Timişoara – Stadt mit viel Licht

Ein Juwel der Banat-Region mit vielen kulturellen Einflüssen: Die Stadt ist und war kulturelles Zentrum Osteuropas.
Titelbild
Timisoara, Rumänien: Sonnenuntergang auf dem Unirii-Platz (Unionsplatz) mit Blick auf den zentralen Brunnen.Foto: iStock
Von 5. August 2023

Timişoara, Temeswar, Temeschwar, Temeschburg oder Ungarisch Temesvár: eine Stadt mit vielen Namen. Auch als „Klein-Wien“ ist die Stadt bekannt – aufgrund ihres architektonischen Reichtums. Kirchen und Gotteshäuser unterschiedlicher Konfessionen finden sich hier, in denen Messen in Latein, Deutsch, Ungarisch und Rumänisch zu hören sind.

Als drittgrößte Stadt Rumäniens liegt sie im südöstlichen Teil des Karpatenbeckens. Per Auto ist sie zwei Stunden von der serbischen Hauptstadt Belgrad und drei Stunden von der ungarischen Hauptstadt Budapest entfernt.

In ihrer wechselvollen Geschichte hat Timişoara turbulente Zeiten und viele Völker erlebt. Mit ihrem wachsenden Zentrum ist sie ein wichtiger Treffpunkt für die deutschsprachige Gemeinschaft in Rumänien, den „Schwaben“, wobei hier der Begriff eher als Synonym für Süddeutschland zu verstehen ist. Die meisten Deutschen, die sich seit den Habsburgern im 17. Jahrhundert hier ansiedelten, stammten aus Gegenden wie Bayern, Lothringen, Franken, Baden oder auch Österreich.

Der derzeitige Bürgermeister Dominic Fritz, ein ehemaliger Berater des deutschen Bundespräsidenten Horst Köhler, treibt die Entwicklung der Stadt erfolgreich voran – so erfolgreich, dass Timişoara im Jahr 2023 gemeinsam mit Veszprém in Ungarn und Elefsína in Griechenland zur Kulturhauptstadt Europas gekürt wurde.

„Lass dein Licht auf deine Stadt leuchten!“

Timişoara wählte als Motto „Lass dein Licht auf deine Stadt leuchten!“ für ihr Programm im Rahmen der Kulturhauptstadt Europas. Denn: „Licht hat eine besondere Bedeutung in der ‚Stadt der Funken‘ – in der die erste elektrische Straßenbeleuchtung mittels Glühbirnen in Europa eingeführt wurde und in der 1989 der alles verzehrende Funke der Revolution gegen die kommunistische Diktatur entzündet wurde“, schreibt Regisseurin Enikő Száva auf dem Portal „Kultura“.

In diesem Jahr wird Besuchern eine breite Palette an Theateraufführungen, Festivals, Musikveranstaltungen einheimischer und ausländischer Künstler sowie Ausstellungen zeitgenössischer Kunst geboten. Sie bieten Gelegenheit, die historischen Gebäude und Räume zu entdecken, die von der Vergangenheit der Stadt erzählen.

Timişoara: Rumänische Tänze in traditioneller Tracht auf dem internationalen Volksfest „Festival der Herzen“. Foto: iStock

Mit dabei ist auch das jährliche Festival der Kulturen. Veranstaltet vom Rathaus und dem Konsultativrat der Minderheiten, zeigt ein gastronomisches und folkloristisches Volksfest die Vielfalt der Region. Traditionsgruppen und Gelegenheitsköche kommen zusammen: ungarische, deutsche, serbische, bulgarische, slowakische, jüdische, ukrainische, tschechische, italienische, mazedonisch-rumänische und die der Roma. Bei diesen Festen präsentieren die Minderheitengruppen neben ihren Tänzen auch ihre Trachten, Volksutensilien und typischen Gerichte.

Timişoara: Die Parade der schwäbischen Trachten anlässlich der Tage der Deutschen im Banat und des Treffens der schwäbischen Bevölkerung, organisiert vom Deutschen Forum. Foto: iStock

Das Kulturhauptstadt-Programm soll als „Sprungbrett für die Entwicklung“ dienen und wird von verschiedenen Institutionen und mit einem Budget von fast zweieinhalb Millionen Euro unterstützt. Für die rund 310.000 Einwohner zählende Stadt mit ihren Gästen stehen um die 30 Veranstaltungen pro Woche auf dem Programm.

