Prinz Besserwisser: Charles mischt sich gern ein
„Es tut mir leid, dass ich so ausführlich schreibe“, heißt es da am 8. September 2004, nachdem der heute 66-Jährige sich drei Seiten lang über die Sorgen von Schafzüchtern, die Förderung lokaler Produkte und die Ausrüstung der britischen Luftwaffe ausgelassen hat. Ist das private Korrespondenz, die keinen etwas angeht? Oder soll ein Thronfolger und künftiger König zu solchen Themen schweigen?
Volle zehn Jahre lang hatte der liberale „Guardian“ für die Herausgabe der Briefe gekämpft, im März hatte schließlich das höchste britische Gericht entschieden. Auf den ersten Blick ist der Inhalt vor allem: langweilig. Es sei denn, man interessiert sich im Detail für nachhaltigen Fischfang oder die Nutzung leerstehender Gebäude.
Der Prinz versuche lediglich, seine herausgehobene Position zu nutzen, um zu helfen, so stellt sein Büro es am Mittwoch dar. Dank seiner mehr als 600 Termine pro Jahr habe er einen einzigartigen Blickwinkel auf bestimmte Themen.
„Wenn diese Briefe in Ordnung sind, warum hat die Regierung dann Hunderttausende Pfund über zehn Jahre ausgegeben, um sie geheim zu halten?“, fragt dagegen der Monarchiegegner Graham Smith von der Organisation „Republic“. Ihn stört vor allem die Heimlichtuerei. „Jeder hat das Recht, Briefe an Minister zu schreiben“, räumt er ein.
Allerdings sollen die britischen Monarchen laut – ungeschriebener – Verfassung politisch neutral sein, weil sie nur so alle Teile der Gesellschaft repräsentieren können. Noch ist Charles lediglich Anwärter auf den Thron. Doch aller Voraussicht nach wird er einmal König sein. Schafft er es dann, zur Neutralität zurückzukehren? Oder wird er ein ganz anderer Monarch, als Königin Elizabeth II. (89) es derzeit ist? Was diese Woche für Woche und seit über 60 Jahren mit Großbritanniens Premierministern hinter verschlossenen Türen bespricht, weiß allerdings auch niemand.
Dass Charles seine Meinung kundtut, auch wenn er nicht gefragt wird, sind seine künftigen Untertanen seit vielen Jahren gewohnt. Meist sind die Themen Landwirtschaft und Tierhaltung, Gärtnern, Naturschutz, Architektur, alternative Heilmethoden – und auch mal Politik.
1984 zum Beispiel wurden die Pläne für einen Anbau an die Londoner Nationalgalerie geändert, nachdem der Thronfolger die ursprüngliche Idee mit einem „monströsen Geschwür auf dem Gesicht eines sehr geliebten und eleganten Freundes“ verglichen hatte. Schon damals wurden solche Eingriffe als undemokratisch kritisiert.
Stunden vor der Veröffentlichung ist Charles noch recht entspannt in London unterwegs. Journalistenfragen nach seinem Gemütszustand ignoriert er und kommentiert diese schlicht mit: „Sehr vorhersehbar“. Seine Pressereferentin zeigt sich etwas gereizter und lässt einen Reporter nicht zum Prinzen, stibitzt ihm sogar den Schaumstoff-Mantel seines Mikrofons. Hat der Palast etwas zu befürchten? Der große Skandal blieb am Mittwoch jedenfalls aus.
(dpa)
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