Experte: Medien an ihrer Vertrauenskrise selbst Schuld

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Die Medien machen längst ihr eigenes Weltbild, in dem sich viele Menschen nicht mehr wieder finden: So erklärt Politologe Thomas Meyer die aktuelle Vertrauenskrise.Foto: Sean Gallup/Getty Images
Epoch Times4. Juni 2015

Gibt es noch Meinungsvielfalt, oder ist die deutsche Medienlandschaft schon völlig gleichgeschaltet? Medienkritik der differenzierteren Art äußerte am 2. Juni Thomas Meyer auf Telepolis. Zur Veröffentlichung seines Buches „Die Unbelangbaren“ gab er ein sehr lesenswertes Interview, in dem er konstatierte: Der Ruf „Lügenpresse“ sei zwar etwas zu laut und zu schrill, aber "die große Meinungsvielfalt in der deutschen Presse ist Geschichte".

Meyer ist emeritierter Professor für Politikwissenschaft, sowie Chefredakteur und Mitherausgeber der Zeitschrift "Neue Gesellschaft/Frankfurter Hefte". Er sieht vor allem drei Punkte, an denen eine fundierte Medienkritik heutzutage ansetzen sollte:

Verzerrt, selektiv und politisierend

Erstens neigen die Medien „in ihrem Ringen um Aufmerksamkeit oft zu einer verzerrenden und oberflächlichen Wiedergabe politischer und gesellschaftlicher Ereignisse“ und lieferten „in vielen Fällen ein schiefes Bild“, das „unter anderem nach Unterhaltungskriterien verzerrt ist“, so Meyer.

Zweitens seien Medien mittlerweile sehr stark gesellschaftlich selektiv: „Bestimmte Themen, zum Beispiel soziale Fragen wie Armut, Ungleichheit, Exklusion, das Leben und Leiden der unteren Klassen, kommen in ihrer Berichterstattung praktisch nicht mehr vor.“

Der dritte Punkt sei, dass Medien versuchen, politisch mitzumischen. Dies sei bei der letzten Bundestagswahl oder bei den Angriffen auf den ehemaligen Bundespräsidenten Wulff zu beobachten gewesen: „Wir können beobachten, wie die Alphajournalisten versuchen, politische Rollen zu spielen und auf die Machtpolitik direkt einzuwirken.“

Diese drei Punkte hält Meyer „für eine demokratische Öffentlichkeit (…) sehr belastend.“

Medien pflegen „Illusion“

Meyer sagt: „Wenn Menschen Massenmedien konsumieren und dann plötzlich sehen, wie unterschiedlich das, was die Medien berichten, im Vergleich zu ihren eigenen lebensweltlichen Erfahrungen ist, dann spüren sie irgendwann, dass ihnen die Medien ihr eigenes Weltbild vorführen. (…) Die über Jahrzehnte erfolgreich gepflegte Illusion der medialen Wirklichkeit als Abbild der realen Welt zerfällt. Immer wieder erkennen Menschen: Vieles, was die Medien zeigen, ist verzerrt, oft irreführend, eben eine mediale Konstruktion.“ Dadurch könne leicht „ein generalisierendes Misstrauen“ entstehen, so Meyer. „Und genau diese Situation ist derzeit zu erkennen“.

Noch bis vor 20 Jahren gab es gravierende Meinungsunterschiede und politische Richtungsunterschiede zwischen verschiedenen Medien. In den letzten 15-20 Jahren habe sich jedoch „eine Uniformität in der Berichterstattung entwickelt, die es zuvor in dem Ausmaße nicht gegeben hat.“ Wechselseitige Kritik der Journalisten untereinander finde nicht mehr statt, „Journalisten orientieren sich nur noch an dem, was andere Medien bringen“, so der Meyer.

In den Medien sei „heute sehr stark ein (…) aufstiegsorientiertes oder neubesitzbürgerliches Milieu vorzufinden“, so Meyer. Ein Milieu, zu dem laut soziologischen Analysen auch die Journalisten selbst gehören, weshalb sie einen Journalismus produzieren, „der die eigenen ökonomischen Interessen, auch die in seiner vorherrschenden Weltsicht, immer wieder deutlich zum Ausdruck bringt“.

Auch hätten die Journalisten Angst, selbst ihre Jobs zu verlieren: „Sie sind hochgradig verunsichert und suchen mehr als je zuvor den Schutz der Herde unter den wachsamen Augen der Alphajournalisten und einiger Vorturner. Von dem auf diese Weise erzeugten Mainstream abzuweichen, wagen nur noch wenige“, so Meyer. (rf)

Quelle: Heise.de



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