Zuschauer schoss.

Angesichts des Trubels um seinen 70.Geburtstag will es Uwe Seeler künftig etwas langsamer angehen lassen. „Ich bin froh, dass es jetzt erst einmal etwas ruhiger wird“, sagte der Ehrenspielführer der Fußball-Nationalmannschaft am Montag anlässlich eines Empfangs des Hamburger Senats und der Bürgerschaft der Stadt. So viel Aufregung um seine Person sei ihm eigentlich gar nicht so lieb. Seeler ist am 5. November 70 Jahre alt geworden.

Trotz seiner bis heute ungebrochenen Popularität ist „der Dicke“ immer bescheiden geblieben. Er ist einer aus dem Volk, einer von uns und er selber sagt „Popularität war nie ein Grund abzuheben“. Er ist ein Stück Hamburg genauso wie Hans Albers oder die Reeperbahn. „Uns Uwe“ snackt so, wie ihm der Schnabel gewachsen ist, und das kam nicht nur an der Elbe gut an. Seeler ist sein eigenes, nicht rastendes Fußballerdenkmal. Auch noch 34 Jahre nach dem Ende seiner Sportlerkarriere gilt er als Symbol für Leistung, Ehrlichkeit, Bodenständigkeit und Fairness. Er ist noch immer eine der populärsten Fußball- Persönlichkeiten und in all den Jahren ohne Skandal ausgekommen. Ein Sportler, für den Fußball auch Abrackern, Fleiß und kämpferischen Einsatz bedeutet und nicht nur Geld kassieren.

Fallrückzieher und Flugkopfbälle zwischen Kriegtrümmern

Uwe Seeler beim Weltmeisterschaftsspiel gegen Argentinien am 16. Juli 1966 in Birmingham (0:0). Links der Argentinier Jose Albrecht. (Uwe Seeler beim Weltmeisterschaftsspiel gegen Argentinien am 16. Juli 1966 in Birmingham (0:0). Links der Argentinier Jose Albrecht. (Foto: AP Photo/Stf)

Uwe Seeler wurde am 5. November 1936 in Hamburg geboren. Schon in sehr jungen Jahren übte er auf einem Trümmergrundstück Fallrückzieher und Flugkopfbälle. Sein Vater, „Old Erwin Seeler“, arbeitete im Hamburger Hafen als Schutenführer und war ebenfalls ein sehr guter Fußballer. Er war das Vorbild von „Uns Uwe“; er galt als Haudegen und es geht die Legende, er habe sogar noch mit einer gebrochenen Wade gespielt. Von ihm lernte er, sich durchzubeißen und nicht gleich zu jammern, wenn er mal etwas abgekriegt hatte. Auch sein Bruder Dieter spielte beim HSV.

1946 wurde Uwe in die Knaben-Mannschaft des Hamburger SV aufgenommen. Nach seiner Schulzeit machte er eine Lehre als Speditionskaufmann und musste dort bis elf Uhr hart arbeiten. In einem Interview mit „Welt.de“ sagte er: „ … aber glauben Sie nicht, meine Eltern hätten mich dafür bedauert. Einmal, da kam ich nach Hause und habe gesagt, ich hätte auf der Arbeit eine Ohrfeige von meinem Chef bekommen. Da sagte meine Mutter nur: Dann hast du sie wohl verdient. So was prägt.“

Die Treue zum HSV

Mit 16 Jahren spielte er zum ersten Mal in der Ligamannschaft des HSV und dank einer Sondergenehmigung des DFB war Uwe Seeler von diesem Zeitpunkt an dauerhaft in dieser Mannschaft spielberechtigt. Sein erstes Tor schoss er am 29. August 1954 im Spiel gegen den VfB Oldenburg. Ein gutes Jahr nach seinem ersten Einsatz in der Ligamannschaft folgte bereits sein erster Einsatz in der Nationalmannschaft. 1958, bei seiner ersten WM-Teilnahme in Schweden, wurde er mit dem deutschen Team Vierter.

Unvergessen auch sein Tor 1960 im Spiel gegen Westfalia Herne, als er im Sitzen noch zum Ball hinrutschte und diesen dann doch noch irgendwie zum 2:1 über die Linie brachte. Im selben Jahr wird er mit seinem HSV deutscher Meister, Fußballer des Jahres und Torschützenkönig. Als ihm Inter Mailand 1961 ein für die damalige Zeit unglaublich hohes und verlockendes Angebot von 900.000 Mark Handgeld (mit einer Ablöse von 1,5 Mio. Mark) macht, lehnt „Uns Uwe“ dankend ab und bleibt lieber seinem HSV treu. Unglaublich, denn der DFB hatte damals den Höchstsatz für den Verdienst eines Fußballspielers auf 400 Mark pro Monat festgelegt. 1962 spielte er bei der WM in Chile und schied mit der Deutschen Mannschaft im Viertelfinale gegen Jugoslawien durch ein Gegentor in der 86. Spielminute aus. Der Trainer damals war Sepp Herberger.

