Die zeitlose Kunst der Selbstverbesserung

„Die Schüler in alten Zeiten lernten um ihrer selbst willen, während die Schüler von heute lernen, um andere zu beeindrucken. Folglich lernt der wirkliche Gentleman, um sein eigenes Wesen zu vervollkommnen.“ Diese Worte des chinesischen Gelehrten Xunzi im gleichnamigen Text sind heute noch genauso aktuell wie vor mehr als 2.000 Jahren.
Titelbild
Das Eingangstor des Konfuzius-Tempels in den 1860 Jahren in Zhenhai, einer Stadt an der Küste zum Ostchinesischen Meer, Südostchina.Foto: Public Domain
Von 24. August 2021

Seit vielen Jahren empfehle ich jedem, den ich kenne, eine Leidenschaft fürs Lesen zu entwickeln. Es liegt mir besonders am Herzen, Eltern und junge Menschen dazu zu ermutigen. Erstere, um ihren Kindern später wiederum diese Leidenschaft weiterzugeben, und Letztere, damit sie sich zu weisen Erwachsenen entwickeln können.

Ich empfehle meist das Fach Geschichte, denn Geschichte zeigt uns unzählige Beispiele menschlichen Verhaltens. Dadurch können wir aus allen möglichen Bereichen lernen, die für ein erfülltes Leben wichtig sind – beispielsweise Charakter, Staatskunst und Weisheit.

„Das Lernen darf nie aufhören“

Ich wurde freudig an diese Wahrheit erinnert, als ich das erste Kapitel eines alten chinesischen Textes namens „Xunzi“ mit dem Titel „Eine Ermahnung zum Lernen“ las. Es definiert den „Gentleman“ als jemanden, der im Einklang mit „dem Weg, dem Tao“ stetig bemüht ist, seine Tugendhaftigkeit zu erhöhen.

Die Kernaussage des Buches erscheint unmittelbar in seiner ersten Zeile: „Der Gentleman betont: Das Lernen darf nie aufhören.“ Der „Gentleman“ ist jemand, „[der] umfassend lernt und sich dreimal täglich selbst prüft – erst dann ist sein Wissen klar und sein Verhalten ohne Fehler“.

Selbstprüfung – was für ein Gedanke! Ein Gedanke, der seit langem auch von den größten Gelehrten des Westens vertreten wurde und der das Gegenteil der banalen, selbstsüchtigen, endlos nachgiebigen Binsenweisheiten der Popkultur darstellt, denen wir ständig ausgesetzt sind.

Darüber hinaus betont das „Xunzi“, dass die Tugendhaftigkeit, die man braucht, um ein Gentleman zu sein, nur durch eine gründliche Kenntnis der Vergangenheit erlangt werden kann: „Wenn du nie die Worte hörst, die von den früheren Königen überliefert wurden, wirst du die Großartigkeit des Geistes nicht erkennen.“

Eine solche Aussage setzt voraus, dass Erfahrung ein wesentlicher Bestandteil der Weisheit ist, durch die Tugend erlangt wird (daher der Respekt vor den Alten in der traditionellen chinesischen Kultur). Mit anderen Worten: Die Vorstellung eines endlosen Fortschritts ist absurd und der Glaube, dass das Neue immer besser ist, ist kurzsichtig.

Laut dem „Xunzi“ lernt der Gentleman, um seine Tugenden zu verbessern, und nicht, um seine moralische Korrektheit zur Schau zu stellen: „Die Schüler in alten Zeiten lernten um ihrer selbst willen, während die Schüler von heute lernen, um andere zu beeindrucken. Folglich lernt der wirkliche Gentleman, um sein eigenes Wesen zu vervollkommnen.“

Ebenso erkenne der Gentleman, dass es harte Arbeit ist, in der Tugend zu wachsen: „Der Gentleman ist nicht durch Geburt bemerkenswert, sondern dadurch, dass er gut darin ist, mit allen möglichen Umständen zurechtzukommen.“

Dies könnte nicht unterschiedlicher zu den modernen, schädlichen Ideologien und „Bewegungen“ sein, die darauf hinauslaufen, dass die Tugend eines Menschen aus materiellen Dingen besteht, an denen er nicht arbeiten oder die er nicht verbessern muss.