Timişoara: Der mit Blumen geschmückte Freiheitsplatz. Foto: iStock

Historisches Erbe

Laut rumänischen Medienkritikern besteht mehr denn je die Notwendigkeit, das historische Erbe der Stadt wiederzubeleben. Adrian Stepan kommentierte: „Es ist sinnlos, die außergewöhnlichen Errungenschaften der Vergangenheit zu erwähnen, wenn heute fast nichts getan wird, um sie in Erinnerung zu rufen.“

Der Bedarf ist groß. Einerseits sollen Kultur wiederbelebt und Traditionen der Minderheiten im Banat gewahrt werden. Banat, so nennt sich die Region um Timişoara, die bis Serbien und Ungarn hineinreicht. Andererseits befinden sich viele Orte der Stadt, die an das nationale Erbe erinnern, in einem Zustand des Verfalls. Daher stehen auch Renovierungsarbeiten von mehreren Gebäuden auf dem Plan. So wurde die römisch-katholische Kirche St. Georg am Dóm-Platz renoviert und im Frühjahr dieses Jahres neu geweiht.

Die meisten Angebote sind touristenfreundlich und mehrsprachig, wie zum Beispiel die Brancusi-Ausstellung über das Lebenswerk des weltbekannten Bildhauers oder die Veranstaltungen der verschiedenen Minderheiten, bei denen Aufführungen in der Muttersprache besondere Beachtung finden.

Historische Häuser und Karl Robert I.

Ein Schatz Timişoaras sind die historischen Gebäude: Die Stadt beherbergt die größte Zahl historischer Gebäude Rumäniens. Über 14.000 historische Häuser lassen sich in den Straßen, an den Plätzen und rund um die zahlreichen Parks der Stadt finden.

Bunte Hausfassaden am Unionsplatz in Timisoara, Rumänien. Foto: iStock

Die meisten wurden im barocken und byzantinischen Stil erbaut, auch Jugendstil- und Sezessionsarchitektur ist zu finden. Trotz der kommunistischen Jahre des Landes sind viele der Häuser bis heute erhalten geblieben, manche jedoch stark renovierungsbedürftig.

Altstadthäuser, die auf ihre Renovierung warten. Foto: iStock

Hier Häuser zu bauen, war anfangs schwierig, da die Region ursprünglich sumpfig ist. Mit der Kanalisierung der Flüsse verwandelte sie sich in ein urbanes Zentrum.

Karl Robert I. siedelte sich hier mit seinem Hof an und machte die Stadt von 1316 bis 1326 zur Hauptstadt Ungarns. Später zählte sie zum osmanischen Reich und ab 1718 zum habsburgischen Österreich.

Der Name des Ortes bezieht sich auf seine Funktion: „die Festung von Timis“. Sie diente als strategisches, wirtschaftliches und militärisches Zentrum, was ihr noch einen Namen einbrachte: „ungarisches Manchester“.

1920 wurde die Stadt, deren Bevölkerung zu fast 40 Prozent ungarisch war, Rumänien zugesprochen – die ungarische Regierung damals war entsetzt.

1989 wird Timişoara ein Fanal

Die sozialistischen und kommunistischen Regierungen mussten in den osteuropäischen Ländern in den späten 1980er-Jahren gehen. Der Übergang wurde in der Regel ohne die Hinrichtung der Führer erreicht – die große Ausnahme war Rumänien.

Zu diesem Zeitpunkt war das Land bereits völlig verarmt. Die Menschen in den großen Städten hatten nichts zu essen und suchten Hilfe auf dem Land. Währenddessen war die kommunistische Führung damit beschäftigt, den Polizeistaat zu verteidigen, den sie aufgebaut hatte.

Rumänische Revolutionsflagge mit einem Loch anstelle des kommunistischen Zeichens, auch bekannt als „Drapelul Romaniei“, am Fahnenmast von Timişoara. Sie ist Symbol der rumänischen Revolution von 1989, die zur Abschaffung des Kommunismus und der Herrschaft von Ceaucescu führte. Foto: iStock

In Rumänien begann der Aufstand am Abend des 15. Dezember 1989, als der ungarische Pfarrer László Tőkés, ein Pfarrer der Reformierten Kirche, aus Timişoara vertrieben werden sollte. Ungarn und Rumänen bildeten eine Menschenkette, um ihn zu verteidigen.

Daraus entwickelte sich eine Rebellion, die das ganze Land erfasste und die dort lebenden Menschen vereinte. Über 1.100 wurden beim Aufstand getötet, über 3.000 verletzt. Am Ende stand der Sturz und die Hinrichtung des Diktatorenpaars Nicolae und Elena Ceausescu.

Das Gericht verkündete sein Urteil am 25. Dezember 1989. Es befand den kommunistischen Führer des Verbrechens des Völkermords mit mehr als 60.000 Opfern, der Untergrabung der nationalen Wirtschaft und der Staatsmacht sowie der Zerstörung von öffentlichem Eigentum und Werten für schuldig.

Die Kulturhauptstadt Europas hat sich zum Ziel gesetzt, auch auf diesen Schatz und dieses Erbe aufmerksam zu machen.

 

Im Westen Rumäniens, nahe der Grenze zu Serbien, liegt Timişoara, einst Hauptstadt des historischen Großungarns. Foto: iStock



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