„Stern des Nordens“: Ein Land, das schauerlicher nicht sein könnte

Kennst Du das Land, nein, nicht wo die Zitronen blühen, sondern wo die süßesten Äpfel und Pflaumen reifen? Das Geheimnis hinter dem unwiderstehlichen Fruchtaroma könnte schauerlicher nicht sein. Eine Buch-Rezension von Vera Lengsfeld.
Titelbild
Arbeiterdenkmal in Nordkorea.Foto: istock
Von 19. Oktober 2018

Kennst Du das Land, nein, nicht wo die Zitronen blühen, sondern wo die süßesten Äpfel und Pflaumen reifen? Das ist Nordkorea, wahrscheinlich das unbekannteste Land der Erde. Das Geheimnis hinter dem unwiderstehlichen Fruchtaroma könnte schauerlicher nicht sein. Die Bäume stehen im berüchtigten Lager 22, das schlimmste Straflager für politische Gefangene, aus dem es keine Entlassungen gibt. Selbst die Toten müssen bleiben. Sie werden unter den Obstbäumen beerdigt und geben den Früchten ihre begehrte Süße.

Was man für eine Erfindung des Autors D. B. John halten möchte, der in seinem Thriller „Stern des Nordens“ seiner Phantasie freien Lauf gelassen hat, ist durch Berichte aus Nordkorea belegt. Es gab zwar kein Entkommen von Häftlingen aus Lager 22, aber ein Sicherheitschef und ein Wärter flüchteten nach Südkorea und legten Zeugnis ab.

Wer etwas über Nordkorea erfahren möchte, sollte dieses Buch lesen. Es zeichnet ein wahrheitsgetreues Bild von den dortigen Zuständen und ist zugleich ungemein spannend. Ich habe das 528 Seiten starke Werk nur zum Schlafen beiseite gelegt. Nach anderthalb Tagen hatte ich es ausgelesen. Es hätte von mir aus noch weitere 500 Seiten haben können.

Die Handlung wird von zwei starken Frauen bestimmt. Moon, eine über Sechzigjährige, die 28 Jahre in einer Strafkolonie verbringen musste, weil ihr Mann beim Versuch, aus Nordkorea zu fliehen, erschossen wurde, entdeckt spät ihr Talent zum Handel. In den Neunzigern gab es eine schlimme Hungersnot, die dazu führte, dass die Armee anfing, zu marodieren. Danach war es auf geheimen Erlass hin möglich, Grenzsoldaten zu bestechen um nach China zu gelangen, dort als Illegaler Geld zu verdienen und so die Familie zu ernähren.

In der Grenzstadt, in der Moon lebte, gab es einen großen Schwarzmarkt, auf dem alles gehandelt wurde, was sich über die Grenze schaffen ließ. Moon besann sich auf ihre Kochkunst und wurde bald für nordkoreanische Verhältnisse wohlhabend. Als sie versuchte, mit ihrem Geld einen Geheimdienstmitarbeiter zu bestechen, um eine verhaftete Christin vor der Hinrichtung zu retten, gerät sie selbst ins Visier der Staatssicherheit und landet im berüchtigten Lager 22, wo sie das unwahrscheinliche Glück hatte, als Köchin beschäftigt zu werden, also bessere Überlebenschancen hatte.

Eines Tages wird in ihre Hütte ihr Sohn Cho eingewiesen, den sie zusammen mit seinem Bruder vor 28 Jahren mit gefälschten Papieren in ein Waisenhaus eingeliefert hatte, um sie vor der Verfolgung wegen der Flucht ihres Vaters zu schützen. Die Jungen wurden von einem Funktionärsehepaar aus Pjöngjang adoptiert und machten Karriere bis in die höchste Regierungsspitze. Cho verhandelte für Nordkorea mit den Amerikanern.

