Erinnerung und Hoffnung – von Karl August Förster

Aus der Reihe Epoch Times Poesie – Karl August Förster, geboren in Naumburg, war Professor „der deutschen Sprache und Litteratur und der Moral“ im „Cadettencorps“ zu Dresden. Er arbeitete auch als Übersetzer, unter anderem von Dantes und Petrarca.
Titelbild
Und bevor der lieben Sonnen letzter Schimmer hier geronnen, tagt es dort im Osten schon.Foto: iStock
Von 22. April 2023

 Erinnerung und Hoffnung

Was vergangen, kehrt nicht wieder;

Aber ging es leuchtend nieder
Leuchtet’s lange noch zurück.
In der Abendröte Strahlen,
Die dir deinen Himmel malen,
Lächelt dir ein neues Glück.

Wenn, was ist, das Herz dir quälet,
Denke nicht, dass alles fehlet,
Blicke froh nach Abend hin,
Wo in lichten Wolkenräumen
Der Erinn’rung Blumen keimen,
Süßer Trost dem weichen Sinn.

Dass das Herz nicht ganz verzage,
Schimmern seiner guten Tage
Engel da im heitern Licht
Weihen Blumen ihm und Kränze,
Teure Zeichen alter Lenze,
Und die Blumen welken nicht.

Und bevor der lieben Sonnen
Letzter Schimmer hier geronnen,
Tagt es dort im Osten schon.
Und dem Lichte weicht die Trübe,
Und die Boten neuer Liebe
Grüßt entzückt der Erde Sohn.

Also gab dem kurzen Tage,
Dass der Mensch ihn gern ertrage,
Einen Trost der Vater mit.
Segnend strahlt von zweien Seiten,
Durch das Dunkel ihn zu leiten,
Heller Glanz dem Menschenschritt

Abendröte, Morgenröte!
Wenn das Schicksal zu mir träte
Und mich fragte ernsten Blicks
„Sohn, was hast du dir erlesen,
Freud’ an dem, so einst gewesen?
Oder Hoffnung künft’gen Glücks?

Sieh, ich spräch: Lass mich nicht wählen!
Keines darf im Leben fehlen,
Soll das Leben Leben sein: –
Nicht mit seinem milden Flimmer
der Erinn’rung Abendschimmer,
nicht der Hoffnung Morgenschein!

 

Karl August Förster (1784-1841)

 



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