Liebe, Sex oder beides? Sibylle Bergs neuer Roman

München (dpa) - Eine Beziehung von fast 20 Jahren auf dem Buckel. Chloe und Rasmus. Ein Paar, das sich vielleicht viel zu gut kennt. Der Sex ist nicht gerade überwältigend, die Rollen sind klar verteilt und Wünsche nicht gelebt. Aber dann kommt…
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Dahinter steckt immer ein kluger Kopf: Sibylle Berg auf der Buchmesse Leipzig.Foto: Jens Kalaene/dpa
Epoch Times7. April 2015
Eine Beziehung von fast 20 Jahren auf dem Buckel. Chloe und Rasmus. Ein Paar, das sich vielleicht viel zu gut kennt. Der Sex ist nicht gerade überwältigend, die Rollen sind klar verteilt und Wünsche nicht gelebt.

Aber dann kommt: „Der Tag, als meine Frau einen Mann fand“. Der Titel des neuen Romans von Sibylle Berg markiert den Punkt, an dem die Geschichte dieser Ehe eine Wende nimmt. Was macht die Dreier-Konstellation mit dem Paar?

Die 52 Jahre alte deutsch-schweizerische Autorin, Dramatikerin und „Spiegel“-Kolumnistin ist bekannt dafür, dass sie keine Schönfärberin ist und nicht lange um den „heißen Brei“ herumredet. Davon kann sich der Leser auch im neuen Roman überzeugen. Nichts für Zartbesaitete.

Die Bedürfnisse der Protagonisten – häufig die sexuellen – werden nach außen gekehrt. Blank, simpel. Der Roman ist eine Art Ping-Pong-Spiel der Innensichten von Chloe und Rasmus. Kein Erzähler, kein Kitt – nur die beiden. Frau gegen Mann. Ein Kampf um jeden Meter.

Er, Ende 40, ein verkannter Theaterregisseur auf dem absteigenden Ast. Sie, die Frau, die ihrem Mann den Rücken stärkt. Der Ausgangspunkt: Afrika. Rasmus will ein Theaterprojekt auf die Beine stellen, aber es kommt nicht in die Gänge. Chloe ist von dem schäbigen Hotelzimmer angewidert und resümiert: „Scheißidee, sage ich heute.“ Aber dann trifft sie Benny und verliebt sich in ihn. Chloe will Rasmus nicht verlieren, doch jetzt gibt es nur noch den neuen Mann.

Lieben sich Chloe und Rasmus nach den vielen Jahren noch? Das ist die große Frage, die beide immer wieder umtreibt. Sie kennen sich genau, haben für sich so ziemlich alle Fragen der Beziehung durchgespielt. Es ist eine gewisse Einsamkeit und Belanglosigkeit, die Berg sehr genau skizziert. Das zeigt sich zum Beispiel an den Titeln der Sequenzen, aus denen der Roman besteht. Etwa: „Chloe stellt sich tot“ oder „Chloe denkt über Sex nach, während sie Sex hat.“

Es ist auch viel Hass, ja ein gewisses Angewidertsein, im Spiel. Das können unbedeutende Dinge sein: Rasmus nervt es, dass sich Chloe nicht merken kann, dass er von chinesischem Essen Magenschmerzen bekommt. Vor allem aber sein berufliches Scheitern bringt eine Schieflage. Chloe: „Über Rasmus nachdenken heißt versuchen, den Grund seines Misserfolges zu finden. Immer wieder.“ Und sie erinnert sich an den Start der Beziehung: „Vom Beginn fehlte in der Verliebtheit zu Rasmus jenes Moment, da man sich tödlich im anderen auflösen will, rasend vor Eifersucht auf seine Bettwäsche ist.“

Und da ist dann noch Rasmus‘ Mutter aus Finnland. Lumi ist eine Frau, die ihrem Sohn einen Pulli mit Rentier-Motiv gehäkelt hat, das Paar finanziell unterstützt und ständig zu Besuch kommt. Der Störfaktor also. Keiner tut was, um etwas zu ändern. Chloe über Rasmus, als seine Mutter anruft: „Sein Mund öffnet sich leicht, und seine Stimme rutscht in die Höhe. Rasmus wird zum Kind.“

Die Protagonisten teilen mit dem Leser viele Gedanken, springen häufig von einem Thema zum anderen. Das gibt viel Aufschluss über die Figuren, ist an mancher Stelle aber auch ermüdend.

Nach dem gescheiterten Theaterprojekt ist das Paar wieder zurück in Europa – und Benny kommt hinterher. Danach gerät so ziemlich alles aus den Fugen. Und die besten Passagen des Romans beginnen.

Sibylle Berg: Der Tag, als meine Frau einen Mann fand, Carl Hanser Verlag, 19,90 €, ISBN 978-3-446-24760-4

(dpa)

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