Zu viele Sachen im Kopf, um zu schlafen

Berlins Jung-Designer und früherer Graffitti-Sprüher Oliver Kray will mehr
Titelbild
(Foto: www.oliverkray)
Epoch Times17. Oktober 2007

Im Prinzip, sagt Oliver Kray, sei er nicht in einem guten Bezirk aufgewachsen. Nämlich in Berlin-Moabit. Da hilft es auch nichts, dass die Touristenmassen heute in Scharen dort hinkommen, um den Knuddel-Eisbären Knut im Berliner Tiergarten zu bewundern. Seine Jugendzeit sieht er recht dogmatisch. „Es hieß entweder Scheiße bauen oder sprühen“ – „Sprayer sagt niemand, einem Sprüher geht es nicht um Anarchie, sondern darum, Akzeptanz zu erlangen – das Schönste für einen Sprüher ist es, ein schönes Bild gemalt zu haben, dann kann er ruhig schlafen.“ Dass er durch das „Sprühen“, so der unter den Graffiti-Künstlern gebräuchliche Ausdruck, gegen das Gesetz verstoßen hat, weiß Kray. „Ich habe früher kriminelle Handlungen gesetzt“. Aber: „Jeder Mensch weiß, was gut ist und was böse. Diejenigen, die sich dem Schlechten zuwenden, wissen das auch, machen sich aber zuwenig Gedanken“.

An seinen ersten Auftrag denkt der in Bad Langensalza in Thüringen geborene 26jährige schon fast mit der gelassenen Wehmut eines Alten zurück, der auf ein Leben voller Erfahrung zurückblickt. Er sei noch immer Stolz darauf, damals 150 D-Mark für das Besprühen eines Schuhladens bekommen zu haben „und ein paar Nike-Schuhe“. Weiße natürlich, denn zu dieser Farbe hat der Jung-Designer eine besondere Beziehung. „Weiß ist eine schöne Farbe, weil sie hell ist und klar.“. Er habe auch immer gerne weiße Schuhe getragen – „da das die Füße größer macht“. In seiner Arbeit kombiniert er Weiß mit „seinen“ Farben Pink, Türkis, Lila und Orange. „Früher“, so der Berliner beinahe abgeklärt, habe er sehr bunt gearbeitet, habe das aber zurückgeschraubt. „Ich komme aber vom Bunten nicht weg“. Das erste Möbelstück, das er im Dezember 2006 aus Reststoffen gebaut hat, bestand wieder aus diesen Farben. „Irgendwie komme ich immer wieder auf meine gleichen Farben -in Kombination mit Weiß.“ Seinen Stil und was ihm gefällt, beschreibt er als „das klare und Schlichte mit einem Akzent“. Das zieht sich auch durch seine Kleidung und seine Wohnung, die schlicht eingerichtet ist und den besonderen Touch von einer bunten Schüssel erhält.

Seinen ersten Auftrag vollbrachte Oliver Kray für einen Schuhladen. (Seinen ersten Auftrag vollbrachte Oliver Kray für einen Schuhladen. (Foto: Oliver Kray)

„Als ein Freund von der S-Bahn überfahren wurde, dachte ich: Was bringt das alles?“

Er sprüht jahrelang, bis er 20 Jahre alt ist, und das sehr intensiv. Gleichzeitig arbeitet er aber immer an Aufträgen und verliert dadurch nie den Bezug zur Realität. Dann führt der tragische Tod eines Freundes zum Umdenken. „Ich habe aufgehört, weil ein Freund von der S-Bahn überfahren wurde“. Damals stellt sich der 18jährige Oliver die Sinnfrage: „Was bringt das alles, nur Fame (Anm. d. Ruhm)?“. Er entschließt sich, das Abitur nachzmachen und geht zum Zivildienst nach Paderborn, raus aus der großen Stadt, weg von der Szene. Er arbeitet fürs Jugendamt und betreut Kinder, bis es ihn zu einer weiteren Ausbildung zurück nach Berlin zieht. Beim Lette-Verein fängt er eine Ausbildung zum Modedesigner an. Die Gründe dafür sind denkbar einfach. „Ich habe mir gedacht ich mache Mode, da es da nicht viele Männer gibt, auch wegen der hübschen Frauen.“ Nun die traurige Nachricht für die Damenwelt – vor gut einem Jahr hat der gutaussehende Jungdesigner eine Frau gefunden, die akzeptiert, dass sie nach seinem Beruf die Nummer Zwei ist. Kray ist mit einer Russin liiert, die in London wohnt und deren Eltern in Spanien leben. Eine ganz normale Globalisierungsbeziehung also? „Wir sehen uns alle zwei Wochen, sie akzeptiert, was ich mache. Sie ist aus Russland, ich bin auch sehr interessiert an ihrem Kulturkreis. Heute muss man international denken“.

Eines der wichtigsten Ereignisse im Leben des Oliver Kray ist eine Modenschau und Vernissage seiner eigenen Werke im Heinz-Nixdorf-Museum in Berlin im Jahr 2003. Eineinhalb Jahre arbeitet er nur auf diesen Abend hin. Als es dann soweit ist, bricht er fast zusammen. Gut, dass er das nicht wirklich tut, denn der Geschäftsführer der Glasmanufaktur „Leonardo“ ist auch da – und prompt bekommt der noch unbekannte Oliver einen Auftrag: „An dem Abend ist mir klar geworden, dass ich noch viel mehr Kraft und Möglichkeiten habe.“ Seither glaubt er daran, dass egal, was man machen möchte, wenn man hart daran arbeitet und fest daran glaubt, es auch klappt.

