Ferien – Von Emanuel Geibel

Aus der Reihe Epoch Times Poesie - Gedichte und Poesie für Liebhaber
Titelbild
Ich sehe, wie die Rinder grasen, Der Storch durchs Ried hochbeinig stelzt, und schimmernd sich das Mühlrad wälzt.Foto: iStock

Ferien

Am Waldhang überm Wiesengrunde

Wie ruht sich’s gut zur Mittagstunde,
Wenn nur mit sanftem Hauch der Wind
Durchs Laub der Wipfel flüsternd rinnt!

Hier, vor der Welt und ihren Sorgen
Im Schoß der Einsamkeit geborgen,
Genieß‘ ich endlich frei von Zwang
Den langentbehrten Müßiggang.

Da saugt mein Leib aus Luft und Sonne
Des Daseins reinste Pflanzenwonne,
Indes der Geist zu freiem Spiel
Ins Blaue flattert ohne Ziel.

Doch träum‘ ich nicht von Ruhmeskränzen,
Von Sternen mehr, die täuschend glänzen,
Den Jüngling lockten solche Höhn,
Dem Alten deucht das Nächste schön.

Ich hör‘ im Forst den Jäger blasen,
Ich sehe, wie die Rinder grasen,
Der Storch durchs Ried hochbeinig stelzt,
Und schimmernd sich das Mühlrad wälzt.

Auch kommt mir bei der Wipfel Wogen
Bisweilen noch ein Reim geflogen,
Der, wie die Seele schweift und sinnt,
Zum Liede still sich weiter spinnt.

Doch nur für mich. Im Marktgedränge
Wer horcht‘ auch auf die leisen Klänge?
Mein Bestes gab ich, gönnt mir’s nun,
Im Grünen spielend auszuruhn.

Emanuel Geibel  (1815 – 1884)



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