Kornrauschen – Von Ferdinand Avenarius

Aus der Reihe Epoch Times Poesie - Gedichte und Poesie für Liebhaber
Titelbild
Leis, ganz leis nur hallt das und verschwebt, wie im Korn sich Traum mit Traum verwebt, in ein Summen wie von Orgelklingen, grein ihr Danklied die Gemeinden singen.Foto: iStock

Kornrauschen

Bist du wohl im Kornfeld schon gegangen,

Wenn die vollen Ähren überhangen,
Durch die schmale Gasse dann inmitten
Schlanker Flüsterhalme hingeschritten?
Zwang dich nicht das heimelige Rauschen,
Stehn zu bleiben und darein zu lauschen?
Hörtest nicht den aus den Ähren allen
Wie aus weiten Fernen Stimmen hallen?
Klang es drinnen nicht wie Sichelklang?
Sang es drinnen nicht wie Schnittersang?
Hörtest nicht den Wind auf fernen Höhn
Lustig sausend da die Flügel drehn?
Hörtest nicht die Wasser aus den kühlen
Tälern singen du von Rädermühlen?
Leis, ganz leis nur hallt das und verschwebt,
Wie im Korn sich Traum mit Traum verwebt,
In ein Summen wie von Orgelklingen,
Drein ihr Danklied die Gemeinden singen.
Rückt die Sonne dann der Erde zu,
Wird im Korne immer tiefre Ruh,
Und der liebe Wind hats eingewiegt,
Wenn die Mondnacht schimmernd drüber liegt,
Wie von warmem Brot ein lauer Duft
Zieht mit würzgen Wellen durch die Luft.

Ferdinand Avenarius  (1856 – 1923)

Quelle:
„Vom Reichtum der deutschen Seele – Ein Hausbuch deutscher Lyrik“
hrsg. v. Georg Virnsberg, verlegt bei Dollheimer, Leipzig, 1928



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