„Schlechte Gesellschaft verdirbt die guten Sitten“

Das „Xunzi“ betont auch die Bedeutung der eigenen Kontakte für das Wachstum in der Tugend: „Beim Lernen ist nichts vorteilhafter, als sich dem richtigen Ideal anzuschließen.“

Ein altes Sprichwort besagt: „Schlechte Gesellschaft verdirbt die guten Sitten.“ Diese Wahrheit war den Chinesen vor mehr als zwei Jahrtausenden nicht weniger bekannt als denjenigen, die sich heute ihren gesunden Menschenverstand bewahrt haben.

Dieses Wachsen der Tugend, so erklärt das „Xunzi“, führe letztlich zu einer persönlichen Grundhaltung, die der Autor „Standfestigkeit“ nennt. Er beschreibt sie so: „Macht und Profit können ihn nicht beeinflussen, die Massen können ihn nicht umstimmen, und nichts in der Welt kann ihn erschüttern. Mit dieser Einstellung lebt er bis zu seinem Tod. Es ist der Herzenszustand, der die wahre Tugendhaftigkeit verkörpert.“

Diese „Beharrlichkeit“ ist die Fähigkeit, Dinge so wahrzunehmen, wie sie sind, und entsprechend zu reagieren, egal was es kostet. Es heißt: „Erst wenn man diese Standfestigkeit erreichen kann, kann man auf verschiedene Situationen richtig reagieren. Wenn man sowohl standfest als auch flexibel bei unterschiedlichen Begebenheiten reagieren kann, wird man als vollkommener Mensch bezeichnet.“

Diese zutiefst realistische, aber ambitionierte Haltung erinnerte mich an etwas, das Jordan Peterson sagte: „Sammle dein […] Leid ein und ertrage es! Und versuche, ein guter Mensch zu sein, damit du es nicht noch schlimmer machst! … Stehe mit beiden Beinen auf dem Boden, damit die Menschen sich auf dich verlassen können!“

Dies bedeutet also, ein tugendhafter Mensch zu sein – ein wahrer Mensch.

Zurückbesinnung auf die Weisheit

Bei Texten wie dem „Xunzi“ stößt man auf zahlreiche Beispiele, welche ich scherzhaft als „2.200 Jahre alte Schlagzeilen“ (oder wie alt ein bestimmter Text auch immer sein mag) bezeichne. Damit meine ich, dass diese für uns alle im Jahr 2021 in ihrer Notwendigkeit und ihrem Inhalt genauso aktuell sind wie die heutigen Schlagzeilen (oft sogar noch aktueller).

Man entdeckt, dass sich die menschliche Natur über Tausende von Jahren nicht viel verändert hat und die Zutaten für wahres Glück – das nur in der Tugendhaftigkeit zu finden ist – im Grunde zu allen Zeiten und für alle Menschen gleich bleiben. Die moderne Formel, seinen launenhaften und kurzsichtigen Wünschen zu folgen (für die man ständig von anderen bestätigt werden muss), ist definitiv nicht das Wahre.

Eine solche Weisheit war vielleicht noch nie so notwendig wie in einer Zeit, die so dekadent und nachgiebig ist wie die unsere. Mögen wir uns auf diese große Tradition besinnen, auf die Weisheit der Weisen aller Kulturen und Zeiten! Mögen wir aufhören, uns auf uns selbst zu beschränken, und lernen, dass das Individuum töricht, die Menschheit jedoch weise ist.

Joshua Charles ist Bestsellerautor, Historiker, öffentlicher Redner, Konzertpianist und ein ehemaliger Redenschreiber des Weißen Hauses für US-Vizepräsident Mike Pence. Außerdem war er historischer Berater für mehrere Dokumentarfilme und sprach in den ganzen USA über Themen wie Geschichte, Politik, Glaube und Weltanschauung. Für weitere Informationen folgen Sie ihm auf Twitter @JoshuaTCharles oder besuchen Sie JoshuaTCharles.com.

Dieser Artikel erschien im Original auf The Epoch Times USA unter dem Titel: Timeless Wisdom: The Ancient Chinese Art of Self-Improvement (deutsche Bearbeitung von as)



Kommentare
Liebe Leser,

vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.

Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.

Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.


Ihre Epoch Times - Redaktion