Der Torschützenkönig

1963 schlägt der HSV im DFB-Pokalfinale Borussia Dortmund mit 3:0. Seeler wird an diesem Tag nicht nur Pokalsieger, sondern schießt auch gleich alle drei Tore selber. 1964 wird Seeler mit 30 Treffern erster Torschützenkönig der neu gegründeten Bundesliga. Als er sich am 20. Februar 1965 durch einen Achillessehnenriss beim Spiel in Frankfurt schwer verletzt, prognostizieren ihm die Ärzte das Ende seiner Karriere. Doch Seeler gibt nicht auf, beißt sich durch und spielt wieder Fußball. Am 26. September 1965 kehrt er in die Nationalelf zurück und schießt Deutschland mit seinem Tor zum 2:1 gegen Schweden zur WM 1966 nach England. Später sagt er über dieses Tor, es sei das allerwichtigste Tor seiner Karriere gewesen, weil ihm viele kein Comeback mehr zugetraut hatten. In England wird das Team um Kapitän Seeler nach dem umstrittenen „Wembley-Tor“ jedoch „nur“ Vize-Weltmeister.

1970 folgt seine vierte und letzte WM-Teilnahme, wo er in der Gluthitze von Mexiko beim Viertelfinalspiel gegen England nach einem 0:2-Rückstand ein spektakuläres Tor mit dem Hinterkopf zum 2:2 Ausgleich erzielte. Es gelang ihm, sich bei allen vier WM-Turnieren in die Torschützenliste einzutragen, eine Leistung, die außer ihm nur noch Pelé erreichte.

1970 wurde er zum dritten Mal nach 1960 und 1964 „Fußballer des Jahres“ und bestritt am 9. September sein letztes Länderspiel in Nürnberg gegen Ungarn. In den 72 Länderspielen, die er absolvierte, traf er 43 Mal das Tor.

Abschied vom Profi-Fußball

Am 1. Mai 1972 nahm „Uns Uwe“ vor 70.000 Zuschauern im Hamburger Volksparkstadion beim Spiel des HSV gegen eine Weltauswahl Abschied vom Profi-Fußball. Bis zu dieser Zeit schoss er über 1.000 Tore für seinen Hamburger Sport Verein. Er erhielt in seiner langjährigen Laufbahn nur eine einzige Rote Karte.1972 wird ihm das große Bundesverdienstkreuz verliehen, und er wird zum Ehrenspielführer der deutschen Nationalmannschaft ernannt.

Nach seiner Zeit als aktiver Sportler arbeitete Seeler erfolgreich als Inhaber einer Bekleidungsfirma und Repräsentant für einen Sportartikelausrüster. Vom 5. Oktober 1995 bis zum 30. Juni 1998 war Uwe Seeler Präsident des HSV. Die bitteren Erfahrungen aus dieser Präsidentschaft, als Finanzskandale und sportliche Misserfolge den HSV heimsuchten, haben ihn mittlerweile gegen jegliches Amt immun gemacht – so enttäuscht war er von seinen damaligen Weggefährten, die ihn hintergangen hatten.

Der heutige Wohlstand hat nicht nur Vorteile

Denkt der Kämpfer und Fleißarbeiter Seeler aber an den Fußball von heute und an so manche Spieler, dann platzt ihm der Kragen: „Ich akzeptiere, dass der Fußball zum Geschäft, zur Erlebniswelt geworden ist. Das ist ein Spiegelbild der Gesellschaft. Aber der Wohlstand hat nicht nur Vorteile“. An der heutigen Kickerszene bemängelt Seeler, dass den Profis von den Klubs zu viele Dinge abgenommen würden und die Fußballer zur Unselbstständigkeit erzogen werden. Er verurteilt, dass Spieler Verletzungen vortäuschen oder heucheln; von neuen Herausforderungen sprechen, anstatt klar zu sagen, dass es ihnen ums Geld geht.

"Uns Uwe" vor seinem Denkmal, einem überdimensionalen Fußabguss. ("Uns Uwe" vor seinem Denkmal, einem überdimensionalen Fußabguss. (Foto: Nadine Rupp/Bongarts/Getty Images)

Trotz seiner tatsächlichen Körpergröße von 1,69 Meter war der Mann mit der Nummer 9 ein Riese auf dem Platz. Er ist ein Star ohne Starallüren, eine Ausnahmeerscheinung und großes Vorbild im Sport. Er und Ex-Kanzler Helmut Schmidt sind die Vorzeigehamburger der Nachkriegszeit. Es war ohne Frage eine Ehre, zu den 680 geladenen Gästen seiner Geburtstagsfeier im riesigen, luxuriösen VIP-Zelt vor der AOL-Arena zu gehören. Die Prominenz aus Politik, Wirtschaft und Unterhaltung war erschienen, um „Uns Uwe“ die Hand zu schütteln.

Danke, Fußball! – Danke, Uns Uwe!

Dort, vor der AOL-Arena, steht auch ein Uwe-Seeler-Denkmal; eine 2,5 Tonnen schwere überdimensionale Bronzeskulptur seines rechten Fußes. Seit 1959 ist Uwe Seeler mit seiner Frau Ilka verheiratet. Auch sie war früher Sportlerin beim HSV und spielte Handball. Trotz aller Verdienste und Auszeichnungen ist der „Dicke“ stets normal geblieben. Er ist sich seiner sozialen Verantwortung bewusst und gründete die „Uwe-Seeler-Stiftung“, durch die Menschen unterstützt werden, die infolge ihres körperlichen, geistigen oder seelischen Zustandes auf die Hilfe anderer angewiesen sind.

2003 veröffentlichte er seine Autobiografie „Danke, Fußball!“. Im selben Jahr wurde er als bisher einziger Sportler zum Ehrenbürger seiner Heimatstadt Hamburg ernannt. Alles Gute, Uwe!

 



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