Weisheit der Kampfkunst

Durch das Praktizieren traditioneller Kampfkünste die 5.000-jährige chinesische Kultur verstehen.
Titelbild
Liu Ta-yen demonstriert die Fünf-Hände-Faust beim 7. NTD Wettbewerb der traditionellen chinesischen Kampfkünste.Foto: Larry Dye/The Epoch Times
Von 15. September 2022


Schwert, Speer und Stab: Beim 7. Internationalen Wettbewerb für traditionelle chinesische Kampfkunst von NTD Television Network, einem Schwestermedium der Epoch Times, in New York, zeigten die Teilnehmer ihre Kung-Fu-Fertigkeiten und setzten dabei verschiedene Waffen und Techniken ein. Um richtig gut zu sein, bedarf es allerdings eines tiefgründigen Verständnisses der Disziplinen, das weit über das Sportliche hinausgeht. Dass dieses Mal kein erster Platz belegt werden konnte, liegt möglicherweise auch an Ereignissen in der jüngeren chinesischen Geschichte.

Einer der über 70 Teilnehmer war Bronzemedaillengewinner Wang Guolong. Er demonstrierte den Umgang mit dem Tanglang-Schwert, einem Zweihandschwert für den Gottesanbeterinnen-Kung-Fu-Stil.

Vor allem der einzigartige Fokus des Wettbewerbs hatte ihn zur Teilnahme veranlasst: Tugend und Tradition. Der Wettbewerb im Bundesstaat New York ist Teil einer Reihe von internationalen Kultur- und Kunstveranstaltungen, die von NTD Television Network ausgerichtet werden. Er zielt auf die Wiederbelebung der traditionellen chinesischen Kampfkünste mit ihren ursprünglichen Werten.

Für Wang steht der Austausch mit anderen Kampfsportlern und die Verbesserung seiner Fähigkeiten im Vordergrund: „Das Üben mit dem Schwert ist ein lebenslanger Lernprozess“, erklärt er.

Megan Westerman zeigt den Shaolin-Drehspeer. Foto: Larry Dye/The Epoch Times

Kampftugenden

Mit Kampfkunst habe er 1983 begonnen, erzählt Wang, wobei er sich in den ersten Jahren stark auf das Erlernen der Techniken und die Entwicklung seiner Fähigkeiten fokussiert habe. „Während mein Körper immer stärker wurde, veränderte sich mein Charakter. Ich wurde arrogant“, gibt er zu.

Von seinem Meister erhielt er ein Warnsignal. „Beim Üben von Kampfkunst muss man zuallererst die kämpferische Tugend erlernen“, gibt Wang die Worte seines Meisters wieder. „Übt man nur die Techniken, ohne die tiefgründige Kultur hinter den Bewegungen zu verstehen, werden alle Bemühungen vergeblich sein.“

Die Kampfkünste, die Teil der 5.000-jährigen chinesischen Tradition sind, stammen ursprünglich aus dem Daoismus – einer spirituellen Praxis, die eng mit der persönlichen Kultivierung und Verbesserung des Charakters verbunden ist. Im Mittelpunkt der Kampfkünste steht das Konzept der kämpferischen Tugend, im Chinesischen „wu de“ genannt. Dieses Konzept erschließt das spirituelle Kernstück der traditionellen Kampfkünste und wird nur zur Verteidigung gegen Ungerechtigkeit und nicht zur Aggression eingesetzt.

Heute zieht er es vor, sich als Praktizierender der „Kampfkunsttugend“ zu bezeichnen, und nicht als Kampfsportler, erklärt der in China geborene Teilnehmer.

Wang Guolong demonstriert das Zweihandschwert der Gottesanbeterin. Foto: Larry Dye/The Epoch Times

Innerer Frieden – eine größere Form der Stärke

Bronzemedaillengewinnerin Megan Westerman erlangt durch die sanften Bewegungen der traditionellen chinesischen Kampfkünste einen klaren und friedlichen Geist. „Kampfkunst ist wie Meditation in Bewegung. Während des Trainings rückt alles andere in den Hintergrund“, erläutert sie. „Manchmal machen wir Fehler, weil wir zu unruhig im Herzen sind.“

Westerman stellte während ihrer 15-jährigen Praxis nach und nach fest, dass mit den ältesten Kampfkunstformen die größte Energie herausentwickelt werden kann. „Die traditionellen Kampfkünste zeichnet aus, dass hinter jeder Bewegung eine Geschichte steckt, der eine enorme Kraft innewohnt“, erklärt sie nach ihrer Demonstration des „Shaolin-Drehspeers“.

