Die Wandervögel streichen – Von Rudolf Baumbach
Die Wandervögel streichen
Der Schnee zerrann, es schmolz das Eis,
Die Bäume stehen schleierweiß
Gleich festgeschmückten Bräuten;
Das Eichhorn springt und turnt gewandt
Auf maiengrünen Eichen.
Es zog der Frühling in das Land,
Es zieht der Schuster seinen Draht,
Sobald der Morgen dämmert.
Beim Lämpchen hockt er abends spat
Und sticht und picht und hämmert.
Was schafft die kluge Meisterhand?
Bergschuhe ohnegleichen.
Es zog der Frühling in das Land,
Die Wandervögel streichen.
Und bist du klug, so machst du’s wie
Die lust’gen Wandervögel:
Die Tür ist auf, entflieh, entflieh,
Und spanne deine Segel!
Pfahlbürger mag durch Staub und Sand
Zum Kegel schieben schleichen, –
Es zog der Frühling in das Land,
Die Wandervögel streichen.
Und willst du mich, so nimm mich mit
Als Reisekameraden,
Wir ziehn in gleichem Schritt und Tritt
Auf grad und krummen Pfaden
Und jauchzen von der Felsenwand,
So weit die Stimmen reichen:
Es zog der Frühling in das Land,
Die Wandervögel streichen!
Rudolf Baumbach (1840 – 1905)
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