Wie Kinder „in Dauerkomfortzonen zu Schmalspur-Menschen degradiert“ werden

Was den Kindern heute als Freiheit-des-Kindseins aufs Auge gedrückt wird, sei oft nicht mehr als ein totalüberwachtes räudiges Rasenviereck, auf dem sie betreut spielen dürfen, meint Schriftsteller Frank Jordan. Doch wo blieben das echte Leben, die wahre Freiheit und der Mut? Lesen Sie hier einen Appell an die Eltern der heutigen Zeit.
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Symbolbild.Foto:  Frank Leonhardt/Archiv/dpa
Von 12. Mai 2017

„Das Leben ist keine geruch-, geräusch- und gefahrisolierte Gummizelle, an deren Wände man Bilder einer Wirklichkeit pinnt, die es so nicht gibt“, meint Schriftsteller Frank Jordan und empört sich damit über die vollkommen verweichlichte Erziehung, die unseren Kindern heute oft angetan wird.

Dabei fragt er, warum den Kindern eine Dauerkomfortzone organisiert wird und sie zu Schmalspur-Menschen degradiert werden, indem ihnen ein vollkommen abgehobener Glaube an sich selbst und an die eigene Rolle in der Welt eintrichtert wird.

Jordan findet den Selbstbetrug, bei dem Kindern eine perfekte Welt vorgegaukelt wird, absurd, ja fast schon unmenschlich. Der Widerspruch in der heutigen Mode-Doktrin in Sachen Erziehung sei gigantisch. Mit der Begründung, der Ernst des Lebens komme noch früh genug, würden Kinder und Jugendliche „von Leistung, Konkurrenz, von der Möglichkeit des Scheiterns, von Regeln des Zusammenlebens im allgemeinen und von solchen des Anstands im Besondern abgeschirmt“. Es gelte:“Alles ist toll“.

Sklaven eines Kuschel-Totalitarismus

Dabei sei der Druck, wunderbar zu sein und alles wunderbar zu finden und Spass zu haben, sehr groß, meint Jordan weiter. Scheitern, Aufstehen, Weitermachen kämen dabei einfach zu kurz. Seiner Meinung nach ist ein perfekt betreutes Kind kein Kind sondern „Sklave eines Kuschel-Totalitarismus, der jeden Existenzbereich überwacht. Der vorgibt zu lenken, zu erziehen, zu trösten, zu behüten, zu motivieren, zu beraten, zu vervollkommnen und zu schützen, während er in Wahrheit besitzen muss.“

Was den Kindern heute als Freiheit-des-Kindseins aufs Auge gedrückt wird, sei oft nicht mehr als ein totalüberwachtes räudiges Rasenviereck, auf dem sie betreut spielen dürfen. Was am Ende dabei herauskommen kann, schildert der Autor so: „Später dann pubertär aufsässig sein, gegen rechts demonstrieren und gegen Atomstrom, brutalst proletarischen Kaffee trinken und demokratische Brötchen essen, zwanzig Semester Kunstmarketing studieren, Plüschtiere verteilen und ihren Befindlichkeitsstatus auf zehn sozialen Netzwerken aktualisieren“.

Alles sei erlaubt, so Jordan weiter – „alles, bloss nicht über die Mauer steigen und auf jene Seite gehen, auf der Eltern oder Staat keinen Zugriff auf einen haben. Wo einer scheitern könnte – ob echt oder bloss in den Augen der perfekten Welt, die er verlassen hat –  spielt dabei nur eine marginale Rolle. „Nur“ eine Berufslehre machen, das Studium selber finanzieren, finanziell zum elterlichen Haushalt beitragen, sich Dinge, die man sich wünscht zusammensparen, zu den richtigen Dingen die falsche Meinung haben, aus den Reihen der Mehrheit tanzen, sein eigenes Ding durchziehen auf eigene Kosten, einen Job annehmen, der nicht auf der nahrhaften Seite der Gesellschaft, also in Staatsnähe angesiedelt ist, selbst mal für andere zurückstecken, etwas wagen, versagen, es wieder wagen, es besser machen, ein behindertes Kind zur Welt bringen – ja, auch das!

Wo bleiben das Leben, die Freiheit und der Mut?

Spätesten hier würden sich laut Jordan Widerspruch und Betrug decken: „Wir machen uns vor, noch nie in einer derart freiheitlichen Gesellschaft gelebt zu haben, in der jeder buchstäblich sein und tun und lassen kann, was er will. Die Jungen zuallererst“. Das stimme aber überhaupt nicht, meint Jordan, und weiter: „Es ist eine halbgare Freiheit, die einer lauwarmen Sicherheit gegenübersteht. Es ist weder Fisch noch Vogel – und es ist ganz sicher nicht das volle Leben. Alles, was Kinder so lernen, ist, ein Toller unter Tollen zu sein, ein Wunderbarer unter Wunderbaren. Ein Auserwählter unter Auserwählten.“

Wo bleiben dabei das Leben, die Freiheit, der Mut?, will Jordan wissen. Und hierbei mache er den Kindern keinen Vorwurf sondern den Eltern. Diese seien es, „die ihre Kinder sehenden Auges in ein Dasein als Unfreie führen“ und zu „Konformisten unter dem schützenden Flügel einer dauerklatschenden Mehrheit“ machen würden. Was das Leben wirklich bedeute, dass würde man den Jungen nach bestem Wissen und Gewissen versuchen, vom Leibe zu halten, meint Jordan.

Den ganzen Beitrag finden Sie hier auf dem Blog des Autors: https://frankjordanblog.wordpress.com/

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