„Die Sendung mit der Maus hat mir immer gefallen“

Es gibt noch sehr viele Dinge, die der Berliner machen und bearbeiten will. Woher das kommt? Schon als Kind habe ihm die „Sendung mit der Maus“ gefallen. Dass ihm die Ideen für seinen privaten Mäusestall ausgehen könnten, kann er sich nicht vorstellen. „Ich werde wohl nie fertig werden mit meiner Einrichtung. Es gibt viele Produkte, die bei unterschiedlichen Freunden lagen“, meint Kray. Der Tagesablauf des Arbeitswütigen sieht wie folgt aus: „Ich muss früh raus, ich kann nicht schlafen, habe zuviel im Kopf, der Tag hat nun mal nur 24 Stunden.“ Zur Zeit beschäftigt er sich mit einer Wintersuite in München, wo er zusammen mit dem Lichtdesigner Andreas Witt – den er noch aus dem Nixdorf-Museum kennt – zusammenarbeitet. Die über neun Tage dauernde Veranstaltung findet in einem von den beiden völlig neu gestalteten Gebäude statt. Die beiden bauen alles neu, Möbel, Teppiche, Beleuchtung.

Was seine Freunde über ihn sagen würden? Dass er hektisch sei – „das liegt auch am Alter“ – sehr akribisch und nachdenklich. Wenn es darauf ankäme, könne er andere mitziehen. Freundlich sei er, nicht weil man´s muss, das käme bei ihm von innen. Und manche Dinge überlege er zehn Mal.

„Ich kann Leute nicht belügen“

Dass er seine Mitarbeiter nicht schlecht behandelt, ist durchaus auch Selbstzweck. „Ich will in Ruhe schlafen können“. Erst wie man sich benimmt, wenn man sauer ist, zeigt, wie sehr man sich um seine Mitarbeiter bemüht, so das Credo des Jung-Designers. An Selbstbewusstsein fehlt es dem jungen Mann nicht, er glaubt an den Weg vom Tellerwäscher zum Millionär. „Man kann es auch ohne Geld schaffen“, ist er überzeugt. Dabei sei Mut gefragt, Selbstbewusstsein sehr wichtig, viele aus höheren Schichten haben oft höheres Selbstbewusstsein, aus niedrigem eher geringeres – trotzdem ist alles möglich. Aus seiner eigenen Erfahrung möchte er den Leuten Selbstbewusstsein geben. „Ich habe den Drang, Leuten zu zeigen, dass wenn man fleißig ist und sich anstrengt, man etwas schaffen kann.“

Soziales Engagement für die Jugend

Für viele Jugendlichen wären schlechte Noten gleichbedeutend damit, mit ihrem Leben nichts anderes mehr machen zu können. Er beschäftigt sich stark mit erfolgreichen Menschen, die klein angefangen haben. „Ich bin dafür, sich Vorbilder zu nehmen. Wenn man Vorbilder hat, baut man sich erst eine eigene Erfolgsgeschichte auf, dann weiß man, wo man steht“. Glaubt er ans Schicksal? „Alles, was man macht hat Auswirkungen auf die Zukunft, ob Sie sitzen, stehen oder anrufen. Es gibt so etwas wie ein Prinzip von Aktion und Reaktion. Wenn man immer bei Rot über die Ampel fährt, wird man geblitzt“.

Phillip Starck und Karim Rashid als Vorbilder

In zehn Jahren ein komplettes Hotel aufbauen, in dem von Architektur bis zur Zahnbürste alles von ihm gestaltet ist, das ist sein Ziel. Das er nicht für so abwegig hält: „Phillip Starck und Karim Rashid haben es auch geschafft. Darauf arbeite ich hin.“ Früher war es für ihn wichtig, einen Zug zu besprühen. Vor dem Disco-Besuch besprühte er immer einen Zug, die Disco war Belohnung. Auch heute kaufe er nur ein Kleidungsstück, wenn er einen Auftrag beendet habe. „Ich frage mich auch immer, was ich wirklich brauche.“ Kray sagt von sich selbst, ehrliche Freude zu empfinden, wenn jemand sich einsetzt und dafür belohnt wird. Persönlich sind ihm „Hardcore Business-Leute“, die nur aufs Geld aus sind, suspekt. „Glücklicherweise, wenn man weiß was man will, wird man auch nur zu solchen Leuten kommen“, ist er überzeugt. „Wenn Du schleimst, dann kommt das auch zurück“.

„Warum schreibt niemand eine Mail an einen Friseur in Australien?“

Was in seinem Nachruf stehen soll? „Einer, der sich sozial engagiert hat, ich unterstütze Schulen, wenn ich etwas sehe, versuche ich auch zu helfen. Ich möchte als positives Beispiel gelten für den Weg von der Vision zur Realisierung, und glaub an Dich. Glaub an Dich, egal wie hart es ist.“ Der „No-Future“-Generation will der Selfmade-Designer vermitteln, dass sie die ganze Welt vor sich hat. „Niemand kommt auf den Gedanken, das auch zu nutzen. Warum schreibt niemand eine Mail an einen Friseur in Australien?“ Er selbst sei einmal allein nach Seoul geflogen und dort zur Industrie- und Handelskammer gegangen, ohne Anzug nahm ihn dort niemand ernst. Die Erfahrung will er aber auf keinen Fall missen. Er ist zwar erst 26, aber die Zeit sei doch immer zu kurz. Denn: „Sie kennen mein Ziel, da komme ich nicht hin, wenn ich herumtingle…“

Das Gespräch führte Florian Godovits



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