Semperoper Dresden: Altus Matthias Rexroth begeistert in „L’impresario delle Canarie/Sub-Plot“

Titelbild
Schrilles Outfit, aber delikate Gesangkultur: Als "Impressario von den Kanarischen Inseln" versucht Altus Matthias Rexroth (li.) die Diva "Dorina", alias Christel Loetzsch (re.), zu bezirzen.Foto: Semperoper Dresden / Matthias Creutziger
Von 6. Juli 2014

Unter dem komplizierten Titel „L’impresario delle Canarie/Sub-Plot“ brachte die Semperoper in Dresden ein Stück von Giovanni Battista Martini auf die Bühne, das einst als Intermezzo – die leichte Pausenunterhaltung für Zwischendurch – gedacht war. Die italienische Komponistin Lucia Ronchetti komponierte eigens für die Aufführung „Sub-Plot“ – ein weiteres Stück im Stück, dass die Heiterkeit des klassischen Werkes mit ebenso großer musikalischer Kreativität, aber auch inhaltlichem Ernst kontrastierte.

Duell der Diva und ihres Managers in Spe

Die Handlung des „Impresario“ thematisiert den Opernbetrieb seiner Entstehungszeit (Uraufführung 1744): Ein Herr, der sich als Agent eines neugebauten Opernhauses auf den kanarischen Inseln ausgibt, umgarnt eine Sängerin: Oberflächlich möchte Nibbio ihre Stimme engagieren, doch untergründig hat er noch ganz andere Absichten … Die Diva Dorina reagiert darauf gespalten – einerseits lockt sie die Aussicht auf Geld und Karriere, andererseits will sie den Schleimbolzen einfach nur loswerden. Nach ausgiebigem Hin und Her kommt es zum Vertragsabschluss.

Die Semperoper spielte das kleine Juwel auf Original-Instrumenten und auch szenisch mit viel Liebe zum 18. Jahrhundert, in einer Inszenierung von Axel Köhler und einem Bühnenbild von Arne Walther.

Semperoper gräbt „Intermezzi“ aus

„L´Impresario“ ist Teil einer Serie von Intermezzi, die in der vergangenen Spielzeit gestartet wurde und bereits eine andere Vertonung des gleichen Librettos gezeigt hatte: „Dorina e Nibbio“ von Domenico Sarro. Nächstes Jahr soll von der zeitgenössischen Komponistin Lucia Ronchetti eine komplette Neuvertonung des Librettos von Pietro Metastasio folgen, das seinerzeit ein Knüller war und von vielen Komponisten bearbeitet wurde.

Perfekte Unterhaltung bei gleichzeitigem musikalischem Feinschliff bot die Aufführung der Semperoper am 1. Juni 2014. In der Koproduktion mit dem Opernhaus Halle spielten Mitglieder des Händelfestspielorchesters Halle unter Felice Venanzoni die mit musikalischen Gags gespickte Partitur. Falsche Anschlusstonarten, verhagelte Reprisen und übertriebene Starallüren der Sänger komponierte Martini, der eigentlich ein seriöser Kirchenmusiker war, hier mit voller Absicht. Mit viel Witz und pointierten Details musizierten Venanzoni und sein Ensemble und bereiteten den Solisten eine wahre Spielwiese, um ihre Rollen auszukosten.

[–Fulminante Sänger–]

Das war erstens die selbstbewusste Dorina von Christel Loetzsch, die einen koloraturensicheren, warmen und gestochen scharfen Mezzosopran mit auftrumpfender Leidenschaft verband. An einigen Stellen musste sie szenische Gemeinheiten bewältigen wie pointiertes Husten mitten in einer Arie – all das gelang ihr virtuos und bei perfektem Aussehen.

Matthias Rexroth schoss den Vogel ab

Mit großer Pose und ausladendem Kostüm (Design von Frauke Schernau) betrat Matthias Rexroth alias Nibbio die Szene – der vermeintlich weltgewandte Kavalier offenbarte noch viel größere Allüren als die von ihm hofierte Diva. Diese präsentierte Rexroth, einer der weltbesten Altisten, jedoch so sängerisch vollendet, dass man nicht genug von seinen Schiffchen und Grillen-Arien bekommen konnte: Mit müheloser Leuchtkraft, niemals forcierend, mit schwärmerischen Piani und der Fähigkeit zu subtilsten Modulationen in jeder Tonlage, kostete er seine ironische Partie mit ihren teilweise dadaistischen Texten genüsslich aus. Dass er seine Wortbehandlung und Präzision auch noch mit szenischen Herausforderungen synchronisieren konnte (er jonglierte abwechselnd mit Kerzenständern, Schreibzeug, Perücken-Puder und einem imaginären Floh) zeichnete ihn als Sängerdarsteller aus. Und so spielten er und seine Bühnenpartnerin sich auf einer Augenhöhe die Bälle zu und begeisterten das zahlreich erschienene Publikum in der Dresdener Semperoper.

Sub-Plot“ – ein surrealer Traum mit Kontrafagott

In die Heiterkeit des „L´ Impresario“ schob sich das magisch dunkelblaue Zwischenstück:

„Didone Abbandonata“ war die Opera seria, zwischen dessen Akten Metastasio Intermezzo zum ersten Mal gezeigt wurde – und so knüpfte auch Lucia Ronchettis „Sub-Plot“ an die Geschichte von Dido und Aeneas an. Der Zuschauer glaubte in den Figuren ein Spiegelbild der Protagonisten von eben zu erkennen: Statt Dorina kam Norma Nahoun als zerbrechliche Dido auf die Bühne gegeistert, ein überirdisch filigraner, lyrischer Sopran. Ihre Partner waren jetzt zwei Baritone: Der wehmutsvolle „Enea“ von Pavol Kubán war ein Doppelgänger des Dirigenten (!), der rücksichtslos fiese Iarba des stimmgewaltigen Julian Arsenault erinnerte an den aufgedonnerten Nibbio.

Das tonal komponierte Stück bezog seinen Reiz aus der Reduziertheit seiner Mittel: In nächtlich surrealer Stimmung summten die Solisten abwechselnd zwischen ihren Kantilenen – und auch die Orchestermitglieder gaben zur Unterstützung streckenweise den Summchor. Die Attraktion jedoch war das abgründige Knarzen eines nachgebauten, barocken Kontrafagotts.

(Foto: Matthias Creutziger / Semperoper Dresden)



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