Die Verlage und das Self-Publishing

München (dpa) - Das Schreiben war für Poppy J. Anderson eigentlich immer ein Hobby. Mit 13 oder 14 bekam sie eine Schreibmaschine, dann ging es los. Dass man damit Geld verdienen kann, so sagt sie, sei ihr damals gar nicht in den Sinn gekommen…
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Poppy J. Anderson hat Erfolg.Foto: Amazon.de GmbH/dpa/dpa
Epoch Times22. April 2015
Das Schreiben war für Poppy J. Anderson eigentlich immer ein Hobby. Mit 13 oder 14 bekam sie eine Schreibmaschine, dann ging es los.

Dass man damit Geld verdienen kann, so sagt sie, sei ihr damals gar nicht in den Sinn gekommen. Heute gehört die 32-Jährige, die nicht wirklich Poppy heißt, zu den erfolgreichsten Schriftstellern in Deutschland. Hunderttausende haben ihre Bücher gelesen, die Titel tragen wie „Make Love und spiel Football“, „Knallharte Schale – Zuckersüßer Kerl“ oder „Küss mich, du Vollidiot“.

Veröffentlicht hat sie die Liebesgeschichten rund um US-Football-Spieler und Cheerleader im Selbstverlag – bei Kindle Direct Publishing von Amazon, dem größten Self-Publishing-Anbieter auf dem Markt. „Ich habe das, als ich damit angefangen habe, nur probeweise hochgeladen“, sagt die Autorin aus Essen im Interview der Deutschen Presse-Agentur in München. „Ich habe auch gar nicht damit gerechnet, großartig Bücher zu verkaufen.“

Ein Trugschluss: Im November 2012 lud sie ihr erstes Buch hoch, zweieinhalb Jahre danach, im März dieses Jahres, schaffte sie es nach Amazon-Angaben als erste deutsche Autorin auf eine Million im Selbstverlag verkaufte Bücher.

3,49 Euro kosten die meisten ihrer Bücher auf der Plattform derzeit. Und da Autoren dort 70 Prozent davon bekommen, dürfte die junge Frau gutes Geld mit ihren seichten Liebesgeschichten verdient haben. Ihre Promotion hat die Historikerin inzwischen zurückgestellt – zumindest für dieses Jahr noch. „Das ist mit den Büchern so gut gestartet, dass ich gesagt habe: Ich lasse die Promotion noch ruhen.“

Die 32-Jährige, die unter dem weiteren Pseudonym Alexandra Graham historische Liebesromane aus dem London des 19. Jahrhunderts schreibt, steht für ein Phänomen, das die Verlagslandschaft in Deutschland ziemlich auf den Kopf gestellt hat. „In Deutschland geht man inzwischen von mehr als 70 000 Autoren aus, die einmalig oder regelmäßig im Self-Publishing Inhalte verbreiten“, sagt der Professor für Verlagsmanagement an der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur in Leipzig, Alexander Grossmann, kurz vor dem Welttag des Buches an diesem Donnerstag (23. Februar).

Sein Kollege Heiko Hartmann fügt hinzu: „Self Publishing entwickelt sich zu einem dramatischen Konkurrenten und stellt das alte Geschäftsmodell der Verlage allgemein infrage. Dort gibt es Honorare, die kein Verlag bieten kann.“ Für Claudia Paul, die Sprecherin des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels, ist das eine „sehr spannende Entwicklung auf dem Buchmarkt“.

Sensationserfolge wie die Sado-Maso-Reihe „50 Shades of Grey“, die Autorin E.L. James, auch erstmal im Selbstverlag als E-Book unter die Leute brachte, bevor ein Verlag aufmerksam wurde, sind das beste Beispiel: Es geht auch ohne Lektorat und professionelle Verlagsvermarktung. Die ganz großen Erfolge seien aber noch eher die Ausnahme, sagt Paul.

Die Genres, die nach Angaben der beiden Leipziger Experten auf Self-Publishing-Plattformen am meisten vertreten sind: Krimis und Thriller, Fantasy-Romane und Gegenwartsliteratur. „Etwa ein Viertel schreibt Sachbücher sowie Kinder- und Jugendbücher“, sagt Grossmann und zitiert eine Studie aus dem Jahr 2013. Lediglich 15 Prozent der Befragten hätten darin angegeben, Fachbücher zu publizieren.

„Durch das Self Publishing werden Bücher veröffentlicht, die es anders nie auf den Markt geschafft hätten“, sagt Hartmann. Die Qualität sei durchaus wechselhaft, die Fehlerquote mangels Lektorat hier und da relativ hoch. „Der Flaschenhals, den ein Verlag darstellt, fehlt.“

Ein Blick auf Plattformen wie eben Kindle Direct Publishing von Amazon, Wattpad oder Epubli zeigt: Vom Autor selbst veröffentlichte E-Books sind derzeit in der überwältigen Zahl noch Bücher, die sich der Literaturfreund vielleicht nicht unbedingt in gedruckter Fassung – und für Besucher sichtbar – ins repräsentative Bücherregal gestellt hätte.

Dazu passt auch ein bisschen, dass die Akademikerin Poppy J. Anderson ihren richtigen Namen bislang nur unter ihren wissenschaftlichen Publikationen lesen wollte – und nicht im Zusammenhang mit dem Titel ihrer Romane. „Nicht, weil ich mich schäme, sondern weil der akademische Zirkel einfach ein wenig anders tickt.“

Verlagsexperte Hartmann sieht heute noch einen deutlichen Unterschied zwischen dem Angebot auf den einschlägigen Plattformen und dem der alteingesessenen Verlage. Er glaubt aber auch, dass sich das noch ändern wird. „Ich bin davon überzeugt, dass die Schnittmenge, die im Moment noch relativ gering ist, größer wird“, sagt er. Den Niedergang der deutschen Literatur sieht er nicht herannahen. „Ich bin überzeugt, dass es auch weiterhin Bücher gibt, an denen auch ein Marcel Reich-Ranicki seine Freude gehabt hätte.“ Der Büchermarkt, davon ist Hartmann überzeugt, werde sich aber weiter ausdifferenzieren.

Einige Verlage wollen nicht tatenlos auf diesen Moment warten und haben Vorkehrungen getroffen. Der Verlag Droemer Knaur hat inzwischen mit Neobooks eine eigene Plattform für die Selbstvermarktung – ebenso der Carlsen Verlag. Bastei Lübbe hat Bookrix gekauft. „Diese Verlage sind Vorreiter“, sagt Hartmann. Denn das Self Publishing könne auch eine Chance für die Verlage sein – als „Autorengewinnungsinstrument“ und kostenlose Marktforschung. Poppy J. Anderson verkauft die ersten drei Bände ihrer Footballer-Reihe inzwischen auch als gedruckte Bücher bei Rowohlt.

(dpa)

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