Winterspaß zwischen den Seen
„Brauchen Sie einen Pinguin?“, ruft mir eine blonde Schweizerin zu, als sie elegant an mir vorbeischwebt. Für einen Moment bin ich verwirrt, was sie damit meint, aber dann erinnere ich mich an die Eislaufhilfen für Kleinkinder am Eingang zur Eisbahn. Offensichtlich verursachen meine unkoordinierten Wackeleinheiten Besorgnis bei anderen Schlittschuhläufern. Nach fast zwanzig Jahren ohne Kufen bringt jede Runde auf dem gefrorenen Element schöne Kindheitserinnerungen zurück.
Da ich beim besten Willen nicht Ski fahren kann und auf der Piste die gleichen wilden Armbewegungen wie auf der Eisbahn veranstalte, stand eine Winterreise in die Schweiz nie wirklich auf meiner Wunschliste. Aber während eines langen Wochenendes im charmanten Interlaken stelle ich fest, dass es auch genug Aktivitäten abseits der Schneehänge gibt.
Im Kajak unterwegs
Es heißt für mich früh aufstehen, um kurz nach Sonnenaufgang fast lautlos über den Brienzersee zu gleiten. Dave Storey, der ursprünglich aus Manchester kommt und jetzt – verheiratet mit einer Schweizerin – die Kajakschule Hightide betreibt, teilt meine Vorliebe für die Stille am Morgen: „Ich liebe es, den See ganz für mich allein zu haben“, sagt er. Umgeben von schneebedeckten Bergen, die sich wunderschön im Wasser spiegeln, fühle ich mich auf seltsame Weise mit der Natur verbunden. In der Ferne heben die ersten Gleitschirmflieger des Tages lautlos ab.
Wir unterbrechen unseren Ausflug mit einem Halt an der Burgruine Ringgenberg, die hoch über dem See auf einem Felsen thront. Als wir die Stufen zur Aussichtsplattform erklimmen, ist eine schwarzweiße Katze unser einziger Begleiter zu dieser frühen Stunde. Ringgenberg ist trotz ihrer eher bescheidenen Größe eine der beeindruckendsten Burganlagen des Berner Oberlandes. Sie wurde im 13. Jahrhundert vom kaiserlichen Statthalter Cuno von Brienz erbaut. Die Kirchenorgel, auf der Komponist Felix Mendelssohn 1847 spielte, wurde 1837 errichtet.
Während wir uns langsam im Kajak zum Ausgangsort zurückbewegen, steigt am anderen Ufer dunstiger Nebel auf. „Genau an dieser Stelle trifft der eisige Strom der Lütschine auf den See. Noch vor sechs Stunden war dieses Wasser auf einem Gletscher“, erklärt Guide Peter Blik.
Adrenalinstoß im Jetboot
Interlaken befindet sich in einer malerischen Lage zwischen dem Thuner- und dem Brienzersee, die beide von Gletschern gespeist werden, und den schneeweißen Gipfeln von Eiger, Mönch und Jungfrau, die Teile einer majestätischen Naturlandschaft sind. „Es ist der einzige Ort, an dem man kilometerweit auf ebener Fläche mit dem Fahrrad von einem Ende der Stadt zum anderen fahren kann“, lacht die Einheimische Celina Finger. Doch entspanntes Radfahren ist nicht der Grund, warum es so viele Besucher in diesen 5.000 Einwohner zählenden Ort zieht. Es sind die adrenalingeladenen Abenteuer, die selbst die Furchtlosen zum Schreien bringen.
Und ich schreie, als das rote Jetboot noch einmal eine 360° Drehung macht, bevor es in Richtung des Fischerdorfs Iseltwald donnert. Wir umrunden die einzige Insel im Brienzersee, das Schnäggeninseli, das seinen Namen angeblich erhalten hat, weil Mönche hier früher Schnecken als Fischköder züchteten. Seit 2015 stehen sowohl die Insel als auch die nahe gelegene Schlossburg zum Verkauf. Unser Jetboot-Guide Phil Hausammann witzelt: „Für nur 20 Millionen Schweizer Franken könnte die Insel Ihnen gehören“.
Abseits des Trubels
Der Kauf eines Schlosses übersteigt zwar mein Budget, aber vielleicht habe ich gerade genug Geld übrig, um meiner Sammlung eine weitere handgeschnitzte Kunstmaske hinzuzufügen. Die Künstlerin Gabriela Schild fertigt seit Jahrzehnten Skulpturen aus Holz, Eis und Schnee. „Ich arbeite gerade an einer Maske für den Harder-Potschete-Umzug“, sagt sie und zeigt mir ihr Sortiment an Meißeln. „Ich brauche etwa ein bis zwei Wochen, um sie fertigzustellen, und das Gesicht muss wirklich gruselig aussehen. Jedes Jahr am 2. Januar wird unsere Stadt von den maskierten Gestalten des Hardermanns, seiner Frau und seiner Gefolgschaft, den Potschen, heimgesucht.“
Während diese Neujahrstradition in Interlaken Jahrhunderte alt ist, ist der Name der Stadt überraschenderweise relativ jung. Bis 1891 hieß sie Aarmühle. Doch für das Postamt und den Bahnhof wurde eine andere Bezeichnung verwendet, der die Lage zwischen den zwei Seen beschrieb – Inter-Laken. Mit dem Aufschwung der Stadt als internationaler Ferienort in den 1800er-Jahren wurde der Name in die anglisierte Version geändert, um dem Tourismus Rechnung zu tragen.
Auf meiner Swiss Food and Culture Tour erklärt Stadtführer Joel Feuz, dass Interlaken in den Sommermonaten auf etwa 150.000 Menschen anschwillt. Aber sobald wir die Hauptstraßen verlassen, wird es ruhiger und traditionelle Schweizer Häuser mit weit ausladenden Dächern und Holzbalkonen sowie reich verzierten Fassaden mit geschnitzten Ornamenten kommen ins Blickfeld. Nur 20 Minuten Fußweg vom Stadtzentrum entfernt machen wir in einem kleinen Bauernhof in dritter Generation Halt, um Käse zu kosten.
„Alpenkäse darf diese Bezeichnung nur dann tragen, wenn er mit Milch von Kühen, Ziegen oder Schafen hergestellt wird, die auf den Alpen weiden. Im Gegensatz zum Bergkäse wird er nur im Sommer und nur auf den Alpen hergestellt“, sagt Feuz. In ein paar Monaten werden die Kühe im hinteren Teil des Stalls auf grünere Weiden umziehen.
Für mich steht vor der Abreise noch eine letzte Runde auf der Eisbahn auf dem Programm. Ob allerdings mit oder ohne Pinguin, wird an dieser Stelle nicht verraten.
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