Kolumne vom Freischwimmer: Finn-Louis und das Einfühlungsvermögen

Finn-Louis ist noch jung. So jung, dass er noch nicht das Teenager-Alter erreicht hat. Trotzdem musste er in seinem jungen Leben schon viele furchtbare Sachen erleben.
Titelbild
Danke „Trainer H“ und danke „Trainer M“!Foto: Jan Woitas/dpa
Von 28. Juni 2020

Er wurde als Kleinkind von seinen drogensüchtigen Eltern schwer misshandelt, gequält und noch viel abscheulichere Sachen wurden ihm angetan.

Es gab Gerichtsbeschlüsse und die Polizei musste ihn mit Gewalt aus der Wohnung der geistesgestörten Eltern befreien.

Daraufhin wurde er in einer Wohngruppe bei Pflegeeltern und Erziehern untergebracht, die sich seitdem liebevoll um ihn kümmern und die ihm Vertrauen und Geborgenheit geben.

Dies erfordert ein Höchstmaß an Engagement, um einem derart schlimm traumatisierten Kind wieder einen sichern Halt im Leben geben zu können.

Eine von den geeigneten Maßnahmen ist, Finn-Louis nach und nach eine Anbindung ans normale Leben zu ermöglichen. So wurde er – seinen Interessen entsprechend – in einem Fußballverein angemeldet. Bereits beim ersten Training musste sein Erzieher den beiden Trainern sagen, dass Finn-Louis – anders als die anderen Jungs – nicht bei seinen Eltern, sondern in einer Wohngruppe lebt.

Nach ein paar Trainingseinheiten wurde schnell klar, dass sich der Junge gut in die Mannschaft einfügen kann und dass er sogar mit seinem fußballerischen Talent eine Bereicherung für das Team darstellt.

Dann kam es so, wie es kommen musste, und für die neue Saison wurde ein Mannschaftsbild geknippst welches auf der Vereinsseite veröffentlicht wird. Finn-Louis durfte nicht mit auf das Foto, obwohl er nun ein fester Bestandteil der Mannschaft ist. Per Gerichtsbeschluss ist es nämlich strengstens untersagt ihn auf Bildern abzulichten, die dann veröffentlicht werden – und sei es auch nur auf der Vereins-Webseite. Zu sehr befürchten die Richter, dass ihn seine wahnsinnigen Eltern „finden“ könnten und ihm dann wieder etwas Furchtbares antun würden…

… und so liefen nun alle Jungs des Fußball-Teams gut gelaunt und mit einer Bank ausgestattet auf den Rasen des ortsansässigen Vereins und posierten im schönsten Sonnenschein fröhlich für das neue Mannschaftsfoto. Dabei hatten wirklich alle Spaß – vor allem als der Fotograf das Wort „Ameisensch…“ herausposaunte.

Aber einer hatte keinen Spaß.

Finn-Louis musste abseits stehen bleiben und dabei zusehen, wie die anderen sich freudig und unbekümmert durch die Haare strichen, um auch wirklich gut auf dem Foto auszusehen.

Betrübt schaute er gelegentlich zu ihnen hinüber und tat dabei so, als wäre er gerade jetzt sehr mit einem Ball beschäftigt. Wieder einmal stand er in seinem Leben nur daneben und musste dabei zuschauen, wie andere – zu denen er jetzt eigentlich auch gehörte – aufs Foto durften … und er nicht.

Traurig!

Selbst seinem Erzieher, der hinter der Bande am Spielfeldrand stand, wurde bei dieser Szene sehr schwermütig ums Herz. Dabei dachte er daran, das Finn-Louis nun wieder einmal „bestraft“ und „ausgegrenzt“ wird, wofür er eigentlich gar nichts kann.

Bedrückt und gedankenverloren stand der Mann am Spielfeldrand und wusste nicht so recht wie man Finn-Louis in dieser Situation helfen könnte. Dabei beobachtete er, wie einer der Trainer eine kurze Anweisung gab. Ein Junge, der ganz vorne auf der Bank saß, stand danach auf und stellte sich in die hintere Reihe zwischen die anderen Jungs. Danach rief der Trainer Finn-Louis zu sich, schnappte ihn und setzte ihn auf den gerade frei gewordenen Platz.

Dann wurde noch ein Foto geschossen.

Der Erzieher am Spielfeldrand war verwirrt; hatte er doch den Trainern ausdrücklich gesagt, dass der Junge nicht mit auf Fotos sein darf, die veröffentlicht werden.

Doch gleich nach dieser erneuten Foto-Aktion kam der Trainer zum Erzieher gelaufen und sagte: „das zweite Foto haben wir nur für Finn-Louis gemacht. Das wird zwar nicht veröffentlicht, aber nun hat er auch eins für sich, welches er über sein Bett hängen kann, damit er sich nicht so ausgegrenzt fühlt“.

Der Erzieher war sprachlos.

So viel Einfühlungsvermögen und Fingerspitzengefühl hatte er an dieser Stelle nicht erwartet. Doch der Trainer zwinkerte nur kurz und wandte sich dann wieder den Jungs zu.

Diese machten auf dem Rasen ein Testspiel und Finn-Louis schoss das Tor zum 1:0.

Nach dem Spiel rannte der Junge zu seinem Erzieher und berichtete stolz und glücklich, wie er das Tor für sein Team erzielt hatte. Ganz nebenbei – und natürlich ganz zufällig – kam dann einer der Trainer dazu. „Hier Finn-Louis, das ist ein neuer Trainingsanzug für dich. Der passt meinem Sohn nicht …“

Es ist mir hier und heute ein großes Anliegen; ja sogar eine Herzensangelegenheit, „Trainer H“ und „Trainer M“ einmal öffentlich für ihr Fingerspitzengefühl und ihr Einfühlungsvermögen zu danken. Da die Herren wahrscheinlich nicht wissen, dass die Epoch Times viele Leser im ganzen Land hat, werden sie diese Kolumne vielleicht nie lesen. Eventuell kann man dies bedauern – aber dieser Text steht auch stellvertretend für die vielen, vielen anderen Trainer in unserem Land, die mit Menschlichkeit und ihrem guten Herz solchen Jungs wie Finn-Louis eine bessere Integration in bereits bestehende Strukturen ermöglichen.

Diese kleinen Gesten der Güte machen unsere Gemeinschaft ein kleines bisschen lebenswerter.

Es sind die kleinen Dinge im Leben, die bei Jungs wie Finn-Louis eine große Wirkung hinterlassen.

Danke „Trainer H“ und danke „Trainer M“.

„Was ein Mensch an Gutem in die Welt hinausgibt, geht nicht verloren“. (Albert Schweitzer)

UND

„Die Güte des Menschen wiegt schwerer als ein Gesetz des Königs“. (Alter, chinesischer Spruch)

Ahoi

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