Als sein Bruder persönlicher Berater von Kim Jong Un werden sollte, wurde die Vergangenheit der Brüder noch einmal durchleuchtet und ihre wahre Herkunft entdeckt. Sie galten nun als schuldig. Der Bruder gestand unter Folter, dass er ein amerikanischer Spion sei und wurde erschossen. Cho widerstand trotz fürchterlichster Martern und kam ins Lager 22. Dort wurde er Zeuge der Experimente an Menschen mit Gift, die 2013 der UNO-Menschenrechtskommission bekannt gegeben wurden. Chos Sohn wurde aus Pjöngjang vertrieben und eines der elternlosen Kinder in der Provinz.

Die zweite Frau, Jenna, Amerikanerin mit koreanischen Wurzeln, musste erleben, dass ihre eineiige Zwillingsschwester an einem südkoreanischen Strand von der Besatzung eines nordkoreanischen U-Boots entführt wurde. Solche Entführungen hat es in den siebziger und achtziger Jahren tatsächlich gegeben. Die Gerüchte darüber wurden von der japanischen und der südkoreanischen Regierung ins Reich der Fabel verwiesen, bis sich Kim Jong Il 2003 überraschend beim japanischen Premier für die Entführungen entschuldigte, in der Hoffnung, Zuwendungen von Japan zu bekommen.

Was mit den hunderten Entführten im Einzelnen passierte, wird wohl nie bekannt werden. Sie lebten in isolierten Wohnanlagen und mussten nordkoreanischen Spionen Sprache und Sitte ihres Heimatlandes beibringen. Jennas Schwester wurde für das „Samenkornprogramm“ benutzt, in dem koreanische Frauen von Ausländern geschwängert wurden. Die Kinder lebten ebenfalls isoliert von der Gesellschaft und wurden zum Teil als Spione ausgebildet.

Jenna lässt sich vom CIA anwerben, um ihre Schwester zu finden. Sie trifft Cho in New York bei den Verhandlungen und konfrontiert ihn mit der Existenz von Lagern und der Entführung ihrer Schwester. Ob es ihr gelingt, bereits ein Korn des Zweifels am nordkoreanischen Regime in Cho zu legen, wird nicht klar. Als der aber nach Pjöngjang zurückkehrt und feststellen muss, dass er selbst in die Mühlen der Staatssicherheit gerät, ändert sich seine Einstellung. Kurz vor seiner Verhaftung gelingt es ihm, Jenna den Aufenthaltsort ihrer Schwester zu zeigen. Später schmuggelt er aus dem Lager 22 Informationen über die Menschenexperimente heraus.

Auch wenn es ein Thriller ist, sind die Schilderungen über Nordkorea authentisch. Deshalb wünsche ich dem Buch viele Leser. Es muss bekannt werden, was dort vor sich geht. Beinahe wäre Kim Jong Un zum Friedensnobelpreisträger geworden. Die Unkenntnis und Naivität der westlichen „Experten“ ist wirklich grenzenlos.

Seinen Namen hat das Buch übrigens vom Luxuszug des Kim Jong Il. Da er 1987 den Abschuss einer südkoreanischen Maschine angeordnet hatte, traute sich der Diktator nicht mehr, zu fliegen. Er reiste in seinem mit zaristischer Pracht ausgestatteten Privatzug herum, vorzugsweise bei Nacht. Im Jahr 2001 bis Sankt Petersburg, obwohl das 21 Tage dauerte.

Es ist kaum verwunderlich, dass ihn sein tödlicher Herzinfarkt in diesem Zug ereilte. Im Buch hat Jenna daran entscheidenden Anteil. Aber wer wissen will, wie Jenna in den Zug des Führers gelangte und was sich dort abspielte, der muss das Buch lesen. Es lohnt sich, weil es ungemein spannend ist und vor allem bildet.

Über den Autor des Buches: D.B. John wurde in Wales geboren, hat lange in Süd-Korea gelebt und als einer der wenigen Touristen aus dem Westen Nord-Korea bereist. Gemeinsam mit Hyeonseo Lee veröffentlichte er den New-York-Times-Bestseller „Schwarze Magnolie: Wie ich aus Nordkorea entkam“. D.B. John lebt in London.

Der Beitrag erschien zuerst bei Vera Lengsfeld.



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