Ein weiterer Teilnehmer, Chris Chappell, praktiziert seit seiner Jugend traditionelle Kampfkunst. Er habe die Kraft des inneren Friedens gespürt. Durch ein Sprichwort aus den traditionellen chinesischen Kampfkünsten habe er eine sehr wichtige Lektion gelernt. Es besagt: „Das Sanfte kann das Herz überwältigen.“ Chappell, der eine Ehrenauszeichnung erhielt, erklärt: „Ich denke, dass wir im Leben oft Ärger oder Wut entwickeln. Das ist eine Art von Stärke, die wir nutzen können, um harte Zeiten zu überstehen. Es ist allerdings eine sehr gefährliche Emotion, wenn sie sich gegen die Menschen richtet, die einem am nächsten stehen, wie Familie und Freunde. […] Bei den chinesischen Kampfkünsten lernt man, dass Stärke durch Ruhe und inneren Frieden entstehen kann. Das ist eine viel größere, eine umfassendere Form der Stärke.“

Daniel Hernandez zeigt die Da Luo Han-Faust. Foto: Larry Dye/The Epoch Times

Keine Goldmedaille

25 Teilnehmer erhielten eine Bronzemedaille, neun eine Silbermedaille. Eine Goldmedaille vergab die Jury dieses Jahr nicht. „Es ist bedauerlich, dass sich in diesem Jahr niemand für die Goldmedaille qualifiziert hat“, meint Li Youfu, der Hauptpreisrichter des Wettbewerbs, nach der Preisverleihung. Die Jury sei auf der Suche nach authentischen Kampfkünsten, die man auf Chinesisch „Wushu“ nennt. Nach Jahrzehnten der ideologischen Unterdrückung und der Kommerzialisierung habe echtes Wushu heute jedoch viel von seinem ursprünglichen Charakter verloren, so Li.

Während der Kulturrevolution in den 1960er- und 1970er-Jahren wurden die traditionellen Wushu-Meister von der Kommunistischen Partei Chinas verfolgt, was dazu führte, dass Wushu den Bezug zu seinen Ursprüngen verlor. Die Wushu-Praxis wurde weiter zurückgedrängt, als sich kommerzielle Interessen einschlichen und dadurch die Aufmerksamkeit auf oberflächliche und moderne Übungspraktiken gelenkt wurde, was auf Kosten der traditionellen Kunstfertigkeit ging. „Die Menschen haben das wahre Kung-Fu verloren, nachdem sie sich zu sehr auf Ruhm und Eigennutz konzentrierten“, erklärt Li.

Nach Ansicht des renommierten Meisters aus Peking wurden die modernen Formen des Wushu mit Bewegungen aus anderen Disziplinen vermischt, wodurch die kämpferische Tugend, die grundlegenden Eigenschaften der göttlich vermittelten Kultur, verloren gingen.

Die Beibehaltung der strengen Wettkampfnorm und die Nichtvergabe der Goldmedaille, so Li, solle die Teilnehmer ermutigen, sich zu verbessern und während ihres Trainings die Essenz der traditionellen chinesischen Kampfkünste zu verstehen.

Zahlreiche Teilnehmerinnen und Teilnehmer erklärten, dass Sieg oder Niederlage für sie nicht von Relevanz seien, angesichts der wertvollen Erfahrungen, die sie sammeln konnten. „Die Freundschaft unter den Teilnehmern ist so wichtig. Obwohl wir gegeneinander antreten, hoffen wir wirklich, dass die anderen gewinnen“, erklärt Daniel Hernandez, der eine Ehrenauszeichnung erhielt. „Das ist der stärkste Teil der Veranstaltung und für mich von großer Bedeutung.“

Brandon Chin, der zum ersten Mal teilnahm, sagte, er habe sich in die Veranstaltung verliebt. „Die Teilnehmer hier sind wie eine Familie. Wir treten gegeneinander an, aber kooperieren auch miteinander“, so Chin. „Ich schätze die traditionellen Kampfkünste jetzt umso mehr.“

Dieser Artikel erschien im Original auf theepochtimes.com unter dem Titel: „Understanding Chinese Culture From Practicing Traditional Martial Arts“ (deutsche Bearbeitung aa) 

Dieser Artikel erschien zuerst in der Epoch Times Wochenzeitung, Ausgabe Nr. 61, vom 10. September 2022.



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