Selfies als beachtenswerte kulturelle Praxis

Marburg (dpa) - Arm ausstrecken, lächeln, klick - fertig ist das Selfie. Nun das digitale Selbstporträt per Smartphone an Freunde versenden oder auf Facebook posten und allen mitteilen: Das bin ich, das mache ich, hier bin ich! Millionen Menschen…
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Auch in Indien sind Selfies beliebt.Foto: Sanjeev Gupta/dpa
Epoch Times22. April 2015
Arm ausstrecken, lächeln, klick – fertig ist das Selfie. Nun das digitale Selbstporträt per Smartphone an Freunde versenden oder auf Facebook posten und allen mitteilen: Das bin ich, das mache ich, hier bin ich! Millionen Menschen weltweit präsentieren sich so, auch an Blitzlicht gewöhnte Promis.

Höchste Zeit also, finden Wissenschaftler, das Selfie-Fieber zu analysieren. Denn das sei „nicht einfach nur irgendein vorübergehender Hype der Netzkultur, sondern eine beachtenswerte kulturelle Praxis“.

So sehen es Medienwissenschaftler der Universität Marburg in Hessen, die an diesem Donnerstag und Freitag (23./24. April) einen internationalen Kongress veranstalten, um Herkunft, Bedeutung und weitere Entwicklung der Schnappschüsse zu diskutieren.

„Selfies gibt es ja schon länger“, sagt Jens Ruchatz, Medienwissenschaftler und Mitorganisator der Tagung. Doch erst seit etwa 2012/2013 seien sie ein viel beachtetes Medienphänomen. Laut einer US-Medienpsychologin sind digitale Selbstbildnisse unter dem Namen Selfie erstmals 2004 im Internet aufgetaucht.

„Zur Popularität hat sicherlich auch beigetragen, dass es das Oxford Dictionary zum Wort des Jahres 2013 gemacht hat, sowie das „Oscar-Selfie“ – dass also Stars diese Praxis übernommen haben“, sagt Medien-Professor Ruchatz. Dieses Bild, auf dem sich Hollywood-Stars wie Julia Roberts, Brad Pitt und Jennifer Lawrence knubbeln, teilte die Internetgemeinde millionenfach.

Bislang gebe es nur wenige Forschungsarbeiten zum Thema, sagt Ruchatz. Deshalb soll es bei der Konferenz, zu der fast 30 Wissenschaftler unter anderem aus Kanada, Israel und Italien erwartet werden, erst einmal um Grundlegendes gehen.

Etwa: Sind Selfies einfach nur eine neue Form des Selbstporträts? „Man kann natürlich Selbstporträts als Vorläufer betrachten“, meint Ruchatz. „Aber haben Selfies wirklich noch etwas damit zu tun? Es geht hier weniger um ein gültiges Bild einer Persönlichkeit als um den Akt der Kommunikation, indem ich das Bild und meine Erfahrungen unmittelbar mit anderen teile.“

Eine andere Frage wäre: Sind die Eigen-Fotos nur etwas für Selbstdarsteller? „Typisch ist es, ein neues Medium erst einmal zu pathologisieren“, sagt Ruchatz. „Selfies sind dann der Ausdruck von Narzissmus und Selbstverliebtheit. Das gibt es natürlich auch. Aber meiner Meinung nach haben Selfies als breites Phänomen erst einmal nichts mit Narzissmus zu tun. Sie werden ja häufig beiläufig gemacht – und ich lasse damit Menschen an meinem Leben teilhaben.“

Und das wohl noch eine ganze Weile: Das Phänomen werde länger bleiben, meint der Marburger Forscher. Aber: „Selfies werden sich wie viele andere Internetphänomene eher normalisieren. Eine Frage wird sein, ob es so experimentierfreudig bleibt.“

(dpa)

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